
Die Gäste staunten nicht schlecht, als Max Kruse am Freitagabend nach dem Spiel gegen Schalke Anfang März in einer Shisha Bar am Hauptbahnhof auftauchte. Zwar liegen nur knapp vier Kilometer zwischen Weserstadion und der Lounge etwas westlich des Bahnhofs, aber es war nur eine gute Stunde nach Abpfiff, als Kruse mit fünf Begleitern durch die Tür kam.
Kruse ist Stammgast in der Bar. Dass er dort auftauchte, war also keine Überraschung. Eher der Zeitpunkt verwunderte. Viel Zeit war die eine Stunde nicht, nach den Spielen stehen für die Profis oft noch Termine an. Mal stattet ein Spieler wichtigen Sponsoren in deren Loge einen kurzen Besuch ab und posiert für ein paar Fotos, mal geht es zu einer Gesprächsrunde, um für die Logen-Besucher das Spiel zu analysieren. Oder zu Freunden und Familie in den eigens dafür reservierten VIP-Bereich im Ostteil des Stadions. Es dauert also oft, bis die Spieler tatsächlich Feierabend haben und das Stadion verlassen. Für jeden Spieler gilt das natürlich nicht.
Dass Kruse nicht jeder Spieler ist, hatte er beim 4:2 gegen Schalke mal wieder bewiesen. Ein Tor erzielt, eines vorbereitet, seit Wochen lenkt er das Bremer Spiel in bemerkenswerter Weise in eine erfolgreiche Richtung. Ein paar Zahlen gefällig? Kein einziger Spieler in Europas Top-5-Ligen verbuchte bisher im März so viele Torbeteiligungen wie Kruse: 6. Vier Tore erzielt, zwei vorgelegt. An 177 Sequenzen mit Torschuss war Kruse in der laufenden Saison beteiligt, also Szenen, die mit einem Torschuss endeten. Robert Lewandowski und Kai Havertz folgen mit je 143, Julian Brandt kommt auf 136. Gegen Leverkusen, beim 3:1 am vergangenen Sonntag, war Kruse in der ersten Halbzeit an vier Torschüssen beteiligt, hatte 40 Ballaktionen und spielte 29 Pässe – in allen Kategorien der Höchstwert aller Bremer.
Kruse, das wissen sie bei Werder nur zu gut, hat seinen eigenen Kopf. Ihn zu lenken, ist schwierig bis unmöglich. Kruse macht, was Kruse will. Und er verdient sich diese Freiheiten mit guten Leistungen, die Werders Saisonziel, das Erreichen der Europa League, überhaupt noch möglich macht. Nun aber steht eine grundsätzliche Entscheidung an: Wo spielt Kruse, dessen Vertrag nach drei Jahren im Sommer endet, in der kommenden Saison? Auch da muss Werder mehr oder weniger warten, bis Kruse sagt, was Kruse will.
Das beginnt beim zeitlichen Rahmen, in dem die Entscheidung fallen soll. Werder wolle nicht ewig auf eine Entscheidung warten, sagte Frank Baumann vor Kurzem. „Das ist auch so“, bestätigt der Sportchef. Eine konkrete Vorgabe ist das gleichwohl nicht: „Was ewig ist, ist eine andere Frage.“ Öffentlichen Druck will Baumann nicht aufbauen, der wäre wohl auch kontraproduktiv.
Die ersten Gespräche über eine Verlängerung des Vertrages mit Werder stehen demnächst an. „Max hat ja gesagt, dass wir uns in den nächsten Wochen zusammensetzen, wir unsere Vorstellungen anschauen und sehen, ob diese zusammenpassen“, sagt Baumann. Es ist eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Personalie des Sommers. Je früher der Klub in der Sache Kruse Planungssicherheit hat, desto besser. „Ich denke nicht, dass es sich bis Juni oder Juli zieht“, sagt Baumann. „Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Saisonende wissen, ob Max in Bremen bleibt.“
Bis dahin wird Werder Kruse umwerben, ist dabei aber natürlich nicht allein. Der Spieler wird sich seine Optionen in Ruhe ansehen, davon gehen sie bei Werder aus. Und die dürften mit Leistungen wie gegen Leverkusen zahlreicher werden. Nach Informationen von Mein Werder hat Kruse aktuell kein konkretes Angebot vorliegen, sehr wohl aber einige lose Anfragen, darunter auch von internationalen Klubs. Zu diesem Zeitpunkt ein ganz normaler Stand.
Anfragen aus China gab und gibt es. Doch trotz des gebotenen drei- bis vierfachen Gehalts der geschätzten 3,5 Millionen Euro, die er pro Jahr in Bremen verdient, reizt ihn der Ferne Osten angeblich nicht. Das hätte er bereits machen können, hat es aber nicht. Auch die sogenannten Plastik-Klubs der Bundesliga, also Leverkusen, Leipzig oder Hoffenheim, sollen keine Option für Kruse sein. Wenn ein Wechsel infrage kommt, muss es etwas Besonderes sein, so ist es in seinem Umfeld zu hören. Es müsste eine Mischung aus sportlicher Attraktivität und der Attraktivität eines großen Klubs sein.
Was kann Werder Kruse bieten? Ein Wohlfühl-Umfeld, das auch durch persönliche Freiheiten geschaffen wird, durch eine Sonderstellung. Eine Mannschaft, die sich im Laufe der Saison entwickelt hat und attraktiven, offensiven Fußball spielt. Einen Trainer, der ihn trotz offensichtlichen Übergewichts öffentlich schützt. Und der ihm eine Rolle mit großen Freiheiten auf dem Platz garantiert.
Der Weg, den Werder unter Frank Baumann und Florian Kohfeldt eingeschlagen hat, ist noch nicht zu Ende. Max Kruse kann auf diesem Weg weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen. Er kann, so sagen sie bei Werder, seine Fußabdrücke auf diesem Weg hinterlassen.
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