Bremen. Geschenkt haben sie sich nie etwas in ihren Duellen, die ewigen Nordrivalen Werder und der Hamburger SV. Morgen Nachmittag treffen sie schon zum 96. Mal in der Bundesliga aufeinander (15.30 Uhr bei uns im Liveticker) – und auch wenn die Tabellenkonstellation dabei wenig Brisanz hergibt, sind beide Seiten hochmotiviert. Weil am Saisonende die Qualifikation für die Europa League winkt.
Dieses Nordderby, es ist ein Spiel mit Geschichte. Genauer: Es das Spiel mit Geschichte. 95 Mal schon trafen Werder und der Hamburger SV allein in der Bundesliga aufeinander, keine andere Paarung gab es häufiger. Und so werden in der Werder-Kabine in diesen Tagen vor der 96. Auflage Geschichten zum geschichtsträchtigen Spiel erzählt. Nicht nur, weil es so viele davon gibt – sondern vor allem auch deshalb, weil es die Hälfte der Spieler aus Werders neu formierter, potentieller Startelf noch nie erlebt hat, was es heißt, zu diesem emotionsgeladenen Spiel auswärts in Hamburg anzutreten. „In der Kabine gibt es momentan kein anderes Thema“, sagt Marko Marin, „die jungen Spieler kriegen ein paar Geschichten erzählt, wie es im Nordderby abgeht. Alle sind heiß auf das Spiel, alle wissen, worum es geht.“
Im aktuellen Nordderby geht es tagesaktuell: um die Ehre zweier Rivalen, sonst erst einmal nichts. Denn egal, wie und zu wessen Gunsten die Partie morgen ausgeht, es werden weder Positionen getauscht noch wird es einen der Kontrahenten ins Jammertal stürzen. Auf die Saison gemünzt geht es allerdings um deutlich mehr; um die Aussicht, es mittels entsprechender Platzierung in der Bundesliga-Abschlusstabelle in die Qualifikation für das internationale Geschäft der kommenden Saison zu schaffen. Werder, momentan der Tabellenfünfte, hat das Ziel Europa League klar vor Augen, der Hamburger SV als Zehnter kann zumindest wieder darauf hoffen. Die aufstrebenden Hamburger sollen auf Distanz gehalten werden. Und das bringt dann doch jene sportliche Brisanz ins Spiel, die über reine Fußball-Folklore hinausgeht.
Hinzu kommt, dass dieses zweites Aufeinandertreffen der laufenden Saison im Prinzip keinen Vorgänger hat, der irgendeine Art von Orientierung bietet. Im Hinspiel, das Werder 2:0 gewann, war ein völlig verunsicherter HSV in Bremen zu Gast, der vorher wie nachher mit einem einzigen Punkt am Tabellenende stand. Nun, ein halbes Jahr später, ist niemand mehr beim HSV verunsichert, vor allem nicht der neue Trainer Thorsten Fink. Er hat die Wende geschafft, den Abstiegskandidaten zunächst ins Mittelfeld geführt – und will nun mehr. „Wir gehen zum ersten Mal mit positivem Druck ins Spiel“, sagt er vor der Partie gegen Werder. Heißt: Nun erwartet er von seiner Mannschaft auch einen Sieg.
In Bremen wissen sie um diesen Umstand. „Man erkennt, dass sich in Hamburg was getan hat“, sagt Marin, „ich habe ihr Spiel gegen die Bayern gesehen – das war schon stark.“ Ein 1:1 trotzte der HSV dem Favoriten dabei vor zwei Wochen ab, für Werder-Trainer Thomas Schaaf ein weiterer Beweis, dass Finks Elf funktioniert. „Der Trainer scheint den richtigen Geist geweckt zu haben“, sagt er, „wir wussten aber doch auch, dass der HSV mehr Potenzial hat als da unten drinnen zu stehen.“ So erwartete Schaaf morgen Nachmittag dann auch ein „intensives Spiel, in dem sich beide Mannschaften beweisen wollen“.
Auch was den internen Nachweis von individueller Qualität bei Werder angeht, darf gespannt auf das Nordderby geblickt werden. Denn Schaaf hat nun gleich auf einer ganzen Reihe von Positionen die Wahl. Im Sturm geht es um die Frage, ob Marko Arnautovic oder Markus Rosenberg neben Claudio Pizarro angreift. Im Mittelfeld darum, ob Marko Marin oder Mehmet Ekici das Spiel macht, ob Aleksandar Ignjovski oder Tom Trybull die linke Position der Raute bildet. Und in der Abwehr bewerben sich wiederum Florian Hartherz und Lukas Schmitz um die Linksverteidigerposition.
Wer auch immer bei Anpfiff auf dem Platz stehen wird: Es geht morgen auch um Wiedergutmachung. Die letzten drei Bundesliga-Spiele in Hamburg verloren die Bremer (siehe Auflistung), beim letzten Aufeinandertreffen vor ziemlich genau einem Jahr ging Werder sogar mit 0:4 unter. Das allerdings ohne den damals verletzten Claudio Pizarro.
Morgen wird Werders Top-Stürmer, nachdem er seine aktuelle Gelbsperre abgesessen hat, wieder dabei sein. „Und dann kann eigentlich nichts schief gehen“, sagt Marin und grinst, „Claudio trifft ja immer gegen den HSV.“ 14 Mal war das in der Vergangenheit schon der Fall, so oft wie kein anderes Team der Liga. Auch das ist so eine Geschichte, die in diesen Tagen vor dem Nordderby gerne erzählt wird.
Noch nicht registriert? Jetzt kostenlos registrieren »