
Bremen. Das Beispiel Levent Aycicek sollte jungen Fußballern als Warnung genügen, wie es auf dem scheinbar sicheren Weg zum Profi laufen kann. Der 17 Jahre alte Nachwuchs-Spielmacher von Werder Bremen galt einigen in Bremen bereits als Zukunft des Vereins. Seit den glorreichen Zeiten mit Johan Micoud, Diego und Mesut Özil lechzt man in der Stadt nach einem Edel-Kicker, der im Mittelfeld das Werder-Spiel lenkt. "Es macht einfach viel Spaß, ihm beim Kicken zuzugucken. Er gehört zu den Spielern, die nicht über ihre Stärke sprechen müssen, sie zeigen einfach, was sie können", schwärmt Werders Ex-Profi Uwe Harttgen, der jetzt das Nachwuchsleistungszentrum des Clubs leitet, über Levent Aycicek.
Der Deutsch-Türke scheint das Potenzial für eine große Karriere zu haben. Im Sommer beeindruckte der Youngster in drei Testspielen bei den Profis deren Trainer Thomas Schaaf und Sportchef Klaus Allofs. Das Riesentalent hatte gerade Werders B-Jugend zur Vize-Meisterschaft geführt und war mit der U17 des Deutschen Fußball-Bundes bei der EM Zweiter und bei der WM Dritter geworden.
Dann riss das Kreuzband. Der Traum von der schnellen Profi-Karriere war vorerst geplatzt. Die Verletzung war ein Schock. "Mir war sofort klar, dass da etwas Schlimmes passiert ist", sagt Aycicek. Die Zukunft war doch schon geplant. Längst trainierte der 17-Jährige wie ein Profi. Doch immer mehr junge Spieler fallen auf ihrem Weg nach oben verletzt aus. Werden sie im täglichen Training überfordert? "Ob da ein direkter Zusammenhang besteht, ist noch nicht klar", sagt Werders Nachwuchs-Chef Harttgen. "Aber es gehört ja mittlerweile praktisch mit dazu, nur selten kommen Spieler oben an, die noch nicht schwerer verletzt waren."
Auch der nur 1,69 Meter große Wirbelwind soll sich keine Sorgen machen. Werder sorgte sich schnell um das Talent. "Bei einer schweren Verletzung fühlt sich ein Spieler schnell außen vor", erklärt Harttgen, der in seiner Karriere selbst mit diversen Verletzungen zu kämpfen hatte. "Man gehört plötzlich nicht mehr richtig dazu."
Früher bedeutete ein Kreuzbandriss bei einem Jugendlichen schnell das Ende der Karriere, bevor diese überhaupt angefangen hatte. Mittlerweile nehmen die Vereine ihre Fürsorge-Pflicht sehr ernst. Auch Werder war sofort nach der Verletzung zur Stelle. Schon am Tag danach flog Aycicek nach München, um sich bei einem Spezialisten das Knie flicken zu lassen. Nach einer Woche begann die Reha. Teile der Einheiten konnte er aber während der Arbeitszeit absolvieren. Derzeit ist Aycicek eigentlich ein ganz normaler Jugendlicher, der eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann macht. Eigentlich. Denn Aycicek arbeitet bei Werder. Und ist damit doch privilegiert.
Zur Berufsschule wird er mit dem Taxi chauffiert. Ausfälle in der Schule können mit einem engagierten Nachhilfe-Lehrer aufgearbeitet werden. Schon im Frühjahr unterschrieb er bei Werder einen Vertrag bis 2015. Ihn beschäftigt nur die Frage, wann er wieder spielen kann. Von sieben Monaten Pause ist die Rede, die Saison dürfte gelaufen sein. Doch danach soll er durchstarten - mit einem Jahr Verspätung.