
Florian Kohfeldt rotierte kräftig, die leicht angeschlagenen Milot Rashica und Leo Bittencourt saßen ebenso auf der Bank wie Sebastian Langkamp und Joshua Sargent. Dafür rückten Milos Veljkovic (nach Gelb-Sperre), Yuya Osako, Davie Selke und Fin Bartels ins Team. Werder also mit einer komplett neu formierten Offensive. Frankfurts Coach Adi Hütter nahm dagegen nur eine personelle Änderung vor, für Timothy Chandler durfte Almamy Toure beginnen.
Was bei beiden Mannschaften dagegen gleich blieb, waren die Grundordnungen. Werder versuchte es wie in den letzten Partien mit Ball im 4-3-3, gegen den Ball ließ sich Kevin Vogt wieder zwischen Veljkovic und Niklas Moisander fallen und füllte die Vierer- zu einer Fünferkette auf. Frankfurt blieb seinem 3-4-3 mit Ball beziehungsweise 5-3-2 gegen den Ball treu.
Ganz anders als in der ersten Halbzeit auf Schalke, als Werders Innenverteidiger mit dem Ball am Fuß bis zur Mittellinie andribbeln durften und erst dann Druck bekamen, gestaltete sich die Ausgangslage im tiefen Spielaufbau. Frankfurt schob hoch ins Feld und nahm Werders Spieler dabei in Manndeckung. Daichi Kamada und Andre Silva liefen Veljkovic und Moisander teilweise im Angriffspressing an, Mijat Gacinovic kümmerte sich dahinter um Kevin Vogt. Werders Achter wurden je nach Positionierung von den Frankfurter Sechsern zugedeckt oder, meist Klaassen von Toure, von einem Flügelverteidiger. Werder hatte in den ersten 15, 20 Minuten damit so seine Probleme, auch mit der Intensität und Robustheit der Frankfurter in deren Defensivaktionen.
Im Gegenzug hatte Kohfeldt sich einen ähnlichen Plan für die Phasen des Frankfurter Spielaufbaus überlegt. Gegen die sehr breit stehenden Frankfurter Halbverteidiger Martin Hinteregger und David Abraham ließ er Bartels und Osako nach außen anlaufen. Das sollte die Passwege ins Zentrum und die Halbräume schließen und den Ball schneller nach außen lenken. Makoto Hasebe als zentraler Spieler wurde von Selke aufgenommen. Abraham und vor allen Dingen Hinteregger, der mit seinem aggressiven Andribbeln schnell für Zuordnungsprobleme beim Gegner sorgen kann, wurden so immer tief gehalten und hatten kaum brauchbare Momente in der Spieleröffnung.
Nach ein paar Anlaufschwierigkeiten zu Beginn der Partie mit einem noch etwas zaghaften Bartels im Pressing fand sich Werder aber immer besser zurecht und bekam den Gegner gegen den Ball nach rund 20 Minuten sehr gut in den Griff. Im eigenen Ballbesitz brach Maximilian Eggestein durch sein Zurückfallen immer besser das Zustellen der Frankfurter auf. Eggestein wurde nicht zu tief verfolgt, sodass Werder in Überzahl nun leichter über die erste Frankfurter Linie kam. Bremen kam im Übergangsdrittel gut in seine Positionen und spielte aus diesen heraus drei, vier sehr gute Angriffe durch.
Frankfurt schluderte ab Mitte der ersten Halbzeit etwas im Anlaufen, was Moisander als Ausgangspunkt für klassische Bremer Angriffe übers Zentrum und den Halbraum nutzte. In einer Kettenreaktion folgte auf ein unaufmerksames Anlaufen von Silva oder Gacinovic das Nachrücken der Frankfurter Mittelfeldspieler, die nun aber quasi einen Pass zu spät dran waren und keinen Zugriff mehr bekamen.
Es öffneten sich die von Moisander sauber bespielten Passwege diagonal ins Zentrum, wohin Osako und teilweise auch Selke zurückfielen und den Angriff weiter entwickelten. Das hatte dann doch etwas von der ersten Halbzeit auf Schalke – allerdings auch mit denselben Problemen im letzten Drittel. Bis circa 30 Meter vor dem Tor sah Werders Angriffsspiel immer flüssiger aus, Halbräume wurden ballseitig gefunden, dann auch mal ballfern verlagert. Allerdings fehlte es dann an den Folgeaktionen, sobald der Ball hinter den Frankfurter Sechsern wieder herausverlagert wurde auf die Flügel.
Statt über einen weiteren Laufweg in den Rücken des Abwehrspielers aus dem Zentrum oder Halbraum den Durchbruch zu versuchen und hinter die letzte Linie zu kommen, spielte Werder ein bisschen Frankfurt-Fußball: Mit Flanken aus dem Halbfeld. Die waren zwar grundsätzlich gut vorbereitet, wurden von den Gästen aber entweder schon am Flügel geblockt oder im Sechzehner allesamt weggenommen. Deshalb hatten Selke und Bartels kaum Ballaktionen und entwickelte Werder kaum Torgefahr, bis auf zwei Distanzschüsse kam die Mannschaft nicht vors gegnerische Tor. Weil Werder aber sehr geschlossen und konzentriert weiter gegen den Ball arbeitete, hatten auch die Gäste in einem teilweise hektischen und fahrigen Spiel kaum Gelegenheiten.
Das Spiegeln der jeweils gegnerischen Formation führte auch zu Beginn der zweiten Hälfte zu vielen Pattsituationen im tiefen Aufbau auf beiden Seite und damit langen Bällen der Torhüter. Ging es aber bei Frankfurt über schnelle Verlagerungen, dann eröffneten sich andere Optionen. Gegen das Verschieben der Bremer fanden die Gäste schneller über den starken Hasebe auf die ballferne Seite und spielten dann direkt in die Spitze auf Silva durch. Frankfurt entwickelte so ein paar ordentliche Angriffe. In einem klassischen Abnutzungskampf beging dann Werder dicke Fehler und wurde sofort bestraft.
Gefühlt hundertfach hatte Kohfeldt in den letzten Partien und auch im Frankfurt-Spiel auf klare Mannorientierungen im eigenen Strafraum hingewiesen, von der Seitenlinie lautstark moderiert. Diesem eindeutigen Arbeitsauftrag folgte die Mannschaft eine Stunde lang gegen das Team mit den zweitmeisten Flanken und den meisten Toren innerhalb des Strafraums. Dass dann Silva trotz klarer Bremer Überzahl sechs, sieben Meter vor dem Tor nach einem erwartbaren Spielzug mit einer erwartbaren Flanke von Kostic völlig frei einköpfen darf, ist schwer zu erklären. Das 0:1 war nach davor sieben Halbzeiten ohne Gegentor ein echter Wirkungstreffer. Werders bis dato zwar nicht überragende, aber immerhin ordentliche Offensivstruktur war nun ziemlich dahin.
Die beiden Wechsel von Rashica und Sargent für Selke und Bartels verpufften angesichts der grundlegenden Probleme im eigenen Ballbesitz ganz schnell. Werder spielte nun nicht mehr als Mannschaft oder zumindest kleine Gruppen, sondern immer öfter nur über Aktionen einzelner Spieler. Ein Phänomen, das schon ein paar Mal in dieser Saison zu erkennen war - immer dann, wenn die Mannschaft in Rückstand gerät und beginnt, hektisch zu werden.
Das wiederum war aus zweierlei Hinsicht fatal: Die Bremer hatten massive Schwierigkeiten, wieder zu sich und ihrem Spiel zu finden. Statt sich wieder sauber aus engen Situationen über mehrere Stationen und Spieler rauszulösen, gab es Alleingänge. Statt geduldig Angriffe zu entwickeln und auszuspielen, den Gegner ins Laufen zu bekommen und auf die Lücke zu warten, wurde zu schnell, irgendwie auch aktionistisch und vor allen Dingen schlecht vorbereitet ins Frankfurter Pressing reingespielt. Statt einen einfachen Freistoß mal liegen zu lassen, um erst wieder in den Positionen Aufstellung zu nehmen, wurde der schnell ausgeführt und sofort war wieder Druck da. Das alles, diese Unsauberkeiten, die Hektik, das Unkoordinierte, spielt einer Mannschaft, die den Gegner dauerhaft stressen will wie Frankfurt, enorm in die Karten.
Kohfeldt brachte eine Viertelstunde vor Schluss positionsgetreu Bittencourt für Osako und Ludwig Augustinsson für Marco Friedl. Am grundsätzlichen Ablauf änderte aber auch das wenig. Die beste Chance ergab sich Werder nach einem abgewehrten Frankfurter Freistoß und einer zwischenzeitlichen Vier-gegen-Zwei-Überzahl. Aber Frankfurts überragendes Rückzugsverhalten und ein schlecht temperierter Pass von Rashica machten das zunichte. Den Rest erledigten aus Frankfurter Sicht Hasebe und der in der zweiten Halbzeit sehr starke Rode – und das 0:2, das gleichzeitig die Entscheidung bedeutete.
Werders Idee, Frankfurts Standards mit der Raumdeckung zu verteidigen und zwei Aufpassern am ersten Pfosten, ging bis dahin auf. Zunächst waren Gebre Selassie und Selke für die Sicherung am ersten Pfosten zuständig, nach Selke Auswechslung übernahm Sargent die Aufgabe. Beim Gegentor nach einer Ecke funktionierten aber zwei elementare Dinge nicht: Sargents Timing im Kopfball gegen den deutlich größeren Bas Dost mag noch verzeihlich sein – dass dahinter aber drei Meter zentral vor dem eigenen Tor ein Raum aufgeht, in den der Gegenspieler unbedrängt laufen kann, führt die Grundprinzipien der Raumdeckung ad absurdum. Auch das bleibt ein wiederkehrendes Merkmal dieser Bremer Saison: Gegentore aus der Kategorie nicht-bundesligatauglich.
Frankfurt blieb trotz des klaren Vorsprungs kurz vor Ende scharf im Anlaufen, Werder bekam keine Ruhe in den Aufbau. Mit dem letzten Wechsel von Nick Woltemade für Vogt stellte Werder quasi auf 4-Raute-2 um, verzichtete aber auf die große Absicherung im Mittelfeld, weil sich faktisch vier Angreifer auf dem Platz befanden, die im Ballbesitz auch sehr hoch nach vorne rückten. Vor das gegnerische Tor kam die Mannschaft aber trotzdem nicht mehr und kassierte stattdessen noch das dritte Gegentor, wieder nach einem Standard. Und wieder durch ein Zusammenspiel Frankfurter Einwechselspieler. Die Scorerpunkte bei den Tore zwei und drei gingen damit komplett auf deren Konto. Werders Wechsel hatten dagegen kaum einen Einfluss aufs Spiel.
An sich spielte Werder eine Stunde lang ein Spiel, wie es auch schon in den letzten drei Partien zu sehen war: Aufmerksam und energisch gegen den Ball, mit einigen guten Ansätzen im Offensivspiel. Allerdings fehlt es im letzten Drittel dabei weiterhin gravierend. Abgesehen von zwei Halbchancen und einem verschlampten Konter brachte Werder nichts zustande, das Positionsspiel ist bis tief hinein ins Übergangsdrittel erst gut, dann fehlen aber die Folgeaktionen, die dem Gegner auch weh tun. Und als die Mannschaft dann nicht wie zuletzt selbst in Führung ging, sondern einen konkreten Rückschlag hinnehmen musste, war von der zuletzt vermuteten Stabilität und auch Souveränität nicht mehr viel zu sehen.
Das Spiel ging – trotz der drei Gegentore und jener Fehler, die diese erst begünstigten – in der Offensive verloren. Sie bleibt von den vielen Kernproblem weiterhin das größte. Auf dem Niveau der zweiten Halbzeit gegen Frankfurt wird das nicht für den Klassenerhalt reichen.
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