Die Angst vor Krieg hat zugenommen, abgenommen hat die Furcht vor Wirtschaftsproblemen und Arbeitslosigkeit: Die Ängste der Deutschen sind laut einer Studie in fast allen Bereichen zurückgegangen.
Bilder von rollenden Panzern in der Ukraine, blutigen Kämpfen in Syrien oder Ebola-Kranken in Westafrika beherrschen die Nachrichten. Doch auf die konkreten Ängste der Deutschen haben sie offenbar wenig Einfluss: Die Menschen hierzulande geben sich insgesamt entspannt wie seit 20 Jahren nicht mehr. „Die Deutschen sind in einem Stimmungshoch“, sagt Rita Jakli von der R+V-Versicherung, die seit 1992 rund 2400 Bürger nach ihren größten wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Ängsten befragt und nun in fast jedem Bereich einen Rückgang der Sorgen beobachtet.
Das Vertrauen in die Wirtschaftskraft Deutschlands ist wieder gewachsen, die Angst vor Arbeitslosigkeit vor allem im Westen gesunken. Doch trotzdem ist da etwas, das mehr als die Hälfte der Menschen weiterhin umtreibt: die Sorge, dass angesichts steigender Lebenshaltungskosten nicht genug im Portemonnaie bleibt, und die große Furcht vor dem, was kommt, wenn Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit nahen. Sind diese Sorgen im Vergleich zu anderen europäischen Staaten angebracht und realistisch? Passende Studien aus anderen Ländern fehlen. In Deutschland sei aber deutlich die Sorge ums Geld besonders ausgeprägt, während man im Streben nach sozialer Sicherheit auf Augenhöhe mit skandinavischen Ländern, den Niederlanden, Belgien und Frankreich stehe, sagt der Politologe Professor Manfred Schmidt von der Universität Heidelberg. Vor allem Ersteres sei wohl auch historisch bedingt: Erfahrungen der Hyperinflation in der Weimarer Republik und der Währungsreform 1948 säßen tief.
Im Stimmungshoch
Dennoch: „Die Deutschen sind kein Volk von Angsthasen, sondern reagieren mit berechtigter Sorge auf aktuelle Ereignisse und Probleme“, betont Schmidt. „Die meisten Ängste sind wirklichkeitsnahe Reaktionen auf die Top-Themen der Politik und der öffentlichen Debatte.“
So seien im vergangenen Jahrzehnt nicht nur die Preise für Strom, Kraftstoffe oder Nahrungsmittel um bis zu 70 Prozent gestiegen, sondern dem Einzelnen bleibe auch durch höhere Steuern, Sozialabgaben und Umlagen für Umweltschutz weniger Bares. Hinzu kommt die Angst vor schwerer Krankheit und Pflegebedürftigkeit, und die ist vor allem weiblich. „Frauen haben wegen ihrer höheren Lebenserwartung auch ein viel höheres Pflegerisiko. Außerdem tragen sie bei der häuslichen Pflege in der Regel die Hauptlast und wissen deshalb, wie nervenaufreibend und kostspielig die Situation ist“, sagt Jakli.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wertet das als Zeichen für mangelndes Vertrauen in die neue Pflegereform. „Es ist eine Katastrophe, dass die Angst der Menschen vor Pflegebedürftigkeit genauso groß ist wie vor Naturgewalten“, sagt Stiftungsvorstand Eugen Brysch.
Real begründet ist auch das erneute Auseinanderdriften im Lebensgefühl zwischen Ost und West: Die Angst vor Jobverlust ist im Osten Deutschlands deutlich höher. „Ein Blick in die Arbeitslosenstatistik vom Juli zeigt, dass diese Angst begründet ist“, sagt Jakli. Während im Osten fast jeder Zehnte arbeitslos war, lag die Quote im Westen bei nur knapp sechs Prozent.
Und auch wenn die Ukraine und Syrien weit weg scheinen: Leichte Zuwächse gab es auch bei der Angst vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung. Gut ein Drittel der Deutschen fürchtet dies.
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