„Lat it be, Lat it be...“, lautet eine der vielen humorvollen Anspielung auf den Übergang von Lettlands bisheriger Währung, dem Lat, zur europäischen Gemeinschaftswährung Euro ab dem 1. Januar 2014. Allerdings wollen die meisten Letten ihren Lat lieber behalten.
Im Fernsehen wird seit Monaten viel Werbung gemacht. Man rolle nun in die lang ersehnte Zukunft der wohlhabenden westlichen Welt, so der Tenor. Das neue Geld kommt denn auch aus Deutschland. Für das rund zwei Millionen Einwohner zählende Volk, von dem etwa ein Drittel der russischsprachigen Minderheit angehört, wurden 110 Millionen Euro-Geldscheine von der deutschen Bundesbank ausgeliehen und 400 Millionen Münzen mit lettischen Symbolen in Stuttgart bei „Staatliche Münzen Baden-Württemberg“ hergestellt. Rund 971 Millionen Lat müssen insgesamt gegen das neue Geld umgetauscht werden.
Lettland hat seit der Wirtschaftskrise von 2008 eine Erholungskur ohne gleichen hinter sich. Das Sozialprodukt schrumpfte 2009 um 20 Prozent. Statt die Währung abzuwerten, sparte sich das Land gesund. Nach 2008 wurden zunächst Tausende Stellen gestrichen, zahlreiche Krankenhäuser und Schulen geschlossen, das Kindergeld abgeschafft, die Löhne bis hin zur Polizei um bis zu 35 Prozent gesenkt. Die ohnehin niedrigen Bezüge der Rentner wurden um zehn Prozent gesenkt. „In Italien oder Spanien wäre es zum Bürgerkrieg gekommen, bei solch einschneidenden Maßnahmen. Aber wir Letten sind nicht zuletzt wegen unserer Vergangenheit als ohnmächtiger Satellitenstaat Moskaus geduldiger“, sagte ein lettischer Diplomat einmal.
Die Sparkur hatte ungeachtet ungleicher Verteilungslast Erfolg. Seit 2011 wächst die Wirtschaft wieder mit durchschnittlich fünf Prozent im Jahr und schlägt damit die Eurozone um Längen. Dennoch wird Lettland das ärmste Land sein, das dem Euro beitritt. Aber das mit Spardisziplin, guter Infrastruktur, hochgebildeter und leistungsbewusster Bevölkerung gerüstete Steuerparadies hofft als 18. Euro-Mitglied auf viele neue Auslandsinvestitionen. Denn auch die Unternehmenssteuer liegt mit 15 Prozent weit unter dem EU-Durchschnitt von 23,5 Prozent. Nur Irland und Zypern liegen mit 12,5 Prozent noch niedriger.
Laut einer Umfrage votieren dennoch 53 Prozent der Letten gegen den parlamentarisch durchgefochtenen Währungsbeitritt. Nur rund 18 Prozent sind ausdrücklich dafür. Nun, da man über den konjunkturellen Berg sei, wolle man sich nicht herunterziehen lassen durch die Euro-Krise, so die Argumentation der Gegner. Zudem befürchtet man noch mehr Auswanderung. Knapp 700000 zumeist junge und gut ausgebildete Letten sind seit 1989 ins Ausland gezogen, wegen der schlechten beruflichen Aussichten. Außerdem, so heißt es, hätte der Währungsbeitritt dem teils gut vergleichbaren Nachbarland Estland 2011 bislang eher negative Impulse gebracht.
Hinzu kommt, dass Lettland erst 1990 von Moskau unabhängig geworden ist. Die eigene Währung hat man als Nationalsymbol lieb gewonnen. Zudem könnte ein weiterer Schritt weg von Moskau auch Probleme verschärfen. Zum einen für die teils diskriminierte russische Minderheit im Lande. Aber auch die lettische Energieversorgung hängt völlig von Russland ab.
Zudem haben viele russische Oligarchen umfangreiche Geldsummen auf baltischen Banken geparkt und in lettische Immobilien investiert. Lettland ist seit 2004 Mitglied der EU und des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses NATO. Moskau hat seitdem immer wieder seine wirtschaftspolitischen Muskeln spielen lassen, um dem kleinen Land zu zeigen, wer zumindest teilweise noch immer der Herr im Hause ist. All das stimmt das Volk zum Jahreswechsel eher melancholisch. Genauso wie der Beatles-Klassiker „Let it be“.