
Gerade zu Beginn seiner Amtszeit hat Florian Kohfeldt noch etwas mehr ausprobiert, hat auf die defensiven Stärken unter Vorgänger Alexander Nouri aufgebaut und nach und nach neue Elemente hinzugefügt. Die grundsätzliche Flexibilität hat sich die Mannschaft behalten, allerdings wird Kohfeldt nur noch in einigen Spielen auf eine Dreier- beziehungswiese Fünferkette umstellen und sich im Spiel gegen den Ball am Gegner orientieren. Der Kader wurde in der Sommerpause entsprechend auf Werders Stamm-Grundordnung im 4-3-3 zusammengestellt, die Kohfeldt mittlerweile auch mehrheitlich nutzt. Wirklich neu ist die Variante mit der Mittelfeldraute in einem 4-4-2, das Werder in der Art seit einigen Jahren nicht mehr gespielt hat.
Sehr viel hing in den vergangenen beiden Jahren an Max Kruse und dessen Form. Kohfeldt bereitete schon in der Vorsaison alternative Lösungsmöglichkeiten vor, verstärkte das Spiel über die Flügel und nahm Werder etwas den kompletten Zentrumsfokus. Zu Milot Rashica kamen im Sommer Martin Harnik, Claudio Pizarro, Yuya Osako und Davy Klaassen dazu, die in verschiedenen Rollen und Positionen Kruse unterstützen und den Kapitän entlasten können. Die offensivorientierten Spieler bekommen nicht nur auffällig viele, sondern auch homogen verteilte Ballaktionen, jeder ist eingebunden und gefordert und kein Spieler in eigem Angriff „tot“, also nicht anspielbar. Konkret lässt sich das auch an der Zahl der Torschützen festmachen: Werders elf Saisontore verteilen sich nach sechs Spieltagen schon auf acht verschiedene Schützen (plus ein Stuttgarter Eigentor)
Werder hat sich im Spiel mit dem Ball auf den für den Gegner am schwersten zu verteidigenden Korridor als primäres Angriffsziel verständigt – und dafür die entsprechenden Spieler in seinem Kader. Entweder rücken die Achter in ihrer Halbspur nach vorne und besetzen den Raum zwischen den gegnerischen Linien oder aber die Flügelspieler rücken ein und übernehmen diesen Part. Werder hat in dem Bereich fast permanent eine Anspielstation, um die Angriffe ins Zentrum oder über den Flügel weiterzuentwickeln. Die großen Vorteile: Aus dem Halbraum kann sich der Spieler am Ball in beide Angriffsrichtungen bewegen, hat nicht die Seitenlinie als einengendes Element und nicht den in der Regel sehr stabilen Verteidigungsblock des Gegners im Zentrum zu umspielen. Dazu sind die Passwege in diesen Bereich hinein leichter, weil diagonal zu spielen. Der Gegner kann sich nicht nur vertikal oder horizontal bewegen, sondern muss anspruchsvoller verschieben, was im Idealfall andere Passwinkel für Werder öffnet.
Die gelernte Besetzung der Offensivräume erleichtert der Mannschaft fast automatisch auch die Ballzirkulation und damit das Positionsspiel. Die eingeschliffenen Abläufe der Laufwege, das Kurzkommen und die gleichzeitigen Tiefenläufe der Angreifer, bieten zum einen dem Passgeber mehr Optionen und zum anderen dem Passempfänger einen Tick mehr Raum und Zeit. Werder spielt sich dabei meist mit kurzen Ablagen und Dreieckskombinationen auch durch enge Räume, kann auch Gleichzahl- oder Unterzahlsituationen lösen und bekommt eine neue Qualität der Ball- und Passsicherheit hin, die das Spiel fast immer flüssig aussehen lässt.
Auf die Abgänge im Mittelfeld von Zlatko Junuzovic und Thomas Delaney hat Werder mit dem Zukauf von spielstärkeren Spielern reagiert. Junuzovic und Delaney waren beide sehr laufstark und direkt in ihrem Spiel. Mit Osako in seiner Funktion als Flügelangreifer und Sahin als Sechser ersetzen ganz andere Spielertypen die Stärken von Junuzovic, Klaassen ist als (strategischer) Verbindungsspieler jetzt schon ein Glücksfall für die Mannschaft. Werders Spiel ist nicht mehr so sehr geprägt von großem Laufaufwand und einem eher weiträumig angelegten Offensivspiel. Vielmehr kommt die Mannschaft mit ihren neuen Spielertypen mehr denn je über den Ballbesitz und das Kurzpassspiel.
Werder spielt sich gut und sauber durchs Übergangsdrittel, hat dann aber immer noch Probleme, aus seiner guten Struktur auch Druck in die Tiefe zu erzeugen und ist vor dem Tor noch eine Spur zu umständlich. Dazu kommt eine ausbaufähige Chancenverwertung, die unter anderem aber auch dem Umstand geschuldet ist, dass Werder auf einen klaren Stoßstürmer und demnach eine permanente Strafraumpräsenz zugunsten der Verbindungen ins Mittelfeld weitgehend verzichtet.
Werder-Spiele unter Kohfeldt sind in der Regel in beide Richtungen riskante Veranstaltungen. In 32 Pflichtspielen als Cheftainer hielt die Mannschaft erst fünfmal überhaupt die Null. In dieser Saison gab es in allen Bundesligaspielen und im Pokal gegen Worms immer mindestens ein Gegentor. Hier hat sich also kaum etwas verändert – in Zukunft sollte Werder aber nicht in jedem Spiel mindestens zwei Tore schießen müssen für einen Sieg.
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