
Es ist natürlich schwierig, in diesen Tagen vom Thema Maradona zum Thema VfL Wolfsburg zu finden. Viel größer könnte der emotionale Kontrast schließlich kaum sein. Und wenn man dann auch noch erahnen kann, wie so ein Spiel am Freitagabend vor leeren Rängen ausgehen könnte, wenn eine seit Wochen ungeschlagene Bremer Mannschaft bei noch unbesiegten Wölfen antritt, nämlich vielleicht wieder 1:1, dann macht das die Gespräche darüber auch nicht spannender. Deshalb kam es nicht überraschend, dass Werders Pressekonferenz vor diesem neunten Spieltag plötzlich von Emotionen bestimmt wurde, die überhaupt nichts mit diesem Fußballspiel zu tun haben. Noch nicht mal mit Fußball.
Worum es dabei genau geht, ist jedoch auch nicht wirklich zu greifen. Man könnte es einen Streit nennen, in jedem Fall gehören die Handelnden zu verschiedenen Ästen im Stammbaum der berühmt-berüchtigten Werder-Familie. Vielleicht ist es ein Richtungsstreit, vielleicht geht es auch nur um persönliche Animositäten. Jedenfalls freuen sich die Boulevardmedien und Internetportale nun schon seit auffallend vielen Wochen über immer neue Aufführungen im Werder-Theater, es wird längst mehr im Internet auf negative Werder-Schlagzeilen geklickt als auf dem Platz gepunktet. Immer wieder sind dabei Legenden der älteren Generation Absender teils scharfer Kritik am Verein, mal war es Dieter Burdenski, mal Willi Lemke, zuletzt gab Ehrenpräsident Klaus-Dieter Fischer den Hauptdarsteller.
Ihre Anliegen kommen unterschiedlich rüber. Bei Burdenski waren es die Sorge um Werders Zukunft und Kritik an einer beratungsresistenten Klubführung, bei Lemke ging es um ein zu hohes wirtschaftliches Risiko und um die Frage, ob der Vertrag mit Frank Baumann verlängert werden soll, obwohl wegen der Pandemie noch kein neuer Aufsichtsrat gewählt werden konnte. Und in der Causa Fischer ging es in der Summe – man muss das mal erwähnen, um Baumanns Reaktion zu verstehen – um gestrichene Sitzplätze in der Werder-Loge, zusätzliche Dauerkarten, eine Betriebsrente und die Nutzung eines Werder-Diensthandys sowie die Frage, wie viel Loyalität die heutige Klubführung für derlei erwarten kann.
Baumann, nach mehr als 20 Jahren als Spieler, Meisterkapitän und Manager inzwischen selbst ein Bremer Urgestein, sollte am Donnerstag nun erklären, was denn da los sei in der grün-weißen Gemeinschaft. Er begann seine längere Rede dazu süffisant – und wurde dann deutlicher. „Die landläufige Meinung, dass man in der Werder-Familie nicht kritisch miteinander umgeht, ist so nicht richtig“, sagte er, „früher hat man das bei Werder intern gemacht. Das passiert jetzt auch noch, aber natürlich sind die Äußerungen, die in der Öffentlichkeit getätigt wurden, in den vergangenen Monaten deutlich mehr geworden.“ Aktuell habe er das Gefühl, „dass die Sorge um die wirtschaftliche und sportliche Situation des Vereins dafür benutzt wird, um persönliche Rechnungen zu begleichen." Das finde er nicht gut. Die jetzige Werder-Führung sei offen für Kritik, auch aus den eigenen Reihen. Er würde sich aber "grundsätzlich wünschen, dass wir wieder mehr miteinander sprechen, statt übereinander". Dass es anders laufe, müsse man offenbar akzeptieren – bis zu einer gewissen Grenze. Baumanns Warnung vor Konsequenzen: „Wir werden das natürlich auch immer für uns bewerten, was da gesagt wird.“
Baumann betonte zudem einen Unterschied zu seinen Vorgängern in der Vereinsführung: „Grundsätzlich ist gerade die Kritik von unseren Ehemaligen in Ordnung, weil die wissen, von was sie sprechen, weil sie das selbst jahrelang gemacht haben. Ich glaube aber, die hätten früher auf so etwas reagiert und sich positioniert. Wir aber werden uns auf unsere Arbeit konzentrieren, es sollte immer das Interesse sein, dass der Verein gut dasteht.“ Schon im Abstiegskampf der vergangenen Saison habe es Äußerungen zu „unglücklichen Zeitpunkten“ gegeben, erinnerte Baumann, „aber auch das haben wir durch unsere Geschlossenheit gut überstanden.“ Jetzt sei ihm nur wichtig, „dass es keinen großen Einfluss auf die Mannschaft hat. Einige Spieler haben schon bestätigt, dass es kein störendes Thema ist.“
Florian Kohfeldt, der das Unheil wohl aufkommen sah und deshalb schon vor zwei Wochen zu mehr Geschlossenheit aufrief, reagierte ernüchtert auf das neuerdings konstant negative Grundrauschen in der Werder-Familie. „Ich kann ja nicht verlangen, dass alles so umgesetzt wird, wie ich es mir wünsche“, sagte der Trainer bezüglich seines erfolglosen Appells, „da gibt es viele starke Persönlichkeiten, da muss jeder für sich entscheiden, wie er das bewertet.“ Aus seiner Sicht, also „der Innensicht des Vereins“, könne er die Arbeit der Geschäftsführung und des Aufsichtsrates aber nur verteidigen: „Da wird extrem rational und extrem reflektiert und zielführend gearbeitet. Nach den fetten Champions-League-Jahren sind die Rahmenbedingungen in Bremen extrem schwierig geworden.“ Als Trainer würde er sich zwar immer wünschen, dass alle in eine Richtung gehen. „Aber wir müssen auch Meinungsverschiedenheiten aushalten. Das ist jedoch ganz sicher kein Thema, in das ich mich weiter einmischen werde.“
Er wolle die Mannschaft, die sich von den Aufgeregtheiten in der Werder-Familie nicht stören lasse, lieber zu weiteren Punktgewinnen führen. „Das Spiel in München hat uns gut getan“, erinnerte der Trainer daran, dass Werder mit dem 1:1 beim FC Bayern eigentlich gerade sportlich für positive Schlagzeilen gesorgt hatte. „Wir haben in den letzten Monaten und vor allem in der letzten Saison sehr viel Kritik bekommen, natürlich auch berechtigt, deshalb war es schön, mal wieder ein Lob für ein Spiel zu bekommen. Das ist, glaube ich, menschlich.“ Ja, es menschelt in der Werder-Familie. Aber in allen nur denkbaren Gefühlszuständen.
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