Selten hat sich Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) nach eigenem Bekunden so darüber gefreut, dermaßen viel Geld auszugeben. Die Rede ist von zehn Millionen Euro, die das Land Bremen für das Modellprojekt „Wasserstoff – grünes Gas für Bremerhaven“ lockermachen will. In gleicher Höhe fließen auch EU-Mittel in das Projekt auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes Luneort. Mit den insgesamt 20 Millionen Euro will das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) ein Elektrolyse-Testfeld aufbauen. Das Ziel: die Produktion „grünen“ Wasserstoffs als Speichermedium für regenerativ erzeugten Strom in einer Größenordnung, die industriell nutzbar ist. Perspektivisch sollen davon die Industrie und der Mobilitätssektor profitieren.
Mit seinem Beschluss hat der Senat am Dienstag grünes Licht für ein ambitioniertes Zukunftsprojekt gegeben. „Wir wollen Bremerhaven zu einem Kompetenzzentrum für Wasserstoff machen“, sagte die Senatorin für Wissenschaft und Häfen, Claudia Schilling (SPD). Dabei geht es vor allem darum, die im Kleinen schon erprobte Technologie für die Wirtschaft nutzbar zu machen. „Der Wasserstoff hat diesen großen Schritt erst noch vor sich“, betonte Jan Wenske, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IWES.
Vorerst ist das Modellprojekt für einen Zeitraum von zwei Jahren geplant. Von Januar 2020 bis Dezember 2021 soll im größten Hangar des früheren Flugplatzes durch Elektrolyse Strom einer Windenergieanlage in Wasserstoff umgewandelt werden. Dabei sind 16 Millionen Euro für die Teststruktur vorgesehen und vier Millionen für die Erprobung der Anwendungsfelder. „Wir werden das Verfahren der direkten Elektrolyse mit Windstrom im Megawatt-Bereich herstellerunabhängig prüfen und optimieren“, kündigte Wenske an. Wenn die Anlage erst einmal durchläuft, soll pro Tag eine Tonne Wasserstoff produziert werden.
Als Aufgabe des neuen Testfelds sieht Wenske aber nicht nur die Erzeugung von Wasserstoff an. „Es sollen auch die elektrischen Eigenschaften getestet werden, das ist weltweit einzigartig.“ Damit sind Steuerungs- und Überwachungssysteme gemeint, die notwendig sind für die Einspeisung ins Stromnetz. Denn: „Das Netz bleibt bestehen. Aber das Zusammenspiel der einzelnen Einheiten wird komplexer.“ Für die breite Einführung der Wasserstoff-Technologie sei das Modellprojekt eine wichtige Etappe, auch wenn man noch weit entfernt von der wirtschaftlichen Nutzbarkeit sei.
„Am Ende könnten wir Lkws umrüsten und Wasserstoff-Backofen herstellen“
Um die praktische Anwendung des Wasserstoffs geht es Carsten Fichter, Forschungsleiter für den Bereich Wasserstoff an der Hochschule Bremerhaven. „Wir wollen alternative Kraftstoffe herstellen“, sagte er. Insgesamt vier Anwendungsfelder schweben ihm vor. Durch die Kopplung von Windstrom und Wasserstoff soll Windstrom nicht nur für die Schifffahrt nutzbar gemacht werden. Ebenso profitieren sollen die maritime Wirtschaft, der Bereich Mobilität und Logistik wie auch die Lebensmitteltechnik. „Am Ende könnten wir Lkws umrüsten und Wasserstoff-Backofen herstellen.“
Die große Bedeutung des „grünen Wasserstoffs“ für den Norden hob Wirtschaftssenatorin Vogt hervor. Für Bremen gehe es zwar auch darum, die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen. Doch es gibt in ihren Augen auch noch einen anderen Gesichtspunkt. Für Bremen sei es wichtig, beim Wasserstoff früh dabei zu sein. Der Senat wolle Bremen und Bremerhaven als Standort eines neuen Wirtschaftszweiges positionieren und dadurch neue, qualifizierte Arbeitsplätze schaffen. Kurzum: Im Lune-Delta soll ein neues, grünes Gewerbegebiet entstehen.
„Noch ist diese Technologie ein Zuschussgeschäft“, räumte Vogt ein, bekräftigte aber, dass sie den Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft betrachtet. Ein wichtiger Schritt sei die Vereinbarung der fünf norddeutschen Länder in der vergangenen Woche, beim Wasserstoff an einem Strang zu ziehen (wir berichteten). „Wir können unsere Ziele nur erreichen, wenn wir länderübergreifend zusammenarbeiten“, betonte Vogt mit Hinweis auf die enge Kooperation der Konkurrenten Baden-Württemberg und Bayern.
Zugleich will Vogt für die Wasserstoff-Technologie die gleiche Position erstreiten wie für fossile Energieträger. „Es geht um faire Wettbewerbsbedingungen“, sagte Vogt. Dafür müssten die fünf Länder gemeinsam beim Bund Druck machen. „Wir haben vor, uns strategisch unabhängig zu machen von fossilen Brennstoffen.“ Das Modellprojekt in Bremerhaven sei ein „wichtiger Baustein der Wasserstoff-Strategie, aber nicht der einzige“.
Wasserstoff aus der Wüste
In der Großproduktion von „grünem Wasserstoff“ in Nordafrika und Südeuropa sieht die FDP einen Weg, um Deutschlands Bedarf an sauberer Energie zu decken. „Wasserstoff aus der Wüste“ könne Erdöl als wichtigsten Primärenergieträger ablösen, heißt es in einem Positionspapier, das der Parteivorsitzende Christian Lindner am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.
Der FDP-Vorsitzende forderte, über die KfW-Bankengruppe und die Europäische Investitionsbank ab 2021 jährlich 500 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, um Anreize für private Investitionen in die industrielle Produktion von grünem Wasserstoff in Südeuropa und in Nordafrika zu schaffen. Dieser sei heute schon wettbewerbsfähig.