
Sein markantes Idiom und die Sprachgeschwindigkeit haben Joachim Löw verraten. Neulich referierte Löw über ausgebootete Spieler und frische Ideen und irgendwann kam er konkret auf neue Spielinhalte seiner Mannschaft zu sprechen. Es ging um Tempoaktionen, mehr Direktheit, Geschwindigkeit, Ballbesitz und Dominanz. Alles Dinge, die man ähnlich schon sehr oft von Werder-Trainer Florian Kohfeldt gehört hat.
Ganz sicher saß da aber der Bundestrainer auf dem Podium. Löw hat einen Neustart der Nationalmannschaft ausgerufen, mit innovativen Elementen und unverbrauchten Spielern. Nach der missratenen WM traute sich Löw den sauberen Schnitt nicht zu, hoffte stattdessen auf eine „Trotzreaktion“ der etablierten Spieler. „Dass man Spieler aussortieren muss, hat sich nicht angedeutet“, musste Löw nun ein halbes Jahr später dann doch erkennen. Jetzt müssten eben andere in die Verantwortung hineinwachsen.
Maximilian Eggestein kann der Bundestrainer damit noch nicht gemeint haben. Eggestein wird hineinschnuppern in diese neue Welt, vielleicht bekommt er im Testspiel gegen Serbien am Mittwoch (20.45 Uhr) auch seine ersten Spielminuten und ist dann offiziell Werders nächster deutscher Nationalspieler. Eine tragende Rolle dürfte Eggestein vorerst aber noch nicht bekleiden – in den kommenden Jahren dagegen durchaus. Er hat einen günstigen Zeitpunkt erwischt, um bei der Nationalmannschaft vorstellig zu werden. Eggestein wird eine echte Chance bekommen in einem Team auf der Suche nach einer neuen Identität. Dutzende seiner Vorgänger als Neulinge hatten dieses Glück nicht.
Löw will die Nationalmannschaft variabler ausrichten, will weg vom Dogma des totalen Ballbesitzfußballs, mit dem Deutschland bei der WM scheiterte. Die Spiele in der Nations League gegen Frankreich und die Niederlande haben einen ersten Vorgeschmack geliefert. „Grundsätzlich werden Ballbesitz und Dominanz weiterhin Bausteine unserer Philosophie sein“, sagte Löw, fügte aber sogleich hinzu: „Wir brauchen mehr Dynamik, Zielstrebigkeit, Schnelligkeit. Das Spiel bei der WM war sehr geprägt von einer Langsamkeit.“
Löw geht deshalb weg vom jahrelang erlernten 4-2-3-1 mit zwei klaren Sechsern und einem Zehner davor. Er stellt sich für die Zukunft als tragende Grundordnung ein 4-3-3 vor, wie es auch Werder praktiziert. Mit einer ähnlich gemischten Spielausrichtung wie bei Werder: Nicht nur im Ballbesitz sein, sondern auch mal kontern, abwartend agieren und die Räume nicht über den eigenen, sondern den Ballbesitz des Gegners öffnen.
Im 4-3-3 gibt es zwei neue Planstellen auf den Halbpositionen. Das sind gute Aussichten für Eggestein, der definitiv keiner dieser Spieler ist, die Löw in der letzten Dekade einfach mal so zum Testen eingeladen hatte. Es gibt eine Spielposition, die Eggestein kennt und auf der er einer der besten Spieler des Landes ist. Löw benötigt für seine Spielgedanken auch die entsprechenden Umschalt- oder Verbindungsspieler. Spieler also, die sich von Strafraum zu Strafraum bewegen, durch ihr Freilaufverhalten und im Passspiel raumgreifend agieren, ebenso kreativ wie robust sind und Torgefahr ausstrahlen. Spieler wie Maximilian Eggestein. Doch die Konkurrenz ist enorm: Die Rivalen heißen Ilkay Gündogan, Leon Goretzka, Julian Brandt und Kai Havertz.
Das WM-Aus und der Abstieg aus der Nations League verdammen Löw dazu, schnell Ergebnisse zu liefern. Da bleibt in der EM-Qualifikation gegen die Niederlande am Sonntag (20.45 Uhr) kaum Platz für Experimente – und damit auch nicht für Eggestein. Nordirland, Weißrussland und Estland, die anderen Gruppengegner, dürften dagegen eher Mannschaften sein, gegen die Löw etwas ausprobiert.
Bremen ohne Werder - das ist unvorstellbar! Und das Profiteam, das in der Bundesliga um Punkte und Tore kämpft, ist das Herzstück des Vereins. Auf dieser Seite gibt es News, Fotos und Videos rund um die Werder-Profis.