Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Diese Weisheit bestätigt Werder in den letzten Jahren durchgängig. Der Reim lautet: Hinrunde pfui, Rückrunde hui. In den letzten vier Hinrunden haben die Bremer insgesamt maue 63 Punkte geholt. Im Schnitt 16, Tendenz Abstieg! Viel freundlicher ist die Bilanz in den Rückrunden. Da wurden bis dato 99 Punkte verbucht, also 57 Prozent mehr. Und in dieser Rückserie, in der Werder aktuell das drittbeste Team ist, darf man durchaus noch draufsatteln!
Schweinchen Schlau reimt sich fix zusammen: Bei Werder muss erst nach einem vergurkten Start der Trainer fliegen, damit's im Team läuft. Auf Robin Dutt folgte in der Hinrunde 2014 Viktor Skripnik, der im September 2016 von Alexander Nouri abgelöst wurde, den wiederum im letzten Oktober dann Florian Kohfeldt ersetzte. Alle Trainerwechsel brachten kurzfristige Verbesserungen, waren aber bislang nicht nachhaltig. DIE Werder-Kernfrage der Zukunft lautet: Kann das Team dieses traurige Muster durchbrechen?
Bitte kein Gesabbel von Europa!
Sehr viel spricht dafür. Werder spielt unter Kohfeldt und seinen Assistenten nicht nur Fußball, der wieder Spaß macht, die Ergebnisse stimmen auch. Diese Mannschaft hat für mich aktuell mit dem Abstieg so viel zu tun wie Molekularbiologie mit „Bauer sucht Frau“. Bei Abstiegskandidaten wird oft der Faktor Pech bejammert: „Haste Sch… am Fuß, haste Sch… am Fuß!“ Bei Werder heißt es jetzt eher schon mal: „Erst hatten wir Dusel, und dann kam auch noch Glück dazu.“ Spielentscheidende Fehler wie den des unglücklichen Frankfurter Butterfingers Hradecky zuletzt muss man sich erarbeiten. Nicht umsonst profitieren weltweit eher die spielstarken Teams überproportional von Eigentoren. Barça und Bayern lassen grüßen.
Aber bitte kein Gesabbel von Europa! Das hat schon in der letzten Saison einige dusselig gemacht. Bei Werder geht es jetzt schlicht um kontinuierliche Fortschritte. Einiges hat die Mannschaft bereits umgesetzt – sie wirkt sicherer, überzeugter und taktisch komplexer. Sportchef Frank Baumann hat konsequent einen weiteren Sprung gemacht, indem er die Verträge von Kohfeldt und seinem Team um drei Jahre verlängerte. Auch FloKo kann nicht übers Wasser laufen – aber er kann besser schwimmen und tauchen als viele andere. Und er weiß, dass Wasser mehr ist als nur H2O (ein Schluck aus der Weser bestätigt das – kathedraler Nachhall)!
Löw sollte Kruse mit zur WM nehmen
Ein weiterer Fortschritt steht im Sommer mit einer Vertragsverlängerung von Max Kruse an. Nebenbei: Na klar sollte der Bundes-Jogi ihn mit nach Russland nehmen. Der sogenannte „Unterschied-Spieler“ war in jeder Mannschaft von St. Pauli bis Werder Top-Scorer. Selbst in der Nationalmannschaft kommt er in 14 Spielen auf vier Tore und sieben Assists, ein Klasse-Wert. Das wird aber vermutlich nix nutzen: Löw wittert in Kruse Stör-Potenzial. Er missachtet, wie maximal Max in Bremen seine Professionalität bewiesen hat. Kruse gehört zu Werder wie der Royal Flush zum Pokern.
An diesem Freitag soll an der Leine frei aufgespielt werden. Die Geschichte muss sich ja nicht unbedingt gleich wiederholen. Das Hinspiel gewann Werder laut und deutlich. Was reimt sich bloß auf Viernull?
Unser Kolumnist
Lou Richter (57) wurde dem TV-Publikum durch die Moderation der Sat.1-Sportsendung „ran“ bekannt. Im wöchentlichen Wechsel mit Jörg Wontorra, Thomas Eichin, Christian Stoll und Klaus-Dieter Fischer schreibt Lou Richter in unserer Zeitung, was ihm im Bundesliga-Geschehen aufgefallen ist.
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