
Die Jahre 2012 und 2013 gelten als besondere im deutschen Fußball. Zu jener Zeit verabschiedete sich der 1. FC Kaiserslautern aus der Bundesliga, der große Thomas Schaaf brachte seine letzte Saison als Werder-Trainer nicht mehr ganz zu Ende – und Double-Sieger Borussia Dortmund steuerte unter Jürgen Klopp auf ein spektakuläres Champions-League-Finale gegen den FC Bayern in Wembley zu. Es waren aber auch die Jahre, in denen ein hoffnungsvolles Talent in Schweden Probleme mit dem Knie bekam. Der Name: Ludwig Augustinsson, gerade mal 18 Jahre jung. Bei einer Operation im März 2013 in Göteborg musste damals unter anderem der Meniskus repariert werden.
Den jungen Außenverteidiger plagten seinerzeit natürlich die Sorgen, ob dieses Knie fortan Profi-Fußball auf hohem Niveau zulassen würde. 154 Tage fiel er nach dem Eingriff aus. Doch der Modell-Athlet schien das Glück des Tüchtigen zu haben. 2015 gewann er mit der schwedischen U21-Nationalmannschaft die Europameisterschaft, bei seiner ersten Station im Ausland holte er dann als Stammspieler das Double aus Pokal und Meisterschaft; in Dänemark war das, beim FC Kopenhagen. Das Knie hielt, und so öffnete sich die Tür für einen Wechsel nach Bremen. Seit seinem Bundesligadebüt am 19. August 2017 (übrigens bei einer Niederlage in Hoffenheim…) stand Augustinsson in 63 Bundesligaspielen für Werder auf dem Feld, er schoss dabei zwei Tore, bereitete sechs Treffer vor und erwarb sich den Ruf, als linker Verteidiger schlichtweg unersetzlich zu sein.
An diesem Montag nun landete Augustinsson wieder auf dem OP-Tisch. Übers Wochenende entschieden Werders Verantwortliche, nicht mehr länger zu warten, sondern den Spieler schnellstmöglich am Knie operieren zu lassen. Es ist das bittere Ende eines unbefriedigenden Sommers. Schon Anfang Juni klagte Augustinsson bei der schwedischen Nationalmannschaft über Knieprobleme, nach den ersten Trainingswochen fiel er bei Werder aus. Seit Ende Juli rätselten alle Beteiligten in Bremen, warum das Knie des Linksverteidigers bei Belastungen immer anschwoll. Der Spieler wurde teilweise komplett aus dem Training genommen, doch auch jede Ruhephase brachte keine Besserung. „Die Probleme bei Augustinsson könnten auf die alte Verletzung zurückgehen“, vermutete Baumann schon auf der Reise nach Hoffenheim und bestätigte dem WESER-KURIER: „Bei der Knieverletzung, die Ludwig mit 18 Jahren hatte, war auch der Meniskus betroffen.“
Bis zuletzt wollte Werder die erneute Operation und damit eine längere Ausfallzeit vermeiden. „Bei ihm bestand die berechtigte Hoffnung, dass er sein Bein durch Ruhe statt Belastung wieder vernünftig aufbauen kann“, sagt Baumann, „wenn sich dann herausstellt, dass es trotzdem noch Probleme gibt, muss man zunächst die Ruhe bewahren und abwägen, was man machen kann.“ Alle Untersuchungen in diesem Sommer ergaben, dass es keine frische oder akute Verletzung in Augustinssons Knie gibt. „Schon im Juni wurden bei der schwedischen Nationalmannschaft Bilder gemacht, er wurde danach auch bei uns untersucht“, erklärt Baumann, „aber auf den Bildern ist keine Verletzung zu erkennen.“ Im Trainingslager in Grassau hatte sich die Lage zugespitzt, spontan reiste der Spieler vom Chiemsee aus zu einem Spezialisten. Doch auch hier ergaben die Untersuchungen und Aufnahmen keine akute Verletzung – was Kohfeldt da noch als „beruhigend“ empfand, weil der Trainer natürlich hoffte, den Spieler nach ein paar Tagen wieder auf dem Rasen begrüßen zu können.
Es kam ganz anders. Das Tückische dabei, für den Spieler, die Trainer und die Mediziner: Augustinsson plagten keine großen Schmerzen. „Deshalb hat er ja auch immer wieder mal trainiert“, sagt Baumann, „trotzdem bildete sich nach einer Belastung Flüssigkeit im Knie, es reagierte gereizt und schwoll an.“ Einen Vorwurf an Werders medizinische Abteilung könne es nicht geben, betont der Sportchef ausdrücklich, denn: „Es ist ja eine alte Verletzung. Es ist normal, dass man möglichst lange versucht, eine erneute Operation zu vermeiden und auf eine konservative Behandlung setzt. Wenn es dann so lange nicht besser wird, dann kann es sein, dass man doch wieder ins Knie reinschauen muss, das kann man dann nicht mehr ausschließen.“
Deshalb war die Operation am Montag letztlich unausweichlich, um den Spieler nach einer erfolgreichen Reha wieder auf Bundesliga-Niveau belasten zu können. Sicher ist: Augustinsson wird Werder nun viele Wochen fehlen, und wie nach jedem Eingriff am Knie bleibt abzuwarten, wie der Körper danach auf Belastungen reagiert. Bis dahin muss Kohfeldt improvisieren. „Es ist klar, dass wir einen Spieler wie Ludwig Augustinsson nicht gleichwertig ersetzen können“, weiß der Trainer, „das gibt unser Kader nicht her, und das kann er auch nicht hergeben. Deshalb ist das ein ganz bitterer Ausfall für uns.“
Was also tun? In der Vorbereitung und in allen bisherigen Pflichtspielen übernahm Marco Friedl die Rolle von Augustinsson als Linksverteidiger. Jedoch auch, weil der gelernte Innenverteidiger Friedl im Abwehrzentrum nicht gebraucht wurde. Hier spielte U 23-Kapitän Christian Groß den Platzhalter für Toprak. Doch durch dessen Ausfall muss Kohfeldt die Lage neu überdenken. Wenn Theodor Gebre Selassie von der rechten Seite ins Zentrum wechselt, wie während des Spiels gegen Hoffenheim praktiziert, müsste Werder nämlich auf beiden Seiten mit Notlösungen auf der Außenbahn agieren: links mit Friedl, rechts wohl mit Maximilian Eggestein. Rückt hingegen Friedl als Toprak-Ersatz nach innen, müsste nur die linke Seite neu besetzt werden.
In jedem Fall bleibt Werders Defensive auch durch den Ausfall des zudem noch sehr offensivstarken Augustinsson ein Flickenteppich. Das wiederum erinnert stark an die Jahre 2012 und 2013. Während sich der junge Augustinsson schon damals Sorgen um sein Knie machte, beendete Werder die Bundesligasaison auf Platz 14 – mit 66 Gegentoren.
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