Brüssel. Marktwirtschaft oder nicht? Als China vor 15 Jahren der Welthandelsorganisation (WTO) beitrat, wurden Übergangsregeln vereinbart. Diese laufen Ende des Jahres aus – und Peking verlangt die damals versprochene Anerkennung als Marktwirtschaft. Das aber würde den europäischen Stahlmarkt in arge Bedrängnis bringen, der ohnehin um seine Zukunft bangt. Denn noch in diesem Jahr will die EU den Emissionshandel reformieren – die energiefressenden Branchen, darunter auch die Stahlindustrie, müssen mit extremen Mehrkosten rechnen. Zugleich drängt China mit seiner staatlich subventionierten Überproduktion auf den Markt – zu Dumpingpreisen. Die dafür vorgesehenen Schutzzölle verhindern, dass Fernost mit seinen Produkten den europäischen Markt für sich einnehmen kann. Doch diese müssten fallen, wenn China den Status einer Marktwirtschaft erlangt.
Darüber haben die Volksvertreter am Dienstag in Straßburg debattiert. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Gianni Pitella, fürchtet um „Millionen von Arbeitsplätzen“. Auch die Christdemokraten sprachen sich gegen den Marktwirtschaftsstatus aus: „Wir wollen die vorsätzlichen Angriffe gegen die EU stoppen“, sagte der Handelsexperte der CDU, Daniel Caspary.
Allein die Stahlbranche ist mit 330 000 Beschäftigten in 24 Mitgliedstaaten ein Wirtschaftsmotor, den zu verlieren sich die Gemeinschaft in Zeiten zaghafter konjunktureller Erholung kaum leisten kann. Doch die chinesische Industrie drängt nicht nur mit Billigstahl, sondern auch mit Autoreifen, Solarzellen und Kleidung auf den Weltmarkt. Selbst Hochgeschwindigkeitszüge – etwa eine deutlich günstigere Version des Hochgeschwindigkeitszuges ICE – kommen aus Fernost.
Firmen und Verbände haben sich mit über 5300 Reaktionen an die EU-Kommission gewandt – und ihren Befürchtungen Nachdruck verliehen, dass China als Marktwirtschaft fatale Folgen für den europäischen Arbeitsmarkt hätte. Als Beweis führten sie die zahlreichen Anti-Dumping-Verfahren an, die in der Vergangenheit gegen China eingeleitet wurden. Allein 2014 waren es 63.
Doch Peking weiterhin den Marktzugang zu erschweren, könnte auch für europäische Unternehmen schwerwiegende Konsequenzen haben – wenn China seinerseits Produkte aus der EU vor neue Hürden beim Export nach Fernost zu stellen. Und auch als Investitionspartner ist Peking für die EU nicht einfach ersetzbar: „Unabhängig davon, ob China als Marktwirtschaft anerkannt wird oder nicht, ist die strategische Partnerschaft mit China extrem wichtig für uns“, betonte auch der CDU-Abgeordnete Caspary.
Immerhin hatte Chinas Regierung im Februar den Abbau der Überkapazitäten vor allem im Kohle- und Stahlbereich angekündigt. 1,8 Millionen Stellen sollen gestrichen werden – Peking verschwieg allerdings, über welchen Zeitraum. Der EU bleiben hingegen nur noch wenige Monate. Am 12. Dezember läuft die Übergangsregelung aus.
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