
16 Wochen sind eine lange Zeit, nicht nur im Fußball. Im Moment gilt das auch fürs normale Leben. Vor 16 Wochen machten sich noch tausende Urlauber auf ins österreichische Ischgl, um den Wintersport zu genießen, ohne die Gefahren des Coronavirus genau zu kennen. In der ersten Februar-Woche war das, und ganz Bremen hoffte seinerzeit auf das Ende einer schon damals beängstigenden Heimspielkrise von Werder: Gegen den Aufsteiger Union Berlin müsste es doch endlich wieder mit einem Heimsieg klappen.
Doch es kam anders. Werder verlor auch dieses Spiel im Weserstadion und rutschte durch eine verdiente 0:2-Niederlage auf den 17. Tabellenplatz ab. Diesen direkten Abstiegsplatz sollte Werder bis heute nicht mehr verlassen, durch die coronabedingte Pause wurde dieses Bremer Martyrium sogar noch im einige Wochen verlängert. Doch nun, 16 Wochen später, bietet sich Werder die große Chance, durch einen Sieg im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt die Abstiegsplätze wieder zu verlassen. Das Hauptproblem dabei ist nicht der kampf- und spielstarke Gegner, sondern das Heimspiel. Denn auch alle Partien nach Union konnte die Mannschaft von Florian Kohfeldt in dieser Bundesligasaison nicht gewinnen. In Bremen werden inzwischen Kinder geboren, die nach dem letzten Werder-Heimsieg gezeugt wurden: vor neun Monaten gegen Augsburg, ein 3:2 an einem herrlichen Septemberwochenende. Doch auch in dieser nervenden Problematik hat Werders Trainer inzwischen einen ausgeprägten Hang zum Pragmatismus für sich entdeckt: Natürlich sei eine derart negative Heimserie enttäuschend, sagt Kohfeldt, "aber das ist momentan nicht wichtig. Wo wir die Punkte holen, ist mir am Ende egal. Hauptsache ist, wir holen genügend, um in der Klasse zu bleiben.“
Nach überraschenden sieben Punkten aus den letzten drei Spielen spricht Werders Trainer nun immer wieder von einem „Tunnel“, in dem er sich mit der Mannschaft befinde. Der Tunnel hat die „Individuelle Belastungssteuerung“ bei Werder als meistgebrauchte Formulierung abgelöst, am Saisonende soll das Wort Klassenerhalt über allem stehen. Deshalb will sich Kohfeldt auch nach dem Abendspiel gegen Frankfurt nur „einen kurzen Blick“ auf die Tabelle gönnen, „denn die Tabellensituation ist jetzt nicht wichtig“, sagt er, „es gibt keinen psychologischen Effekt mehr im Sinne von: Jetzt stehen wir über dem Strich. Ich beschäftige mich nicht mit der Tabelle, sondern nur damit, dass wir Punkte holen. Dann wird es am Ende zwangsläufig reichen. Ich gebe auch keine Prognosen ab, wie viele Siege wir brauchen. Ich bin nur aufs nächste Spiel fokussiert und will gegen Frankfurt punkten.“
Kohfeldt hat alle restlichen Spiele mit dem Etikett „Finale“ versehen, „denn wir haben jetzt, wo wir endlich den Kader weitgehend gesund zusammen haben, nur noch diese paar Spiele. Es gibt kein Netz und keinen doppelten Boden mehr. Frankfurt hat Finalcharakter, und danach kommen fünf weitere Finals.“ Seine Botschaft ist klar: Mit einem Sieg gegen die Eintracht kann sich Werder nicht retten, aber die drei Punkte könnten am Saisonende entscheidend sein und vor allem helfen, das immer noch fragile Gebilde Werder Bremen zu stabilisieren. Auch Kohfeldt ist zuletzt natürlich aufgefallen, dass sein Team die Gegner nicht etwa gegen die Wand spielte, aber trotzdem die nötige defensive Stabilität fand und genügend Sprit im Tank, um am Ende ein gutes Ergebnis einzufahren. „Das müssen wir aber alles wieder bestätigen. Gegen Frankfurt wird wieder Stress auf uns zukommen, denn die Eintracht wird Stress machen.“
Gefühlt machen die Hessen schon länger Stress in Bremen. Sie warfen Werder nicht nur aus dem DFB-Pokal, sondern verletzten durch ein Foul von Filip Kostic auch Ömer Toprak so schwer, dass er bis heute nicht mehr spielen konnte. Und dann verlangten sie auch noch eine Spielverlegung ihres Auswärtsspiels in Bremen, weil ihre Europa-League-Partie in Salzburg wegen eines Unwetters um einen Tag verschoben wurde; deshalb findet dieses Duell vom 24. Spieltag, nach dem Austausch einiger Nettigkeiten, erst jetzt statt. Dass es nun besonders heiß zugeht, glaubt Kohfeldt aber nicht. Mit Frankfurts Trainer Adi Hütter verbinde ihn ein sehr gutes Verhältnis, und so ein tragisches Foul wie das von Kostic an Toprak passiere halt, der Spieler habe sich nach der „unglücklichen Aktion“ sofort und mehrfach entschuldigt. Weshalb Kohfeldt sagt: „So macht man das im Sport. Man gibt sich die Hand, dann geht es weiter.“
Auch Werders Sportchef Frank Baumann erwartet keine zusätzliche Brisanz. „Wir hätten auch damals gerne gespielt“, erklärt er zwar mit Blick auf die Diskussionen Ende Februar, aber er sagt natürlich nicht, dass Werder der Termin jetzt vielleicht sogar viel besser passt angesichts der deutlichen entspannten Situation im eigenen Kader.
Werder bleibt sich treu und konzentriert sich nur auf die eigenen Aufgaben bis Saisonende. Kohfeldts Tunnel-Taktik wird dadurch begünstigt, dass es für die Mannschaft in der „Quasi-Quarantäne vor den Spielen“, wie er das nennt, im Grunde gar keine Ablenkung mehr gibt. Und es gibt für die Profis auch keinen Millimeter Spielraum mehr für persönliche Befindlichkeiten. Kohfeldt stellt – viele Fans sagen: endlich – knallhart so auf, wie er es für richtig hält. Und weist mit klaren Worten die Tür zum Notausgang in diesem Tunnel: „Wenn ein Spieler darüber frustriert wäre, dann wäre hier kein Platz mehr für ihn.“
So spricht man auf Platz 17, wenn es um alles geht, und einem viele Kritiker zuletzt deutlich die Meinung gegeigt haben. Genugtuung nach drei erfolgreicheren Spielen empfinde man nun aber nicht, betont Baumann, "das sind nicht unsere Gefühle". Man habe einen Aufwärtstrend erlebt, stecke aber weiter "sportlich in einer sehr schwierigen Situation. Wir wollen so schnell wie möglich runter von dem Abstiegsplatz. Das Entscheidende ist aber, dass wir nach dem 34. Spieltag auf einem Platz stehen, der den Klassenerhalt bedeutet.“
Bremen ohne Werder - das ist unvorstellbar! Und das Profiteam, das in der Bundesliga um Punkte und Tore kämpft, ist das Herzstück des Vereins. Auf dieser Seite gibt es News, Fotos und Videos rund um die Werder-Profis.