„OTB bietet eine große Chance“
Die Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen Häfen hat in der vergangenen Woche den geplanten Bau des Offshore Terminals Bremerhaven (OTB) in Frage gestellt. Mit Jens Eckhoff, Präsident der Stiftung Offshore-Windenergie, sprach Peter Hanuschke unter anderem darüber, ob die jetzigen Hafen-Kapazitäten vor allem in Niedersachsen ausreichen, um künftig den Umschlag von Offshore-Windanlagen zu gewährleisten.
Teilen Sie die Auffassung der Niedersachsen, dass der Bau des OTB nicht mehr notwendig ist?
Jens Eckhoff:
Aus niedersächsischer Sicht ist diese Sichtweise durchaus nachvollziehbar, dass man versucht, einen Mitbewerber nicht noch stärker in den Markt zu lassen. Das ist ein legitimer Vorstoß, ob er richtig ist, lasse ich mal dahingestellt sein.
Reichen die Hafen-Kapazitäten nicht aus?
Zunächst finde ich, dass man die Diskussion über Offshore-Windenergie ganz anders führen muss. Es gibt Beschlüsse, die die Bundesregierung in diesem Jahr gefällt hat, die einen Deckel beim Ausbau bis 2030 vorsehen. Die Frage, die man aus Offshore-Sicht stellen muss, ist, ob das richtig oder falsch ist. Ich glaube, die Offshore-Industrie wird in diesem und im nächsten Jahr zeigen, dass sie mehr kann als die 800 Megawatt Aufbauleistung, die von 2020 an pro Jahr durch die Bundesregierung vorgesehen sind.
Was heißt das in der Konsequenz?
Unsere Aufgabe muss es sein, bis zur nächsten Bundestagswahl deutlich zu machen, dass die Kosten für Offshore-Windparks sinken werden, dass wir noch mehr Offshore als Rückgrat der Energiewende benötigen und dass internationale Entscheidungen für Produktionsstätten in Deutschland nur dann getroffen werden, wenn eine größere Pipeline als die bisherige angestrebt wird. Deshalb greift der niedersächsische Vorstoß einfach zu kurz.
Die Prognose, auf der die Entscheidung für den OTB beruht, sieht quasi vor, dass sämtliche Windparkanlagen über Bremerhaven umgeschlagen werden. Außerdem wird noch ein hoher Anteil zugrunde gelegt, der als Export umgeschlagen wird – ist das einfach nur Wunschdenken?
Wir befinden uns in einem europäischen Wettbewerb. Und wenn der OTB gebaut wird, gibt es keine Garantie, dass das eine Erfolgsnummer ist. Eines ist aber klar, es gibt sehr große Märkte in Europa. Und da hat der Standort die beste Chance, sich ein großes Stück vom Kuchen abzuschneiden, der die beste Infrastruktur und damit die kostengünstigsten Lösungen anbietet. Will Bremerhaven weiterhin in dieser Liga mitspielen, muss dort investiert werden.
Siemens will ein Produktionswerk in England bauen und die Komponenten in Hull umschlagen. Ist der Kuchen, der umgeschlagen werden kann, trotzdem für alle Häfen ausreichend groß genug?
Zählt man alle Ausbauziele in Europa zusammen, kommt man auf 60 bis 70 Gigawatt – das ist schon ein sehr großer Kuchen, der dann verteilt wird. Wir reden über Investitionen in Höhe von 200 Milliarden Euro. Was den OTB angeht, stellt sich die Frage, will man sich gleich vom Kuchenbüffet verabschieden oder will man ein Messer in der Hand haben, um ein Stück abzubekommen.
Was bedeutet der OTB für Bremerhaven?
Bremerhaven hat sich bisher ein solch gutes Standing aufgebaut, dass es fahrlässig wäre, jetzt zu sagen, wir bleiben stehen, wo wir derzeit sind. Es gibt wie gesagt keine Garantie dafür, dass das Stück ausreicht, um alle Kosten zu decken, die der OTB verursachen wird. Trotzdem bietet der OTB eine große Chance, dass sich das Projekt rechnet – gerade auch im Hinblick auf gewerbliche Ansiedlung anderer Schwerlast-Industrie in Bremerhaven.
Das mag ja sein, aber das spielt bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung des OTB keine Rolle.
Das ist richtig, da spreche ich auch mehr mit Blick aus meiner lokalpolitischen Brille, als mit der des Präsidenten der Offshore-Stiftung. Für das Gutachten mag das ja auch relevant sein, aber politisch darf man diesen Aspekt ruhig erwähnen.
Ist die 200-Millionen-Euro-Investition für den OTB finanziell zu verantworten?
Auf jeden Fall, weil ich fest davon überzeugt bin, dass sich die Märkte weiterentwickeln werden – ähnlich wie das beim On-shore-Wind der Fall war. Heute gehen drei Viertel dieser Produktion in den Export. Und ich sehe auch für Offshore ähnliche Marktentwicklungen. In den USA etwa wird Offshore trotz Frackings noch enorm ausgebaut werden. Und die werden nicht selbst produzieren – allein wegen der hohen Löhne, die dort in den dafür geeigneten Bundesstaaten gezahlt werden. Schon jetzt werden Anlagen über Esbjerg dorthin verschifft. Warum demnächst nicht über Bremerhaven?
Staatsrat Heiner Heseler hatte in der vergangenen Woche auf der Häfen-Pressekonferenz gesagt, dass man mit dem OTB in ganz neue Dimensionen vorstoßen wird. Teilen Sie diese Euphorie?
Aus Sicht der Stadt Bremerhaven auf jeden Fall, weil man so auch noch ein großes Gewerbegebiet mit erschließen kann. Und aus bundesdeutscher Offshore-Sicht muss ich auch sagen, dass dieses Projekt zwingend notwendig ist, um mittelfristig im Spiel zu bleiben. Der OTB wird genauso benötigt wie der bereits bestehende Installationshafen in Cuxhaven.
Aber ein großer Produzent ist nicht in Sicht, der sich dort niederlassen möchte. Oder wissen Sie mehr?
Es gibt Besichtigungen – mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.
Wie bewerten Sie eigentlich den gescheiterten Versuch, private Investoren für das Projekt OTB finden zu wollen?
Dieses Vorhaben habe ich immer als Zeitverschwendung der Bremer Politik verstanden. Denn es war klar, dass man in einem jungen Industriezweig wie Offshore keine Investoren finden würde. Das hat bei noch keinem Hafen in Deutschland funktioniert. Das war nur eine Maßnahme, um einen Koalitionspartner zu beruhigen, der dann leichter entscheiden konnte, den OTB aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren.
Kann das OTB-Projekt für ähnliche negative Schlagzeilen sorgen wie der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven?
Der wurde in der berechtigten Annahme gebaut, dass dort viele Container umgeschlagen werden – im Moment kommen sie noch nicht an, weil sich der Markt anders entwickelt hat. Ich kann nicht 100-prozentig ausschließen, dass nicht auch der OTB ähnliche Startschwierigkeiten hat. Ich kann aber mit Sicherheit sagen, dass Sie, wenn sie den OTB nicht bauen, lesen werden, dass die Firmen A, B, C den Standort Bremerhaven verlassen haben und sich natürlich auch keine anderen Unternehmen aus der Offshorebranche niederlassen werden.
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