An diesem Wochenende bekommt die Hauptstadt-Region einen neuen Flughafen. Der BER nimmt offiziell seinen Betrieb auf und wird dafür sorgen, dass Berlin und Brandenburg in den nächsten Jahrzehnten national und international gut angebunden sind. Das Interesse an der Eröffnung ist gleichwohl bescheiden, was nicht nur daran liegt, dass wegen der Pandemie die Zahl der Flugziele und Passagiere arg geschrumpft ist.
Ein Vierteljahrhundert nach der politischen Grundsteinlegung 1996, fast ein Jahrzehnt nach der skandalösen Last-Minute-Absage 2012, nach unzähligen Pannen und kaum noch zählbaren Mängeln ist ein Grad der Abstumpfung erreicht, der in Desinteresse umgeschlagen ist.
Eröffnet wird jetzt ein ziemlich verkorkster Zweckbau, dem man ansieht, dass er noch im vergangenen Jahrtausend geplant wurde. Der Großflughafen, einst als der modernste Europas angepriesen, wirkt heute bereits wie in die Jahre gekommen.
Die peinlichste Dauerbaustelle der Republik hat das Vertrauen in deutsche Ingenieurskunst, in Geschäftsführer und in Aufsicht führende Politiker schwer beschädigt. Der BER ist und bleibt ein tragisches Projekt. Jetzt, wo der Airport endlich betriebsbereit ist, erscheint er angesichts des dramatischen Passagierrückgangs viel zu groß. Jahrelang wurde dagegen kritisiert, dass die Kapazitäten schon bei der Eröffnung viel zu gering sein werden. Das deshalb für die Billig-Airlines errichtete Terminal 2, das sogar rechtzeitig fertiggestellt wurde, bleibt nun vorläufig geschlossen.
Die bislang tiefste Krise der Luftfahrt hat die Löcher in den Kassen der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes noch weiter aufgerissen. Haben sich die Baukosten für die Steuerzahler in den Jahren des Missmanagements um mehr als das Dreifache auf mehr als sieben Milliarden Euro summiert, bleibt der BER auch nach der Inbetriebnahme ein Sanierungsfall. Und es ist kein Trost, dass dieses Pannenprojekt in dieser Hinsicht kein Alleinstellungsmerkmal aufweisen kann. Bei der Hamburger Elbphilharmonie verzehnfachten sich die Baukosten für die öffentliche Hand. Für das Bahnprojekt Stuttgart 21 waren mal 2,8 Milliarden Euro angesetzt – inzwischen ist die Planungs- und Bausumme auf 8,2 Milliarden Euro angewachsen.
Doch beim BER kommt noch dazu, dass schon der Standort eine politische Fehlentscheidung war. Statt dem Ergebnis des Raumordnungsverfahrens zu folgen und den Großflughafen in Sperenberg, gut 50 Kilometer südlich von Berlin, zu errichten, werden nun erneut Hunderttausende Anlieger im dicht besiedelten Umland und am Stadtrand vom Fluglärm geplagt. Mehr als 750 Millionen Euro mussten rings um Schönefeld allein für den Schallschutz bereitgestellt werden; einen Rund-um-die Uhr-Betrieb wird es am BER nicht geben.
Wer will, kann auch darüber hinaus aus den zahlreichen Fehlern viel lernen. Das beginnt mit einer detaillierten Planung in der Genese des Projekts. In der Bauphase kann es im Chaos enden, wenn Politiker mit Nachträgen, Umbauten und immer neuen Änderungswünschen die Planer überfordern. Sparen an der Bauaufsicht ist ebenso fatal wie das Fehlen von zeitlichen und finanziellen Puffern. Politisch viel zu niedrig angesetzte Baukosten sollen Wähler von dem Vorhaben überzeugen – doch spätestens, wenn die avisierten Beträge sich verdoppeln, führen sie zu einem Glaubwürdigkeitsverlust.
Über Risiken, die mit komplexen Bauten stets verbunden sind, sollte rechtzeitig informiert werden – und nicht erst, wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist. Dies gilt erst recht für Zeitpläne, die beim BER so oft über den Haufen geworfen werden mussten, bis sie niemand mehr ernst nahm – jedenfalls bis Engelbert Lütke Daldrup das Steuer übernahm. Der Flughafenchef, ein erfahrener Ingenieur, nahm sich nicht nur Zeit, sondern beschäftigte sich auch so akribisch mit den Details des Desasters wie niemand vor ihm. Seine Standardantwort auf die bohrenden Fragen nach einem konkreten Starttermin gilt auch nach der Eröffnung: Ein Flughafen sei nie fertig. Im Gegensatz zur erst gehassten und längst von den Hamburgern geliebten „Elphi“ wird der BER-Funktionsbau niemals mit derartigem Stolz gefeiert werden. Doch viele im Osten Deutschlands werden künftig trotzdem froh sein, dass es ihn gibt.