
homas Eichin und Rouven Schröder sagen, sie seien sehr überrascht gewesen von der Nachricht, mit der Tim Borowski am Dienstag zu ihnen gekommen ist. Der Sportliche Leiter der U 23 hat Werder verlassen – mit sofortiger Wirkung. Offiziell „aus persönlichen Gründen“. Borowski hatte den Job erst im Sommer übernommen. Seitdem ist also offenbar einiges anders gelaufen, als er sich das gedacht hatte.
Als klar war, dass Borowski nach seiner Zeit als Management-Trainee bei Werder die Verantwortung für die U 23 übernehmen würde, schwärmten viele im Klub. Die Beförderung des früheren Profis sei „ein starkes Statement für die Bedeutung unseres Talentförderungskonzepts und die angestrebte Durchlässigkeit aus dem Leistungszentrum und der U 23 in den Profi-Bereich“, sagte Sportdirektor Rouven Schröder damals. Marco Bode, Chef des Aufsichtsrats kommentierte: „Mit dieser Entscheidung stärken wir die Rolle der U 23 auf dem Weg vom Nachwuchs-Leistungszentrum zu den Profis.“ Geschäftsführer Thomas Eichin sagte: „Mit Tim Borowski setzen wir unseren Werder-Weg fort.“
Und jetzt? Warum ist Borowskis neuer Werder-Weg jetzt, nach so kurzer Zeit, schon wieder zu Ende? Mit Alexander Nouri und Thorsten Bolder, den Trainern der U 23, soll er sich gut verstanden haben, wie zu hören ist. Borowski selbst mochte all die Fragen nicht aufklären. Der frühere Fußballprofi und nun auch frühere U 23-Chef teilte auf Anfrage mit, er wolle sich vorerst nicht äußern. Eichin sagte nur: „Wir akzeptieren seine Entscheidung.“ Borowskis Stelle, so berichtete der Geschäftsführer, „wird nicht extern neu besetzt. Das werden Rouven Schröder und ich intern lösen.“ Heißt: Der Job, den Borowski zuletzt gemacht hat, den machen seine Vorgesetzten künftig halt mit. Schröder sagte: „Es gilt jetzt, nach vorne zu schauen.“
Mit der Tatsache, dass Viktor Skripnik einige Werder-Talente von den Profis vorerst zurück zur U 23 beordert hat, soll Borowskis Abschied dem Vernehmen nach nichts zu tun haben. Am Mittwoch fehlten bei den Übungseinheiten des Bundesligateams Levent Aycicek (21) und Marnon Busch (20), Florian Grillitsch (20) und Luca Zander (20), Julian von Haacke (21) und Maximilian Eggestein (18), Melvyn Lorenzen (20) und Oliver Hüsing (22). Sie trainieren zumindest bis Ende kommender Woche in Werders Reserve. „Das soll aber keine Bestrafung sein“, betonte Sportdirektor Schröder. Es sei auch keineswegs so, dass sein Verein nun den oft beschworenen Werder-Weg verlasse: „Wir haben uns bewusst für diesen Weg entschieden, und der ist nun mal steinig.“ Die Rückstufung vom Erstliga- in den Drittliga-Kader solle bei allen Spielern „die Sinne schärfen für die englischen Wochen“. Werders Profiteam spielt am Sonnabend zu Hause gegen den FC Ingolstadt und tritt am Dienstag bei Darmstadt 98 an. Die U 23 gastiert am Sonnabend beim VfB Stuttgart II und spielt am Dienstag zu Hause gegen die Würzburger Kickers. Für diese Partien wolle der Klub in beiden Teams klar definierte Trainingsgruppen haben, so Schröder.
Doch offensichtlich waren die Verantwortlichen im Verein schon verärgert darüber, wie sich die Talente zuletzt präsentiert haben. Schröder deutete das nur an, als er sagte: „Die Leistungen müssen halt stimmen.“ Am vergangenen Wochenende, beim 0:4 gegen die SG Sonnenhof Großaspach, stimmten sie überhaupt nicht – obwohl etliche Spieler dabei waren, die in die Bundesliga streben. Werder steht in der dritten Liga auf dem letzten Tabellenplatz, und manch ein Verantwortlicher dürfte sich fragen, wie das zusammenpasst: dass einige ihrer Spieler von einer großen Karriere träumen – aber im Klein-Klein des unterklassigen Alltags nicht zurechtkommen. Talente, die in der U 23 so wenig überzeugen, die können sie schlecht einem Profi vor die Nase setzen.
Wahrscheinlich ist das, was da passiert, ganz normal. Werders Talente sind nun mal keine Überflieger. Sie haben alle Potenzial, aber der Klub kann nur hoffen, dass ein paar von ihnen sich irgendwann mal in der Bundesliga etablieren. In den nächsten Tagen ist ihnen der Weg dorthin erst mal versperrt – es sei denn, ein, zwei Profis verletzen sich und fallen aus. Dann kann alles schon wieder anders sein. Dann macht eines der Talente vielleicht plötzlich doch Karriere in dem Klub, in dem Tim Borowski nun keine Karriere mehr machen will.