
Vier personelle Wechsel nahm Werder-Trainer Florian Kohfeldt im Vergleich zum Pokalspiel gegen Heidenheim vor: Theo Gebre Selassie, Ömer Toprak, Nuri Sahin und Yuya Osako ersetzten Michael Lang, Sebastian Langkamp, Philipp Bargfrede und Joshua Sargent. Die Gäste aus Freiburg wechselten auf zwei Positionen, überraschten aber vor allen Dingen mit einer in dieser Saison selten gesehenen Grundformation: Christian Streich schickte seine Mannschaft nicht mit der gewohnten Dreierkette aufs Feld, sondern in einem flachen 4-4-2.
Werder begann mit dem Ball im 4-4-2 mit der Raute im Mittelfeld, gegen den Ball zunächst aber mit einer Fünferkette und dann im 5-2-3. Sahin bewegte sich dafür zwischen die Innenverteidiger, während Davy Klaassen und Maximilian Eggestein die Doppel-Sechs gaben. Ein typischer Bremer Angriff brachte die schnelle Führung. Vier Angreifer banden vier Freiburger Defensivspieler an der Mittellinie bei Jiri Pavlenkas Anspielen, durch die gestreckte und im Zentrum entblößte Freiburger Formation schoss Milos Veljkovic einen überragenden Pass auf den zurückfallenden Osako, der schnell auf Milot Rashica spielte und diesen in die gewünschte Eins-gegen-Eins-Situation brachte.
Werder stellte in der Folge seine Formation gegen den Ball von der Fünferkette auf ein 4-4-2 um und war in den Minuten nach der Führung in zwei, drei Umschaltmomenten sehr gefährlich. Mit dem aberkannten Treffer von Roland Sallai kam allerdings ein Bruch ins Bremer Spiel. Freiburg hatte bis dahin mit dem hohen Pressing der Gastgeber zu kämpfen, nun ließ sich Robin Koch aber immer öfter zum Dreieraufbau fallen, während sich Janik Haberer hinter den beiden Bremer Spitzen anspielbar machte und relativ ungehindert aufdrehen konnte.
Werders Zugriff ging nach und nach verloren und spätestens mit dem Ausgleich durch Nils Petersen hatten die Gäste die Partie völlig unter Kontrolle. Über Haberer löste Freiburg die wenigen Drucksituationen gut auf und bekam einen der Innenverteidiger frei zum Andribbeln. Durch den in den Halbraum eingerückten Achter war dann Platz da für die nachschiebenden Außenverteidiger, die in der Folgeaktion wieder ins Zentrum zogen oder spielten. Werders Abwehrspieler wurden durch die Freiburger Angreifer gebunden und konnten nicht einfach ohne Absicherung aus ihrer Formation herauspreschen.
So kam Freiburg einige Male in die torgefährlichen Zonen, erzeugte paradoxerweise aber kaum echte Torgefahr - auch weil Werder an sich die potenziellen Zuordnungs- und Zuständigkeitsprobleme in der letzten Linie gut in den Griff bekam. Trotzdem blieb der Eindruck, dass Werder die Halbzeitpause vor einem zweiten Gegentreffer rettete. Freiburg ist an sich keine Mannschaft, die gesteigerten Wert auf Ballbesitz und längere Ballzirkulationen legt, hatte aber sowohl deutlich mehr Ballbesitz als auch Pässe gespielt als Werder.
Kohfeldt reagierte zur Pause und fand die richtige Lösung. Im 5-3-2 ging es für Werder weiter, was einige Vorteile mit sich brachte: Freiburgs Außenverteidiger konnten von den Flügelverteidigern früher aufgenommen und gestellt werden, dazu konnten Gebre Selassie und Leonardo Bittencourt ihrerseits mehr Druck nach vorne machen. Und für Pavlenkas lange Schläge über das Freiburger Zustellen im Pressing oder bei Spielverlagerungen gab es mit Gebre Selassie nun einen höher stehenden klaren Zielspieler, der Kopfballduelle gewann.
Werder konnte in der Defensive mit der zusätzlichen Absicherung nun mutiger nach vorne verteidigen und früher Druck auf Freiburg aufbauen, was zu einigen guten Ballgewinnen schon im Mittelfeld führte. Gegnerische Konter gab es dank des sauberen Durchschiebens und der guten Angriffsstruktur im Ballbesitz gar keine mehr. Werder hatte das Zentrum mit den drei zentralen Mittelfeldspielern Sahin, Davy Klaassen und Maximilian Eggestein im Griff und damit recht schnell auch die Partie. Die erneute Führung war die logische Konsequenz und kam den Freiburgern zuvor, die im Begriff waren, ebenfalls auf Fünferkette umzustellen, um den Druck etwas rauszunehmen.
Die Umstellung folgte dann unmittelbar nach dem Rückstand, als Mike Frantz' eingewechselt wurde. Freiburg brachte nun ebenfalls wieder mehr Druck über die Flügel zustande und hatte mit Frantz einen Sechser, der die Angriffe mit durchlief und rund um den gegnerischen Strafraum aufkreuzte. Die Gäste wurden deshalb punktuell immer wieder gefährlich. Auf der anderen Seite blieben Werder die Konter und die Gewissheit, sich durch das sehr starke Gegenpressing auch tief in der gegnerischen Hälfte mal für längere Zeit festsetzen zu können. Allerdings verpassten es die Gastgeber, mit dem dritten Treffer die Partie zu entscheiden. Nach den Chancen für Bittencourt und Toprak begann eine wilde und aus Bremer Sicht fast unerklärliche Schlussphase.
Streich warf kurz vor dem Ende mit Chang-Hoon Kwon und Brandon Borrello zwei wuselige Dribbler ins Spiel, Kohfeldt musste nach zwei positionsgetreuen Wechseln zuvor den platten Milot Rashica durch Sebastian Langkamp ersetzen. Der Wechsel hatte auf Werders Grundordnung und die Statik im Spiel keinerlei Auswirkungen, weil schlicht nur im kleinstmöglichen Rahmen durchrotiert wurde (Langkamp als Halbverteidiger, Friedl als linker Flügelverteidiger, Bittencourt im Angriff auf der Rashica-Position) - einen deutlich größeren Effekt auf die wirren letzten Spielminuten hatte stattdessen Haberers Platzverweis.
Werder machte nun, mit einem Spieler mehr auf dem Platz, aus spiel- und individualtaktischer Sicht mehr oder weniger alles falsch: Es gab keine gesunde Staffelung in der Offensive mehr, keine hohen Anspielstationen nach Balleroberungen, um kontrolliert aufzurücken oder zumindest einen echten Kampf um den zweiten Ball anzuzetteln. Stattdessen setzten die Bremer nur noch auf unkontrollierte Befreiungsschläge, die postwendend wieder zurückkamen. Werder agierte wenig abgeklärt in der Formation und in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen, dafür machte sich ein umso hektischerer und letztlich kontraproduktiver Aktionismus breit. Einzelne Spieler tauchten mit gutem Vorsatz in Zonen auf, die bereits von einem Mitspieler besetzt waren und fehlten dann in „ihrem“ anvertrauten Raum.
Je fahriger Werder wurde, desto ruhiger bauten die Gäste trotz der knappen Zeit ihre Angriffe auf. Freiburg spielte nicht etwa wie andere Mannschaften einen langen Ball nach dem anderen in die Spitze, sondern bereitete seine Attacken gut vor - und holte die nötigen Freistöße heraus, die auch eine Mannschaft in Unterzahl gefährlich machen können. Zweimal ging das nach Günters Hereingaben gerade noch so gut, beim dritten Mal dann aber eben nicht mehr.
Werder bleibt seiner zweifelhaften Linie in der Liga treu: Der Mannschaft gelingt es einfach nicht, in allen Spielphasen und über 90 Minuten eine konstant hohe Leistung abzurufen. Das gilt für einzelne Spieler wie auch gruppen- und mannschaftstaktische Elemente. Im Ausblick auf die anstehenden Aufgaben sind das keine besonders beruhigenden Aussichten: Gladbach, Schalke oder Wolfsburg spielen gewiss nicht die Sterne vom Himmel, kommen bisher in der Summe aber deutlich stabiler daher als die Sinuskurve, die Werders Leistung derzeit zeichnet.
Bremen ohne Werder - das ist unvorstellbar! Und das Profiteam, das in der Bundesliga um Punkte und Tore kämpft, ist das Herzstück des Vereins. Auf dieser Seite gibt es News, Fotos und Videos rund um die Werder-Profis.