
Wenn es während der Hinrunde um Standardsituationen ging, erzählte Werder-Trainer Florian Kohfeldt immer wieder gerne die Geschichte von Zlatko Junuzovic. In der Saison 2014/15 erzielte der Österreicher fünf wunderschöne Freistoßtore für die Bremer, Kohfeldt war damals Co-Trainer. In dieser Phase übte Junuzovic im Training keine Freistöße. Nachdem ihm ein paar Versuche misslungen waren, fing er dann an zu trainieren – und traf fortan gar nicht mehr nach ruhenden Bällen. Kohfeldt wollte mit dieser Anekdote verdeutlichen, dass sich Standardsituationen unter Wettkampfbedingungen im Training nicht simulieren lassen. Werder offenbarte in der Hinrunde viele Mängel nach Standards – vor allem defensiv, aber auch offensiv. Regelmäßig arbeitete die Mannschaft im Training daran, doch es wurde einfach nicht besser. In der Wintervorbereitung wurden Standardsituationen nun nahezu vom Trainingsplan gestrichen. „Da war es wichtiger, andere Schwerpunkte zu setzen. Man kann Standards eben nur bedingt trainieren“, sagt Sportchef Frank Baumann im Gespräch mit dem WESER-KURIER.
Und was kam dabei heraus? Werder gewann in Düsseldorf mit 1:0 durch ein Tor nach einem Freistoß. Milot Rashica hatte geflankt, Niklas Moisander hatte geköpft und Fortuna-Torwart Florian Kastenmeier hatte den Ball ins eigene Netz gelenkt. „Wir hatten in der Szene etwas Glück, aber wichtig war, dass wir da waren und dass Niklas den Ball wieder reingebracht hat“, betont Baumann. Werder gelang somit erstmals in der laufenden Saison ein Treffer nach einem Freistoß. Elfmeter ausgenommen, war es zudem das erste Tor nach einem ruhenden Ball seit dem 28. September 2019, als Marco Friedl in Dortmund im Anschluss an eine Ecke traf. Vorher war Niclas Füllkrug zweimal nach Eckbällen erfolgreich gewesen. Abgesehen von drei Elfmetertoren war es das schon mit den Bremer Standardtoren in der Hinrunde, dabei hatte die Mannschaft diese Situationen häufig trainiert. Mit Ilia Gruev war vor der Saison sogar ein neuer Co-Trainer gekommen, der sich schwerpunktmäßig um das Einstudieren von Standardvarianten kümmern sollte.
Werder kassierte trotzdem reihenweise Standardgegentore und auch die Offensivstandards funktionierten nach dem hoffnungsvollen Auftakt immer schlechter. „Standards sind wichtige Situationen im Spiel, in denen wir in der Hinrunde leider ins Hintertreffen geraten sind“, gibt Baumann zu. Die ruhenden Bälle sind somit einer von vielen Bereichen, die in der Rückrunde besser werden sollen. Dennoch wurden im Trainingslager auf Mallorca kein einziges Mal Standardsituationen trainiert. Gerade im Winter üben viele Trainer eher ungern Standards ein, denn dabei stehen die Spieler eben auch viel herum. Nun war Werder aber auf Mallorca, wo es nicht ganz so kalt war wie in Deutschland, setzte allerdings andere Schwerpunkte. Das Einspielen der neu formierten Abwehr und die Suche nach Sicherheit hatten Priorität. In Spanien standen viele Spielformen auf dem Programm, damit die Mannschaft ihren Rhythmus wiederfindet. Für Standards blieb dabei kein Platz. Dazu kam laut Baumann, dass einige Spieler ausfielen, die bei Standards als Schütze infrage kommen, zum Beispiel der verletzte Ludwig Augustinsson oder Milot Rashica, der im Trainingslager zwischenzeitlich aussetzte. „Die Spieler, die für Standards relevant sind, müssen im Training sein, damit es Sinn ergibt“, sagt der Sportchef.
Im Nachhinein lässt sich jetzt erst einmal festhalten: Alles richtig gemacht. Schließlich hat Werder in Düsseldorf gewonnen, ein Standardtor erzielt und auch in der Defensive die gegnerischen Eckbälle deutlich besser verteidigt als zuvor, was vor allem an den groß gewachsenen Ömer Toprak und Kevin Vogt lag. Halten es die Bremer nun also genauso wie ihr früherer Kapitän Zlatko Junuzovic und verzichten auf Standardtraining, solange es mit den ruhenden Bällen gut funktioniert? Frank Baumann sagt dazu: „Dass wir ein Tor nach einem Freistoß erzielt haben, heißt nicht, dass wir es gar nicht mehr trainieren. Wir haben weiterhin unsere nicht-öffentlichen Einheiten, um auch Standards einzuüben.“
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