
Es war bereits kurz vor halb zwölf in der Nacht von Freitag auf Sonnabend, als Frank Baumann einen Begriff in die Gesprächsrunde warf, der so gar nicht nach Fußball klang, sondern eher nach Finanzwirtschaft. Werders Sportchef war im Anschluss an die 1:2-Niederlage in der Bankenmetropole Frankfurt zu Florian Kohfeldts Chancen gefragt worden, dauerhaft Trainer des Fußball-Bundesligisten zu werden. Baumann überlegte einen kurzen Moment, und dann sagte er, dass Kohfeldt die Benchmark sei, also der Maßstab. „Er ist aktuell unser Trainer, und wenn wir einen anderen holen, dann muss der besser sein.“
Wird aus der Zwischenlösung am Ende also eine Dauerlösung? Darüber darf nun munter spekuliert werden. Baumann ließ am späten Freitagabend jedenfalls durchblicken, dass Kohfeldt durchaus realistische Chancen besitzt. „Wir wissen, welche Qualitäten Florian hat“, sagte Baumann, „wenn wir ihm das nicht zutrauen würden, hätten wir ihn auch nicht zum Interimstrainer gemacht. Florian ist die Benchmark bei der Entscheidung, ob wir einen neuen Trainer holen oder nicht. Es wird sich in den nächsten Tagen oder Wochen zeigen, ob wir einen Besseren finden, oder ob wir mit Florian den Weg weitergehen.“
Macht es das dritte Trainer-Talent besser?
Bis zum nächsten Bundesligaspiel gegen Hannover 96 in zwei Wochen will Werder Klarheit haben in der Trainerfrage. Gerne auch schon ein bisschen früher. Einerseits. Anderseits will Baumann bei der Suche nach dem geeignetsten Kandidaten auch nichts überstürzen. Er werde sich Zeit lassen, einen Trainer zu finden, sagte Baumann, „denn es ist die wichtigste Position im Verein“. Am Dienstag wird auf jeden Fall Kohfeldt das Training leiten, „bis dahin fällt keine Entscheidung“.
Und während Kohfeldt die Mannschaft zunächst durch die Länderspielpause führen wird, wird Baumann Gespräche mit anderen Trainern, deren Beratern und eventuell auch mit deren Vereinen führen. „Mit wem, das werden wir in der Öffentlichkeit nicht kundtun“, sagte Baumann, „da bitte ich um Verständnis, dass wir keine Namen kommentieren und keine Wasserstandmeldungen geben. Das wird sehr intensiv abgearbeitet, da gibt es einen klaren Fahrplan.“
Baumann muss dabei eine Grundsatzfrage für sich beantworten: Soll er in dieser schwierigen Lage – Werder hat nach elf Spieltagen erst fünf Punkte auf dem Konto – auf einen talentierten, aber unerfahrenen Trainer aus den eigenen Reihen setzen? Oder benötigt der Klub im Existenzkampf vielleicht ein paar neue Impulse von außen, durch einen erfahrenen Bundesligatrainer? Gegen Kohfeldt könnte sprechen, dass Werder zuletzt zweimal in Folge seinen U 23-Trainer zum Coach der Profis gemacht hat, und sich sowohl Viktor Skripnik als auch zuletzt Alexander Nouri jeweils nicht mal zwei Spielzeiten im Amt halten konnten.
Zuspruch von Baumann und aus der Mannschaft
Für Kohfeldt wiederum sprechen die Eindrücke vom Bundesligaspiel in Frankfurt – trotz des enttäuschenden Ergebnisses. Werder hatte deutlich offensiver gespielt als zuletzt, hatte sich dadurch zahlreiche Torchancen erarbeitet und hätte bei besserer Chancenverwertung durchaus gewinnen können. „Er hat uns in der kurzen Zeit überzeugt, an seinen Matchplan zu glauben“, lobte Innenverteidiger Niklas Moisander lobte Kohfeldt, „er hat einen guten Job gemacht. Er hat uns geholfen, dass wir an uns geglaubt haben, das ist in dieser schwierigen Situation ganz wichtig.“ Maximilian Eggestein sagte, dass die Zusammenarbeit in den vergangenen Tagen gut geklappt habe. Und auch Sportchef Baumann fand, „dass da ein Plan zu erkennen war, und dass dieser Plan über weite Strecken erfolgreich war“. Baumann sagte aber auch, dass er nach einer Niederlage nicht zufrieden sein könne, „gerade in unserer Situation. Wir haben keine Spiele zu verschenken, deswegen sind wir enttäuscht.“
Und was sagte Kohfeldt? Zumindest nicht viel, als er auf seine Zukunft angesprochen wurde. Der 35-Jährige sprach lieber über das Spiel und die Leistung seiner Mannschaft. „Wir hätten heute mehr verdient gehabt“, sagte er, „deshalb tut das Ergebnis sehr, sehr weh. Ich muss die Mannschaft aber riesig loben, nachdem, was die vergangenen Wochen auf sie eingeprasselt ist, so eine couragierte Leistung zu zeigen.“ Unter der Woche hatten Kohfeldt und sein Trainerteam Einzelgespräche mit allen Profis geführt, zudem hatte es Gruppengespräche gegeben, auch, um die Blockade in den Köpfen zu lösen. Das sei die Grundlage für die Leistung gegen Frankfurt gewesen, sagte Kohfeldt, der das Gefühl hatte, „dass wir als Einheit in dieser Woche gut funktioniert haben“. Und am Ende gewährte der Neuling dann doch noch einen Einblick in sein Seelenleben. „Es war ein tolles Erlebnis heute“, sagte Kohfeldt, „ich habe mich sehr, sehr wohl gefühlt in diesem Stadion, das ja eines der lautesten in der Liga ist.“
Nun liegt es an Sportchef Frank Baumann, ob Florian Kohfeldt diese Bundesligaatmosphäre weiterhin genießen darf, oder ob er vorerst wieder zur U 23 zurückgeschickt wird. „Die Eindrücke“, sagte Baumann, „die Eindrücke, wie die vergangenen Tage gelaufen sind, spielen bei dieser Entscheidung natürlich mit rein.“
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