
Bremen. Auch wegen seines Patzers gegen Schalke 04 könnte Felix Wiedwald den Platz im Werder-Tor an Jaroslav Drobny verlieren.
Nicht nach vorne. Und wenn doch, dann hoch und ganz weit weg. So lernen Torhüter von klein auf, mit Bällen umzugehen, die sie nicht festhalten können. So hat es auch Felix Wiedwald gelernt und so versucht er auch, zu handeln. Bei der Niederlage gegen Schalke konnte er den Ball trotzdem zweimal nur kurz nach vorne abwehren, und einmal wurde das bestraft: Freistoß Naldo, Wiedwald lässt abprallen, Schalkes Nabil Bentaleb schiebt zum 2:0 ein. Später hätte es für Wiedwald und Werder noch schlimmer kommen können. In der 58. Minute ließ der Torwart einen Distanzschuss von Johannes Geis wiederum kurz abprallen, doch Eric-Maxim Choupo-Moting köpfte den Ball am Tor vorbei.
Felix Wiedwald hat in der vergangenen Saison, als er Werders unangefochtene Nummer eins war, gelegentlich solche folgenschweren Fehler gemacht. Seit dieser Saison ist er nicht mehr unangefochten, und bis zu Jaroslav Drobnys Verletzung war er nicht mal mehr die Nummer eins. Viktor Skripnik hatte ihn nach zwei Spielen auf die Bank verbannt und den Tschechen befördert, der neue Trainer Alexander Nouri blieb bei dieser Wahl. Doch dann zog Drobny sich Anfang Oktober bei der Nationalmannschaft Brüche im Bereich von Elle und Handwurzel zu; Wiedwald kehrte ins Tor zurück.
Nouri stellte dem Tschechen damals keine Garantie aus, dass er nach seiner Genesung zwischen die Pfosten zurückkehren wird. „Wir werden die Entwicklung in den nächsten Wochen beobachten“, sagte er, und hielt sich damit die Möglichkeit offen, Felix Wiedwald für mögliche starke Leistungen zu belohnen und im Tor zu belassen. Drobny trainiert bereits seit Längerem wieder, zunächst mit Gips, inzwischen ohne. Gut möglich, dass er sich für das nächste Bundesligaspiel am 20. November gegen Frankfurt fit meldet. Dann wird Alexander Nouri sich zumindest vorerst auf eine Nummer eins festlegen. Die Frage ist also: Hat Wiedwald seine Chance genutzt?
Nach seiner Degradierung sagte Wiedwald Ende September im Interview mit dem WESER-KURIER: „Ich habe aus meiner Sicht die ersten Spiele ordentlich, aber nicht überragend gehalten.“ Die Rede ist vom 0:6 gegen Bayern und vom 1:2 gegen Augsburg. Tatsächlich ging keins der acht Gegentore auf Wiedwalds Kappe. „Ordentlich, aber nicht überragend“ heißt aber auch: Wiedwald erwartet mehr von sich selbst. Demzufolge kann er nach den vier Spielen, die er in Abwesenheit von Jaroslav Drobny nun gemacht hat, nicht zufrieden sein. Überragend hat er in keinem Spiel gehalten, ordentlich in den ersten drei, gegen Bayer Leverkusen, RB Leipzig und den SC Freiburg. Aber eben nicht im letzten, gegen Schalke.
Alexander Nouri scheute sich nach dem Spiel, Wiedwalds Patzer vor dem 0:2 als solchen zu benennen. Auf die Frage, ob das Tor auf die Kappe des Keepers gehe, sagte der Trainer: „Das weiß ich nicht. Ich finde, dass wir ihn da besser unterstützen können. Der Gegner hat da schnell umgeschaltet. Da müssen wir auch in der Lage sein, schnell umzuschalten.“ Auch Sportchef Frank Baumann vermied jegliche direkte Kritik an Wiedwald: „Natürlich müssen wir unser Tor noch besser schützen“, sagte er nach dem Spiel lediglich. „Die ersten beiden Tore, die sind sehr, sehr leicht gefallen.“ Dass es Wiedwald war, der es den Schalkern nach Naldos hartem, aber nicht sensationellen Freistoß sehr, sehr leicht gemacht hatte, sagte Baumann nicht.
Dieter Burdenski findet da deutlichere Worte. „Wiedwald sieht beim Gegentor nicht gut aus“, sagt Werders Torwart-Legende. „Da muss er zur Seite klären.“ Er will Wiedwald den Gegentreffer aber nicht allein ankreiden, zumal der 26-Jährige es ohnehin schwer habe. „Als Torwart lebt man vom Selbstvertrauen“, sagt Burdenski. „Wenn man viele Gegentore bekommt, ist das schlecht fürs Selbstvertrauen, dann ist man nicht stabil. Auch dann, wenn man an den Toren nicht schuld ist.“
Wiedwald bekommt viele Gegentore, zehn waren es in den vier Spielen seit seiner Rückkehr zwischen die Pfosten. Drobny wurde zuvor fast genauso oft von Gegenspielern überwunden, er kassierte in vier Spielen neun Treffer. Dass Werder sich so viele Gegentore einfängt, 27 sind es bereits in dieser Saison, hat wenig mit dem Torwart zu tun, ob er nun Wiedwald heißt oder Drobny. Deshalb legt Nouri auch öffentlich zu Recht den Schwerpunkt auf die nötigen Verbesserungen in der Abwehr. Große Leistungsunterschiede scheint Nouri zwischen seinen beiden Keeper ohnehin nicht zu sehen. Werder habe mit Wiedwald und Drobny „zwei sehr, sehr gute Torhüter”, sagte der Trainer bei seinem Amtsantritt. Auch Dieter Burdenski findet: „Wir haben kein Torwart-Problem.“ Völlig überzeugt ist er trotzdem nicht von Felix Wiedwald, dem er einen Mangel an Konstanz attestiert. „Er hat Phasen, in denen er sehr gut hält, aber auch Phasen, in denen er schwach hält“, so Burdenski.
Mangelnde Konstanz und gelegentliche Patzer, das waren auch die Gründe, warum Werder einen Nachfolger für Raphael Wolf suchte. Wiedwald wurde verpflichtet, und es gelang ihm, Wolfs Nachfolger im Werder-Tor zu werden. Aber er sollte eigentlich mehr sein: Der Mann, der Werders Torwart-Problem auf Jahre löst, wie es zuletzt Tim Wiese tat. Dass er das kann, hat Wiedwald noch nicht bewiesen, auch nicht in den vergangenen vier Spielen.
Und so wird Alexander Nouri ernsthaft in Betracht ziehen, dem 37-jährigen Jaroslav Drobny wieder den Vorzug vor Wiedwald zu geben. Immerhin war Drobny bis zu seiner Verletzung die Nummer eins und machte bei seinen Einsätzen keinen größeren Fehler. Felix Wiedwald ist es nicht gelungen, seinem Trainer während Drobnys Abwesenheit Argumente für sich selbst zu liefern.
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