
Bremen. Mehmet Ekici hat erstmals groß aufgespielt für Werder. Von einem Durchbruch möchte Trainer Thomas Schaaf nicht sprechen – doch der türkische Nationalspieler, der beim 4:1 in Stuttgart zweimal traf, scheint nun endlich seine Fähigkeiten in die Waagschale werfen zu können.
Das Trikot gab er nicht aus der Hand. Zusammengeknüllt hielt Mehmet Ekici sein verschwitztes grünes Shirt wie eine Beute fest, als er sich in Stuttgart auf dem Weg zum Bus machte. Der türkische Nationalspieler nimmt, das sei gesagt, seine Arbeitskleidung gerne mit nach Hause, meist für Freunde oder die Familie, "ich hab’ so viele, die die Trikots wollen". Gut möglich aber, dass diesmal potenzielle Interessenten leer ausgehen: Das Hemd von Stuttgart taugt als Andenken für den Profi selbst.
Noch nie hat Mehmet Ekici so überzeugend für Werder gespielt wie an diesem kalten Februar-Sonnabend in Stuttgart. Noch nie hat Mehmet Ekici zwei Tore in einem Bundesliga-Spiel geschossen. Und selten merkte man auch den Mitspielern so deutlich an, wie sehr sie sich über die Leistung eines ihrer Teamkollegen freuten. Als Mehmet Ekici in der 74. Minute aus einem Freistoß einen Kunststoß gemacht und den Ball mit aller Perfektion zum 3:1 ins Stuttgarter Gehäuse gezirkelt hatte (O-Ton Zlatko Junuzovic; "Sensationell"), begruben ihn die anderen in einem Haufen jubelnder Profis unter sich. "Wir freuen uns alle mit für Memo", sagte Aaron Hunt, der 14 Minuten zuvor den ruhenden Ball selbst noch aus nahezu identischer Position über das Tor gejagt und beim zweiten Versuch Ekici ohne viele Worte den Vortritt gelassen hatte.
Für diese Momente hat Mehmet Ekici bei Werder anderthalb Jahre Anlauf genommen. Als der heute 22-Jährige im Sommer 2011 für rund 5,5 Millionen Euro vom FC Bayern zu Werder transferiert wurde, hatte er gerade eine vorzügliche Leih-Saison beim 1. FC Nürnberg hinter sich. Doch das Versprechen, das er mit seinen Leistungen im Fränkischen abgegeben hatte, löste er in Bremen nicht ein. Er wählte zwar die Rückennummer zehn und unterstrich damit, dass Werder in ihm die natürliche Nachfolge eines Johan Micoud, Diego oder Mesut Özil sehen wollte. Doch während der Nürnberger Ex-Kollege Ilkay Gündogan, der zeitgleich nach Dortmund gegangen war, beim BVB reüssierte, fand Ekici bei Werder schlichtweg seinen Platz nicht.
Verletzungen waren nur ein Grund dafür, dass der Techniker fußballerisch nicht in Bremen ankam. Sein früherer Nürnberger Trainer Dieter Hecking mutmaßte einmal im Interview mit dieser Zeitung, dass die zugedachte Rolle im damaligen Bremer Rautensystem nicht die richtige sein könnte. In Nürnberg hatte Ekici – erfolgreich – die rechte Außenbahn abgedeckt. Und Hecking deutete auch die Schwächen seines Ex-Schützlings an, der immer schon "Problemchen im Zweikampf" gehabt habe.
Tatsächlich ist es so, dass Ekici besser zum Zuge kommt, wenn er nicht permanent einen Gegenspieler direkt vor sich hat. Das deckt sich beispielsweise mit den Überlegungen eines Louis van Gaal: Der ehemalige Bayern-Trainer hatte das Münchner Jungtalent einst im offensiveren Part einer Doppel-Sechs verortet, Ekici ist tatsächlich auf dieser Position groß geworden. Allerdings: Er verschleppt auch oft das Tempo, was ein Problem wird im Umschaltspiel, wenn Schnelligkeit im Wechsel von Defensive auf Offensive zur Waffe werden soll und der Sechser dabei ein Schlüsselspieler ist. Ekici sagt selbst, dass er durchaus bewusst in den Langsammodus schaltet: "Man kann nicht 90 Minuten hohes Tempo gehen", erklärte er noch vor vier Wochen im Trainingslager in Belek, "man muss auch mal den Ball bei sich halten, das Tempo rausnehmen, damit sich die Mitspieler erholen können."
Gelb-Rot spielt Ekici in die Karten
So gab der gebürtige Münchner bis in die jüngste Vergangenheit Rätsel auf, er galt als abgeschrieben und erster Kandidat auf einen Wechsel in der Winterpause. Doch Ekici blieb. Obwohl er in der Hinrunde nur 25 Minuten gespielt hatte. Obwohl sich vor gleich sechs Hinrundenspielen die Kader-Nominierung als zu hohe Hürde erwies. "Man ärgert sich, man will es jedem zeigen – und man kann es nicht, weil man nicht spielt", beschrieb Ekici seine Gefühle in dieser Zeit. Aber er sei geduldig.
In der Rückrunde hat sich diese Geduld offenbar ausgezahlt. Dem 22-Jährigen spielte dabei die Gelb-Rot-Sperre von Marko Arnautovic in die Karten: So landete er gegen Hannover als Außenstürmer in der Startelf, die Thomas Schaaf zum Stuttgart-Spiel nicht mehr änderte. "Er hat ’ne schwere Zeit gehabt", blickte Hunt in Stuttgart zurück, "aber er hat sich nicht hängen lassen." Schaaf indes sieht sich bestätigt und nannte die Entwicklung Ekicis "gut – weil wir endlich diese Dinge von ihm erleben, die wir auch in ihm sehen".
Der so allseits Gelobte gab sich bescheiden. Artig bedankte er sich bei Gratulanten, brav verwies er auf die Leistung der Mannschaft und wollte so partout nicht über sich sprechen, dass es schon einer expliziten Aufforderung bedurfte, doch mal bitte kurz auf sich selbst zu fokussieren. "Sehr positiv" nannte Ekici da seine Leistung, "im Moment bin ich auf einem guten Weg". Und er kratzte schnurstracks die Kurve zurück zum Kollektiv: "Ohne die Mannschaft bin ich niemand." Als er auch noch gefragt wurde, ob er jetzt Stammspieler sei, hob er nur verlegen Schultern und Hände. Zumindest seinen Platz bei Werder scheint er in Stuttgart gefunden zu haben.
Von einem Durchbruch wollte auch Schaaf nicht reden. "Ich freu’ mich, dass er das jetzt schafft", sagte er, "ich freu’ mich über seine Leistung. Über etwas anderes brauche ich nicht zu reden." Die Freude ist ganz auf Ekicis Seite. Nur seine Freunde werden wohl ein langes Gesicht machen, wenn es um das neueste Trikot im Gepäck des Profis geht. "Ich hoffe", sagte Ekici und lächelte verschmitzt, "das bleibt bei mir."
Bremen ohne Werder - das ist unvorstellbar! Und das Profiteam, das in der Bundesliga um Punkte und Tore kämpft, ist das Herzstück des Vereins. Auf dieser Seite gibt es News, Fotos und Videos rund um die Werder-Profis.
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