
Clemens Fritz weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn man als Jungprofi sofort um den Klassenerhalt kämpfen muss. 19 war er, als er mit Rot-Weiß Erfurt alles versuchte – und am Ende doch aus der Regionalliga Süd abstieg. Auf seiner nächsten Station ein Jahr später, beim Karlsruher SC in der zweiten Liga, wurde es nicht leichter. Eine Runde vor Schluss stand auch der KSC auf einem Abstiegsplatz. Erst durch ein 3:0 gegen Unterhaching im letzten Spiel rettete sich die Mannschaft, in der Fritz Stammspieler war.
Heute, gut 13 Jahre später, sagt er: „Ich habe sehr früh sehr vieles erlebt, auch Abstiegskampf. Das hat mir nicht geschadet.“ In der Tat wurde aus Fritz später ein Nationalspieler, EM-Teilnehmer und Champions-League-Starter. Inzwischen ist er Kapitän bei Werder Bremen. Jetzt hat er ganz viele junge Leute um sich herum, die – wie er damals in Erfurt – nun in Bremen ihre ersten Schritte im Profifußball machen. „Natürlich ist es für jeden jungen Spieler einfacher, wenn alles gut läuft“, sagt Fritz. Aber was will man machen? Bei Werder läuft zurzeit nicht alles gut.
Es gibt deshalb bessere Zeitpunkte, um sein Bundesliga-Debüt zu feiern als beim Stand von 0:1 gegen Bayer Leverkusen. Luca Zander und Marcel Hilßner hießen die beiden Nachwuchsleute, die Viktor Skripnik am Sonnabend in ein Spiel einwechselte, das Werder zu dem Zeitpunkt schon fast nicht mehr gewinnen konnte. „Aber die Bundesliga ist kein Wunschkonzert“, sagte Skripnik. Und Geschäftsführer Thomas Eichin sagte: „Es lief überhaupt nicht bis dahin. Warum also soll der Trainer nicht zwei Spieler bringen, von denen wir glauben, dass sie gut drauf sind?“
Bei Werder versuchen sie gerade Anspruch, Wunsch und Realität zusammenzubringen. Der Anspruch ist, möglichst viele junge Leute aus dem eigenen Leistungszentrum ans Profiniveau heranzuführen. Der Wunsch ist, dass ein, zwei oder vielleicht sogar drei von ihnen sich dauerhaft im Bundesliga-Kader durchsetzen. Die Realität ist, dass es bei Werder danach im Moment nicht aussieht. Stammkräfte wie Philipp Bargfrede, Zlatko Junuzovic, Fin Bartels oder Aron Johannsson können vom Nachwuchs noch nicht gleichwertig ersetzt werden. Eichin sagt es so: „Zwei Sperren und zwei Ausfälle – das kann Leverkusen besser kompensieren als wir.“
Bei Werder bleiben sie dabei, dass am Grundsatz nichts verändert wird. Sieben U 23-Spieler haben inzwischen unter dem Cheftrainer Skripnik ihre Bundesliga-Premiere bei Werder erlebt: Janek Sternberg, Richard Strebinger, Florian Grillitsch, Lukas Fröde, Maximilian Eggestein, Oliver Hüsing und jetzt eben Zander und Hilßner. Skripnik sagt: „Wir müssen das tun, und wir wollen das tun, und jeder weiß, dass es ein langwieriger Prozess wird.“
Galvez, Kroos und Öztunali als Beispiele
Es könnte vieles schneller gehen, wenn Werder eine starke zweite Reihe hätte. Also mehr oder weniger gestandene Profis, die den Etablierten ordentlich Druck machen, die sich regelmäßig als Alternativen aufdrängen und den jungen Leuten auf diese Weise als Vorbild dienen könnten. Das Problem: Werder hat diese starke zweite Reihe nicht. In Viktor Skripniks Kader stehen 13, 14 Spieler, die regelmäßig Bundesliga-Niveau abrufen können. Dem gegenüber steht die Horde an Jungprofis – und mittendrin stehen ein paar Spieler, aus denen man im Moment nicht schlau wird.
Etwa Alejandro Galvez: Wenn er in der vergangenen Saison gesund war, dann war er unter Skripnik gesetzt. Und jetzt? Vier Einwechselungen und ein Startelfeinsatz im ungeliebten defensiven Mittelfeld kommen für Galvez in dieser Spielzeit zusammen. Seine Trainingsleistungen und seine Testspielauftritte haben bisher nicht gereicht, um Skripnik davon zu überzeugen, dass er die bessere Wahl im Vergleich zu Assani Lukimya wäre.
Oder Felix Kroos: Der Mittelfeldmann ist inzwischen einer der dienstältesten Werder-Profis. Seit dem Sommer 2010 gehört er nun bereits zum Profikader. Aber wenn Philipp Bargfrede spielen kann, ist für Kroos kein Platz im Team. Manchmal, wie gegen Darmstadt, reicht nicht einmal ein Ausfall Bargfredes, um Kroos in die Startelf zu befördern. In Darmstadt gab Skripnik Galvez den Vorzug.
Und Levin Öztunali: Längst hatten sie bei Werder damit gerechnet, dass der 19-Jährige sich unverzichtbar macht. Doch vor allem bei ihm merkt man, wie sehr Fußball offenbar auch eine Kopfsache ist. Ordentlichen Einsatz und gute Trainingsleistungen attestieren sie ihm bei Werder – auf den Platz kann Öztunali davon aber nur wenig übertragen.
So stellt sich bei Werder auch die Qualitätsfrage: Ist der Kader in der Breite gut genug bestückt? Im Grunde ja, sagen die Verantwortlichen und verweisen darauf, dass Werder im vergangenen Jahr und zu Beginn dieser Saison ja auch ohne Stars unter Skripnik teilweise äußerst erfolgreich gespielt hat. Zum Wochenende kehren Fin Bartels und vermutlich Aron Johannsson in den Kader zurück. „Das hilft uns“, sagt Skripnik, der am Wochenende die Qualitätsfrage so beantwortet hat: „Die Qualität für den Nichtabstieg haben wir.“
Bremen ohne Werder - das ist unvorstellbar! Und das Profiteam, das in der Bundesliga um Punkte und Tore kämpft, ist das Herzstück des Vereins. Auf dieser Seite gibt es News, Fotos und Videos rund um die Werder-Profis.