
Eine Woche ist es her, da wurden allerlei Geschichtsbücher gewälzt, Statistiken herausgekramt und die Rekorde von Werder-Stürmer Claudio Pizarro öffentlich ausgebreitet, eingeordnet und mit Applaus bedacht. Ein bemerkenswertes Kuriosum: Seit dem Rekord-Treffer des Peruaners spielt der älteste Bundesliga-Torschütze aller Zeiten mit dem jüngsten Torschützen der Liga-Historie in einem Team. Nuri Sahin, damals 17 Jahre und 82 Tage alt, hat sich damals als das andere Extrem verewigen dürfen.
Angesichts der starken Form Pizarros hatten einige gegen den VfB Stuttgart mit einem Startelfeinsatz des 40-Jährigen gerechnet, von Beginn an ran durfte aber etwas überraschend Sahin, nachdem dessen Positionskonkurrent Philipp Bargfrede kurzfristig verletzungsbedingt passen musste. Nun spielt Sahin im defensiven Mittelfeld, Pizarro im Sturm – wozu also den Vergleich der beiden Rekordhalter noch fortführen? Die Antwort findet sich bei einem Blick auf die Höchstgeschwindigkeiten beider Spieler.
Denn während Claudio Pizarro, zehn Jahre älter als Sahin und nie der ganz große Sprinter gewesen, noch immer einen Topspeed von 29,28 Kilometer pro Stunde registrieren konnte, erreichte Sahin lediglich maue 26,71 km/h. Einmal mehr erreichte Sahin somit den schlechtesten Wert aller Bremer Feldspieler. Der Mittelfeldmann ist in Laufduellen so gut wie jedem Spieler in der Bundesliga unterlegen. Auf einer Position, auf der eine Menge Raum zu kontrollieren und abzusichern ist, kann eine solche Schwäche fatal sein.
Die Gäste aus Stuttgart brauchten keine Minute, um Sahins Tempodefizite schonungslose offenzulegen: Steven Zuber, vom linken Flügel eingerückt, nutzte seinen Geschwindigkeitsvorteil und die schlechte Abstimmung in der Bremer Hintermannschaft, um Sahin zu entwischen und nach einem Sprint durch das Zentrum zur frühen Führung für die Schwaben abzuschließen.
In der Folge entwickelte sich eine Partie, die im Grunde gut dafür geeignet war, Sahin im eigenen Ballbesitz besser ins Spiel zu bringen: Die Stuttgarter verteidigten tief, Werder sammelte mehr und mehr Spielanteile und drückte die Gäste in ihre eigene Hälfte. Auch Passmetronom Sahin beteiligte sich viel, streute dann und wann einen sehenswerten Flugball ein, ohne aber gefährliche Situationen direkt zu initiieren. 113 Ballkontakte sind ein Zeugnis der optischen Dominanz der Werderaner, 64 Pässe in der gegnerischen Hälfte der Top-Wert aller Spieler auf dem Platz, den Sahin sich notieren durfte. Allein der Ertrag fehlte.
Umgekehrt blieben die Probleme im Rückwärtsgang bestehen. Immer wieder tauchten die Stuttgarter nach schnellen Gegenangriffen vor dem Tor von Jiri Pavlenka auf. Sahin konnte sich kaum dadurch hervortun, diese Angriffe zu unterbinden: Nur zwei von neun geführten Zweikämpfen ginge an Werders Routinier, der insgesamt nur viermal den Ballbesitz für seine Mannschaft gewinnen konnte – nur die Stürmer bei Werder verbuchten weniger Ballrückeroberungen durch Tacklings, abgefangene Pässe oder eroberte zweite Bälle.
Wenige Momente vor seiner Auswechslung in der 71. Spielminute hatte Sahin dann doch noch die Chance, zum Matchwinner zu werden: Nach einer Hereingabe von Milot Rashica hatte der aufgerückte Mittelfeldmann am langen Pfosten noch den Fuß an den Ball bekommen, aber Stuttgarts Keeper Ron-Robert Zieler vereitelte die Chance mit einer starken Parade. So blieb Werder nur die Punkteteilung – und für Sahin ein enttäuschender Abend.
Es ist nicht der erste in dieser Saison: Spielt Sahin mindestens eine Halbzeit, kommt Werder in dieser Spielzeit lediglich auf einen Punkteschnitt von 1,09. Eine Bilanz, die unter dem Teamschnitt liegt (1,39), unter dem von Philipp Bargfrede (1,45) – und unter dem eines Europa-League-Aspiranten. Sahin hat einen feinen linken Fuß und ein gutes Standing im Team, doch schaltet der Ex-Dortmunder in den Rückwärtsgang, wirkt ein Sprint im Vergleich zu den Flügelstürmern der Liga doch zu sehr nach Zeitlupe. Auch, wenn Bargfrede wie Sahin beide im defensiven Mittelfeld zuhause sind: Ihre Stärken sind sehr unterschiedlich verteilt. Sahin also dieselben Defensivaufgaben zu übertragen wie seinem Positionskonkurrenten, dürfte sich auch weiterhin in Form von Gegentoren und Punktverlusten rächen.
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