
Und plötzlich wurde es dunkel. Oliver Reck hatte kurz zuvor noch diesen Schmerz am Hals gespürt, dann ging er hinter seinem Tor zu Boden – getroffen von einem doch eher ungewöhnlichen Wurfgeschoss, das nach dem Aufprall direkt neben ihm auf den Rasen fiel. Ein „Snickers“-Schokoriegel, geworfen aus dem Fanblock, hatte den Torhüter des SV Werder Bremen kurzerhand niedergestreckt, was an diesem 7. Februar 1998 aber längst nicht die einzige Merkwürdigkeit bleiben sollte. Ganz im Gegenteil: Werders damaliges Gastspiel bei Bayer Leverkusen zählt bis heute zu den kuriosesten Partien in der Bremer Bundesliga-Geschichte. In den weiteren Hauptrollen: eine folgenschwere Verwechslung, eine gespenstische Gelbe Karte – und ein skifahrender Aushilfskeeper aus Norwegen.
Oliver Reck muss lachen, gleich zu Beginn des Telefongesprächs, denn als das Wort „Snickers“ fällt, ist die Erinnerung wie auf Knopfdruck zurück. Mehr braucht es gar nicht, und er steht plötzlich wieder im Ulrich-Haberland-Stadion – oder besser gesagt: er liegt. „Ich war einen Moment lang benommen“, blickt der 55-Jährige auf seinen Schoko-Knockout aus der 61. Minute zurück, mit dem für Werder der ganze Schlamassel erst anfangen sollte. „Es war ein ganz, ganz komisches Duell“, sagt Reck. Immerhin: Einige Wochen später sollte es für ihn ein äußerst erfreuliches Nachspiel haben. Doch dazu später mehr. Erstmal zu Uwe Harttgen, dem das „Snickers“ damals ebenfalls zum Verhängnis wurde.
In der allgemeinen Aufregung nach dem Volltreffer gegen Reck war der Bremer Ersatzspieler seinem Torhüter zur Hilfe geeilt, hatte den Schokoriegel entdeckt und ihn Schiedsrichter Lutz-Michael Fröhlich als Beweisstück entgegengestreckt. Der Unparteiische verwechselte Harttgen jedoch mit einem Fan. „Der war irritiert, weil er mich nicht erkannt hat. Der hat gedacht: Warum gibt mir ein fremder Mann jetzt ein Snickers?“, berichtete Harttgen nach dem Spiel, in dem Fröhlich ihn des Innenraums verwiesen hatte. Eine klare Fehlentscheidung, von der sich der ansonsten hoch angesehene Referee und heutige DFB-Schiedsrichter-Chef, an diesem Tag nicht mehr erholen sollte. Nach einer längeren Unterbrechung setzte er das Spiel beim Stand von 1:1 fort – und traf aus Bremer Sicht fortan eine unglückliche Entscheidung nach der anderen. Später bewertete Fröhlich seinen Auftritt selbstkritisch als „eher konfus“ und „im Verhaltensbereich nicht so gut drauf“. Konnte man durchaus so stehen lassen.
In der 66. Minute sprach der Unparteiische Leverkusen zunächst einen Elfmeter zu, obwohl Christian Brand deutlich vor dem Strafraum gefoult hatte. Ulf Kirsten traf vom Punkt zum 2:1 für die Hausherren. Nachdem Erik Meijer auf 3:1 erhöht hatte (71.), stand in der Schlussphase wieder Reck im Fokus: Im Anschluss an einen absolut handelsüblichen Befreiungsschlag berührte er Kirsten und sah von Fröhlich dafür die Gelb-Rote Karte – was doppelt kurios war. Erstens, weil beim besten Willen kein Foulspiel des Keepers zu erkennen war. Und zweitens, weil er zuvor nicht einmal die Gelbe Karte gesehen hatte. Als Fröhlich das bemerkte, wandelte er die Strafe kurzerhand in eine glatte Rote Karte um. „Ich hatte einen Blackout“, sagte er später über die Szene.
Weil Werder nicht mehr auswechseln durfte, musste Stürmer Havard Flo ins Tor. „Er hatte das im Training ein paar Mal gemacht“, erinnert sich Reck, „außerdem war er ein Bewegungstalent, der konnte auch Skifahren wie kein Zweiter“. Beim Freistoß von Stefan Beinlich half Flo das nicht – 4:1 für Leverkusen (85.), der Endstand.
Kurz nach dem Spiel wurden die Sperren von Harttgen und Reck durch das DFB-Sportgericht aufgehoben. Für den Torhüter blieb es nicht die einzige gute Nachricht nach dem ganzen Ärger. „Ich habe einen sehr netten Anruf bekommen“, schmunzelt Reck. In der Leitung: die Firma „Mars Incorporated“, die den Schokoriegel „Snickers“ produziert. „Sie haben sich dafür entschuldigt, dass mir ihr Produkt Schmerzen bereitet hat“, lacht Reck, dessen Kinder sich kurze Zeit später über ein prall gefülltes Fresspaket freuen durften.
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