Die andere Seite der Medaille: Im Juni sind zwei von vier Bremer Ultras wegen Landfriedensbruchs zu Geldstrafen verurteilt worden, weil sie im Anschluss an das Bundesliga-Spiel Werder gegen Mainz 05 im Dezember 2017 dabei waren, als etwa 100 Personen die Kneipe „Schänke“ im Viertel angriffen, indem sie Gegenstände in die Scheiben und an die Fassade warfen. Die Ultras vermuteten seinerzeit, dass sich Hooligans in der „Schänke“ befanden. Nun stehen drei Männer vor Gericht, die sich in der Kneipe befanden und – mit fast 30 Anderen – auf die Straße stürmten, als die Gegenstände geflogen kamen. Sie und die anderen Gäste setzten damals ihrerseits den Ultras nach und bewarfen oder schlugen sie mit Gläsern, Glasflaschen, Schildern, Stühlen und Bänken.
Laut Anklage haben sich die Männer unterschiedlich an der Auseinandersetzung beteiligt. Während einer in vorderster Reihe agierte und einen sogenannten Fußgängerleitpfahl in Richtung der Ultras geworfen haben soll, warteten die beiden anderen zunächst in einer hinteren Reihe ab und setzten anschließend mit Gegenständen den Ultras nach.
40 Hausdurchsuchungen bei Hooligans und Ultras
Die Polizei hatte damals eine eigene Ermittlungsgruppe für die Aufklärung des Geschehens und die Ermittlung der Verdächtigen gegründet. Diese Ermittlungen führten unter anderem zu fast 40 Hausdurchsuchungen bei Hooligans und Ultras und mündeten in Anklagen gegen 23 Personen beider Gruppierungen, die die Staatsanwaltschaft im Jahr August 2019 erhob. Angeklagt ist beim Landgericht – wie in den anderen Fällen – ein besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs. Zur Verlesung der Anklage kam es am Dienstag jedoch nicht.
Einer der drei Angeklagten erschien nicht vor Gericht. Sein Verteidiger erreichte ihn telefonisch nicht. Er würde ihn allerdings noch nicht einmal erkennen, wenn er vor ihm stünde – einen persönlichen Kontakt gab es bislang nicht, sagt der Anwalt. Es blieb beim Versuch, den ordnungsgemäß geladenen Angeklagten von der Polizei vorführen zu lassen, denn der Beschuldigte war nicht aufzufinden. Die beiden anderen warteten mit ihren Anwälten, besprachen sich mit ihnen oder ließen sich den reich verzierten Schwurgerichtssaal erklären. Doch alle Geduld nutzte nichts; am nächsten Verhandlungstag in der kommenden Woche soll ein zweiter Versuch gestartet werden, das Geschehen von der anderen Seite her zu beleuchten.