
Zwischenzeitlich stand er da wie ein begossener Pudel, dabei gab es dafür keinen Grund. Aber das Bremer Schmuddelwetter hatte eben ganze Arbeit geleistet. Doch das störte Florian Kohfeldt nicht. Warum auch? Er hatte vieles richtig gemacht, seine Mannschaft ein 4:0 auf den Platz gezaubert. Immerhin der erste Saisonsieg. Und dann auf diese Art und Weise. Kohfeldt hätte also tanzen, wild jubeln oder zumindest voller Genugtuung strahlen können. All das tat er nicht – oder allerhöchstens in Ansätzen. Stattdessen nahm er sein mehr als gelungenes Heimdebüt als Cheftrainer recht besonnen hin. Er gab damit quasi eine perfekte Kostprobe des Kohfeldt-Stils.
Die Begründung für seine Zurückhaltung lieferte er wenig später nach: „Ich war angespannt bis zum Schluss. In der 89. Minute habe ich einmal rumgeguckt und den Moment genossen“, sagte Kohfeldt. Eine Aussage wie diese passt in das Bild, das der 35-Jährige derzeit abgibt. Seine eigene Person will er nicht in den Vordergrund rücken. „Wir haben den Jungs einen ganz guten Plan an die Hand gegeben, aber umgesetzt haben sie ihn. Ich will das Lob nicht für mich.“
Dabei war er es, der den Heimerfolg vorhergesagt, im Grunde sogar versprochen hatte. „Wir werden Sonntag gewinnen“, hatte er im Vorfeld gesagt. Das war riskant, aber nicht tollkühn oder gar größenwahnsinnig. Es war schlichtweg seine Überzeugung. Psycho-Trick hin, Motivation her. Mit derartiger Deutlichkeit hat sich lange kein Werder-Coach mehr vor die Mikrofone gewagt. Klare Kante statt Wischiwaschi.
Wenn man Florian Kohfeldt sprechen hört, fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, wie er seine Ideen im Mannschaftskreis vermittelt. Fundiert, strukturiert, kontrolliert. Allein ein Blick auf den Trainingsplatz genügt, um zu sehen, mit welcher Akribie der Coach zu Werke geht. Wenn der Ball rollt, wird nicht von außen beobachtet, sondern aus der Spielerperspektive heraus am Geschehen teilgenommen. Und geredet. Viel geredet. Immer wieder unterbricht er die Aktionen, gibt Tipps, korrigiert. Die Nähe zum Team braucht er auch während des Spiels, und dann steht Kohfeldt eben auch im Regen, wenn es sein muss. „Es war mein Gefühl, dass es wichtig ist, das ich da stehe“, sagte er. „Wir hatten vorher besprochen, dass wir einiges zwischen Trainerbank und Spielern austauschen müssen. Das ist schwierig, wenn ich da hinten drin sitze.“
Der jüngste Erfolg ist umso bemerkenswerter, als Kohfeldt nicht viel Zeit zum Umbasteln hatte. Mittlerweile geht er zwar in seine vierte Woche, zwischenzeitlich fehlten aber einige Nationalspieler. In dieser Phase wurde am Kader geschraubt, Lamine Sané und Robert Bauer auf die Bank verbannt. Aron Johannsson spielt plötzlich wieder eine Rolle, Izet Hajrovic nicht. Unter Alexander Nouri war das noch anders.
Fast jeder darf mit angreifen
Auch taktisch hat Kohfeldt reagiert. Er hat das Team vom dominanten Sicherheitsgedanken emanzipiert. Werder agiert wieder mit einer Viererkette und bringt bei Ballbesitz seine Außenverteidiger anders ins Spiel als Nouri, der diese Positionen eher mit defensiv ausgerichtetem Fokus ausstattete.
Die offensiven Lösungen hängen mit zwei entscheidenden Faktoren zusammen: Zum einen will Kohfeldt, dass sich bei Ballbesitz mehr Spieler als zuletzt in den Angriff mit einschalten. Das macht die Attacke und letztlich die Besetzung der „roten Zonen“ des Gegners noch gefährlicher und hilft bei Ballverlusten, schnell und hoch im Feld ins Gegenpressing zu kommen. Zum anderen darf Max Kruse – salopp formuliert – machen, was er will. Kruse ist der Freigeist und Ankerpunkt der Offensive, treibt sich zwischen den Linien und auf den Flügeln herum und ist so als eigentlich einzige nominelle Spitze schwer zu packen. Das öffnet Räume durch sein Laufverhalten und, sobald er am Ball ist, durch seine Übersicht. Die Mitspieler besetzen diese Räume, Werder bewegt sich dadurch variabler.
Aber: Die offensivere Denkweise offenbart noch Schwachstellen. Greift das Gegenpressing nicht, wird es ungemütlich. Hannover konnte dies nicht nutzen, bessere Gegner dürften diese Probleme anders aufdecken. Heißt im Umkehrschluss: Florian Kohfeldt hat noch viel Arbeit vor sich.
Wenn es gut für Kohfeldt läuft, behebt er die Probleme und Schwachstellen. Bis dahin taugt das 4:0 allenfalls als Mutmacher und Balsam für die Werder-Seele. Es wird nicht wenige geben, die dieses Gefühl konservieren möchten. Nicht zuletzt Florian Kohfeldt. Doch der Fußball ist gnadenlos. Schon mit der nächsten Niederlage könnte der Wind wieder rauer werden. Und Kohfeldt erneut im Regen stehen. Er hat bewiesen, dass er damit umgehen kann. Sonnenschein wäre ihm sicherlich trotzdem lieber.
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