
Gute Nachrichten sind im Kosovo nicht gerade alltäglich. Politische Machtspielchen prägen das Bild, hinzu kommen Themen wie Korruption oder organisierte Verbrechensdelikte. Und natürlich der immer währende Kampf um die Anerkennung des jüngsten europäischen Staates inklusive sämtlicher negativer Begleiterscheinungen. Aber es gibt da diese eine Sache, die vor allem eines tut: Hoffnung machen. Und das ist der Fußball – mit Werders Milot Rashica mittendrin.
Der Kosovo spielt aktuell eine bemerkenswerte EM-Qualifikation, in den kommenden Tagen kann sich die Mannschaft tatsächlich aus eigener Kraft erstmals für das große kontinentale Turnier im kommenden Sommer qualifizieren. Der Drittplatzierte der Gruppe A spielt zunächst an diesem Donnerstag in Tschechien (20.45 Uhr), das einen Punkt mehr auf dem Konto hat, ehe am Sonntag Spitzenreiter England nach Pristina kommt. Das Stadion in der Hauptstadt fasst gerade einmal 13.000 Zuschauer, nach Verbandsangaben hat es zehnmal so viele Ticketinteressenten gegeben.
Es herrscht also wieder einmal Ausnahmezustand, wenn der Kosovo um seine historische Chance kämpft. Die Spieler sind ohnehin schon Helden, nun können sie sich endgültig unsterblich machen. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn Kinder Trikots mit meinem Namen tragen und damit durch die Straßen laufen“, hatte Rashica bereits im vergangenen Sommer gesagt. Werders formstarker Angreifer lässt sich von den Huldigungen nach eigener Aussage aber nicht irritieren. „Ich sehe mich nicht als Star. Für mich ist es einfach, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben. Erst die Fans bringen einen groß raus.“
Natürlich lebt auch in ihm dieser Traum von der Europameisterschaft. Aus Bremer Sicht könnte es kurios werden, wenn er gegen Tschechien ausgerechnet Jiri Pavlenka den entscheidenden Treffer einschenken sollte. Allerdings ist Werders Keeper aktuell nicht Stammkraft, die jüngsten Fehlgriffe dürften obendrein auch in dessen Heimat registriert worden sein. Der Kosovo braucht unbedingt einen Sieg, weil eben einerseits England wenige Tage später letzter Gruppengegner ist und andererseits Tschechien im finalen Duell mit Bulgarien die vermeintlich leichtere Aufgabe zu lösen hat.
Die gute Nachricht: Selbst wenn die kosovarische Auswahl ihr Märchen in den kommenden Tagen nicht fortschreiben kann, ist der EM-Traum nicht automatisch geplatzt. Es gibt da ja noch das Hintertürchen Nations League. Im März stehen die Play-offs an, dort müsste zunächst Gastgeber Nordmazedonien und dann der Sieger des Duells Georgien gegen Weißrussland bezwungen werden, um sich über einen Umweg für die Europameisterschaft zu qualifizieren. In der aktuellen Verfassung erscheint das mehr als machbar.
Die Stärke des Kosovo hängt eng mit den Folgen des Jugoslawienkrieges zusammen. Etliche Menschen verließen seinerzeit in den 1990er Jahren die Region, nach der Flucht bauten sie sich in der Fremde ein neues Leben auf. Unter zumeist wesentlich besseren Lebensumständen wuchs auch eine neue Generation junger, gut ausgebildeter Spieler heran, die nun die Kosovaren in der Heimat und im Exil gleichermaßen stolz macht. Sollte die EM-Qualifikation gelingen, könnte das dem Land auch politisch helfen – aber auch für eine knifflige Situation sorgen. Es war 2008, als der Kosovo eigenmächtig seine Unabhängigkeit von Serbien erklärte, etliche Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen erkannten das Land jedoch nicht an. In Europa ist der Großteil zwar Unterstützer, mit Aserbaidschan, Rumänien, Russland und Spanien gehören aber auch vier Nationen zum Ausrichterpool der EM im kommenden Sommer, die ein eigenständiges Kosovo nicht akzeptieren. Brisante Debatten und Konflikte scheinen garantiert zu sein – dabei soll es doch eigentlich nur um Fußball gehen. Doch nicht nur für die Menschen im Kosovo geht es um viel mehr.
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