
Es gab eine Zeit, da dachte man, Werder würde unter Florian Kohfeldt vielleicht nie wieder ein Heimspiel verlieren. Nachdem er das Amt des Cheftrainers übernommen hatte, blieben die Bremer von November 2017 bis Oktober 2018 in 17 Pflichtspielen im Weserstadion ungeschlagen. Mit solch einer Heimserie war noch nie ein Werder-Trainer gestartet, Kohfeldt stellte den Startrekord des großen Otto Rehhagel ein, ehe Bayer Leverkusen durch einen 6:2-Kantersieg den schönen Lauf beendete. In dieser Saison hat Werder nun erneut eine Heimserie aufgestellt, doch die bietet keinerlei Anlass zur Freude. Seit sechs Bundesliga-Partien sind die Bremer im Weserstadion ohne Sieg, der letzte Erfolg war das 3:2 gegen Augsburg Anfang September 2019. Danach holte Werder in der Liga nur noch zwei Punkte in den Heimspielen (gegen Hertha und Freiburg), dazu kam der 4:1-Erfolg im Pokal über Zweitligist Heidenheim. Mit fünf Punkten aus acht Partien sind die Bremer Letzter der Bundesliga-Heimtabelle. Zum Vergleich: Auswärts holten sie zwölf Zähler aus zehn Spielen. „Es hat uns in der Hinrunde wirklich weh getan, dass wir zu Hause zu viele Punkte liegen gelassen haben, gerade nach guten Spielen und nach Führungen“, sagt Sportchef Frank Baumann dazu im Gespräch mit dem WESER-KURIER.
Trainer Florian Kohfeldt äußert sich ähnlich: „Wir haben solch einen Vorteil durch das Stadion und seine Lage. Dass das nicht zum Tragen kommt, das wurmt nicht nur mich, sondern auch die Jungs.“ Gegen Hoffenheim steht an diesem Sonntag (15.30 Uhr) nun das erste Heimspiel des neuen Jahres an. Natürlich würden sie bei Werder gerne mit einem Sieg daran arbeiten, die Festung Weserstadion langsam wieder aufzubauen. Die Heimschwäche soll der Vergangenheit angehören. Kohfeldt fordert: „Wir wollen das Zusammenspiel mit den Fans nutzen und trotz der schlechten Ergebnisse in der Hinrunde mit dem Selbstverständnis ins Stadion gehen: Hier nimmt niemand etwas mit! Das ist unser Stadion!“ Gegnerische Mannschaften sollen bald wieder mit dem Gedanken nach Bremen kommen, dass ihnen eine ganz schwierige Aufgabe bevorsteht, hofft der Cheftrainer. Auch Baumann gibt sich kämpferisch: „Wir gehen nicht ängstlich ins Spiel, dazu besteht kein Anlass. Ich freue mich auf jedes Heimspiel im Weserstadion, natürlich auch auf das Hoffenheim-Spiel.“
Warum es in der Hinrunde einfach nicht lief im Weserstadion, können sie sich bei Werder immer noch nicht so richtig erklären. Die Verantwortlichen haben die verkorkste Hinrunde während der Winterpause ausführlich analysiert. Dabei ging es auch um die schwache Ausbeute in den Heimspielen. „Das war allerdings kein Hauptpunkt in der Analyse“, sagt Baumann. „Man kann das schwer analysieren. Es geht grundsätzlich darum, selbstbewusst in ein Heimspiel zu gehen. Und was in allen Spielen gilt, aber besonders bei Heimspielen: Man muss den Spagat schaffen zwischen defensiver Stabilität und Offensivdrang.“
Werder will grundsätzlich das Spiel machen und dominant auftreten. Im Weserstadion stehen die Gegner eher etwas tiefer und lauern auf Konter, damit hatten die Bremer in der Hinrunde oft Probleme, auch weil es ihnen in der Defensive an Geschwindigkeit mangelte. „Die Mannschaft fühlt sich wohler, wenn sie selbst etwas defensiver spielt und nicht immer das Spiel kontrolliert. Das deutete sich zumindest in den bisherigen Auswärtsspielen an“, sagt WESER-KURIER-Experte Dieter Eilts, der als Spieler im Weserstadion einst zahlreiche Heimsiege und mehrere „Wunder von der Weser“ miterlebte. Außerdem zehre die Heimschwäche an den Nerven der Spieler, glaubt er. „Vielleicht ist der Druck, den die Mannschaft sich selbst macht, einfach zu groß. Sie will unbedingt und verkrampft.“
Frank Baumann ist wichtig, dass trotz der mauen Ausbeute nicht alles miserabel war in den Heimpartien der Hinrunde. „Es lief in vielen Spielen im Weserstadion gar nicht so schlecht, die Spiele gegen Mainz und Paderborn mal ausgenommen, wobei gegen Paderborn durchaus auch ein Sieg möglich gewesen wäre“, sagt der Sportchef. „Gegen Düsseldorf haben wir zum Saisonauftakt ein gutes Spiel gemacht und verloren. Gegen Freiburg und Hertha haben wir gut gespielt und geführt, aber leider die Führung nicht ins Ziel gerettet.“ Die Zahlen allerdings sind ernüchternd: Im Durchschnitt erzielt Werder in dieser Saison zu Hause nur ein Tor pro Spiel, kassiert aber 2,4 Gegentreffer. Die letzten drei Partien im Weserstadion vor der Winterpause gingen allesamt nach schwachen Vorstellungen verloren: 1:2 gegen Schalke, 0:1 gegen Paderborn, 0:5 gegen Mainz.
In einem Punkt sind sich immerhin alle einig: An den Fans kann es nicht liegen. Selbst nach dem Debakel gegen Mainz gab es nur vereinzelte Pfiffe, die Ostkurve spendete den Werder-Profis sogar aufmunternden Applaus. Solch ein geduldiges und leidensfähiges Publikum wie in Bremen gibt es in der Bundesliga kein zweites Mal. Angst davor, gnadenlos ausgepfiffen zu werden, muss kein Spieler haben. Eigentlich könnte die Mannschaft also befreit in die Heimspiele gehen. Trainer Kohfeldt lobt die Fans gerne dafür, dass sie „ein sehr gutes Gespür dafür haben, wann sie uns im Spiel helfen müssen.“
Umso schwieriger ist die aktuelle Heimschwäche zu erklären. Am besten sollten sich die Spieler bei allem Druck und aller Verkrampfung Claudio Pizarro mit seiner besonderen Lockerheit zum Vorbild nehmen. Bei der Sturmlegende, die im Weserstadion die schönsten und größten Schlachten erlebte, ist vor dem ersten Heimspiel der Rückrunde ausschließlich Vorfreude auf das volle Weserstadion zu spüren. Pizarro sagt: „Die Fans waren immer für uns da. Darauf war in Bremen immer Verlass. Ich hoffe, sie werden uns weiter so super unterstützen. Ich freue mich riesig auf dieses Heimspiel gegen Hoffenheim, denn die Mannschaft ist nach dem Sieg in Düsseldorf jetzt in einer guten Verfassung. Wir werden ein gutes Spiel machen – und wir werden gewinnen. Da bin ich mir sicher.“
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