
Der Name Max Kruse ist auch knapp neun Monate nach seinem Abschied aus Bremen noch ein Reizthema bei Werder. Zumal es angesichts der sportlichen Talfahrt natürlich Diskussionen darüber gibt, ob diese Saison mit Kruse erfolgreicher verlaufen wäre. Immerhin landete Werder mit dem Kapitän Kruse auf Platz acht, und es waren auch seine elf Tore und zehn Vorlagen, die Werder die beste Saison seit vielen Jahren bescherten.
Doch bei den Gesprächen, die zu einer Verlängerung seines auslaufenden Vertrages in Bremen führen sollten, wurden sich beide Seiten nicht einig. Wie es heißt, soll man bei der Vertragslaufzeit und bei den Gehaltsvorstellungen weit auseinander gelegen haben. Weitere ernsthafte Verhandlungen schienen aussichtlos, Kruse ließ das Bremer Angebot links liegen und wechselte schließlich ablösefrei zu Fenerbahce Istanbul. Der türkische Traditionsverein bot ihm einen sehr guten Vertrag, der bis Ende Juni 2022 datiert ist.
Kruse war in Bremen bereits der Top-Verdiener im Kader, dennoch kann eine so starke Saison im Werder-Trikot natürlich dazu verleiten, noch mehr zu wollen. Auf der anderen Seite war sich der Verein nicht sicher, ob Kruse wirklich noch zwei so starke Jahre im Tank hat, immerhin wird der Angreifer im März auch schon 32 Jahre alt. Ein Blick in die Türkei zeigt: Nach anfänglichen Schwierigkeiten kommt Kruse in Istanbul inzwischen auf sieben Tore und sieben Vorlagen in 18 Spielen, er stand in knapp 80 Prozent der Partien in der Startelf.
Beim Sport-Talk des WESER-KURIER im Café Weserstrand warb Sportchef Frank Baumann für die damalige Entscheidung, die Zukunft dann eben ohne Kruse zu planen. „Wir hätten Max sehr gerne behalten. Wir haben immer um ihn gekämpft. Schon am Anfang, damit er überhaupt zu uns kommt. Dann in jedem Sommer, dass er bleibt. Und am Ende haben wir auch wieder alles dafür getan, dass er verlängert“, betonte Baumann, „aber er wollte dann etwas anderes machen, und deshalb gab es nicht wirklich noch große Verhandlungen. Er wollte sich eine neue Herausforderung suchen und dort natürlich auch mehr Geld verdienen. Da ist er dann sehr klar in seiner Haltung. Wenn er sagt, er sieht das hier nicht mehr für sich – dann ist er konsequent und zieht das durch.“
Es sei zwar nur „ein Randaspekt“ bei der Kruse-Diskussion, so formulierte es Werders Sportchef, dennoch brachte Baumann auch diesen Punkt ein, der auf eine enorme Gehaltserhöhung des Spielers abzielt: „Es wird ja oft darüber gesprochen, ob sich der Fußball ein Stück weit von den Fans verabschiedet, auch wegen der hohen Gehälter. Und jetzt sagt man plötzlich: Gebt ihm, was er will, Hauptsache ist, ihr gebt es ihm?“ Das sei ihm zu einfach, erklärte Baumann.
Man merkt Werders Sportchef an, dass ihm nicht gefällt, wie die Diskussionen um den Kruse-Abschied vielerorts verlaufen. „Wir haben nicht unterschätzt, welchen Wert er in der Mannschaft hatte. Wir haben auch immer betont, was für ein wichtiger Spieler er für uns ist. Er war einer der Unterschiedsspieler in der Bundesliga, der ein Spiel prägen konnte“, sagte Baumann, „wir wurden für seine Verpflichtung aber auch ein wenig kritisiert, nach dem Motto: Wie könnt ihr denn so einen holen!?“ Nach Kruses Zeit in Bremen sei dessen Image plötzlich besser. „Natürlich hat jeder in Bremen sehen können, was für ein guter Fußballer Max ist. Aber mal ganz ehrlich: Er wurde in den letzten Jahren auch heftig attackiert: zu fett, der ist nicht fit, der pokert nur, sein Lebenswandel. Wir haben ihn da immer unterstützt und geschützt, und werden jetzt gefragt, ob wir seinen Verlust unterschätzt haben. Das finde ich schon merkwürdig“, erklärte Baumann.
Über Max Kruse zu diskutieren, helfe Werder Bremen in der aktuellen Lage ohnehin nicht weiter. „Wir haben versucht, seinen Weggang anders aufzufangen, weil es so einen Spielertypen in der Bundesliga nirgends gibt“, sagte Baumann, „wenn wir einen Spieler mit seiner Qualität verpflichten wollten, dann sind wir wahrscheinlich in einem Bereich von 25 oder 35 Millionen, das ist für uns einfach nicht machbar.“ Mit Blick auf die heutige Offensive im Kader sprach Baumann im Konjunktiv: „Wenn unsere Jungs gesund und in Form wären, dann hätten wir eine sehr gute Offensive.“ Daran müsse man bei Werder nun arbeiten, „dass die Jungs ihre Qualitäten zeigen“.
Baumann ging dabei auch ein paar Namen durch: „Niclas Füllkrug, der leider verletzt ist, bringt ganz andere Qualitäten mit, und Milot Rashica ist auch kein ganz blinder Stürmer. Yuya Osako ist durch seine schwere Verletzung leider aus dem Tritt gekommen, hat seine Qualität aber auch schon gezeigt. Und wir wollten natürlich Josh Sargent weiterbringen. Denn auch dafür stand Werder immer, dass wir nach dem Weggang eines Topspieles jungen Spielern aus dem eigenen Verein den nächsten Schritt ermöglicht haben.“
Interessant war auch, wie Baumann beim Sport-Talk des WESER-KURIER in der Bremer Innenstadt über die zwei Kruses sprach, die Werder erlebte. Den normalen Spieler. Und dann den Kapitän. Natürlich habe Kruse auf dem Platz immer eine wichtige Rolle gespielt und in seinem letzten Jahr als Kapitän eine bedeutende Rolle eingenommen. „Davor war Max in der Kabine nicht wirklich ein Faktor. Denn er ist ein Individualist, der in der Kabine, etwas überspitzt gesagt, sich hauptsächlich um sich gekümmert und sein Image ein Stück weit gepflegt hat. Aber er hatte nicht den großen Einfluss in der Kabine“, berichtete Baumann, „erst als er Kapitän wurde, was von vielen übrigens kritisch gesehen wurde, hat sich das natürlich geändert. Er hat dann auch wichtige Rückmeldungen aus der Mannschaft gegeben und ist mal zum Athletiktrainer oder zum Cheftrainer gegangen und hat gesagt, dass man vielleicht die Belastung etwas verändern muss.“ Die zu heftige Trainingsbelastung in der aktuellen Saison, der ersten nach Kruse, wurde von Werder intern als ein Grund für die vielen Probleme ausgemacht.
Diese Saison zeigte jedoch auch: Ohne Kruse tut sich Werder schwer, bei eigenen Angriffen ins letzte Drittel zu kommen. Denn es war vor allem der Ex-Kapitän, der mit seiner Cleverness und Klasse viele offensive Aktionen selbst einleitete, oft ließ er sich dafür tief ins Mittelfeld fallen. Um vor allem gegen tief stehende Gegner bessere Lösungen zu finden, muss Werder an der perfekten Kruse-Nachfolge noch basteln. Wohl auch im nächsten Transferfenster im Sommer. „Natürlich müssen wir unser Offensivspiel verbessern. Und zwar schnell“, sagte Baumann mit Blick auf die nächsten Spiele, „dazu braucht es Automatismen, und dazu braucht es Selbstvertrauen, das uns im Moment auf dem Platz fehlt.“ Ein Selbstvertrauen, für das Kruse immer stand. Die jetzigen Spieler könnten auf dem Platz ganz einfach dafür sorgen, dass die Kruse-Diskussionen nicht mehr geführt werden. Bisher ist ihnen das nicht gelungen.
Bremen ohne Werder - das ist unvorstellbar! Und das Profiteam, das in der Bundesliga um Punkte und Tore kämpft, ist das Herzstück des Vereins. Auf dieser Seite gibt es News, Fotos und Videos rund um die Werder-Profis.