Schnelles Internet, 5G-Mobilfunknetz ab 2020 So planen Union und SPD die Digitalisierung

Union und SPD wollen Deutschland auf dem Weg zur Digitalisierung voran bringen. Dazu haben sie ein Kapitel in den Koalitionsvertrag geschrieben. Aber was bedeuten die Pläne? Eine Analyse.
14.02.2018, 19:42 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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So planen Union und SPD die Digitalisierung
Von Jan-Felix Jasch

Dem Thema Digitalisierung ist im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD ein eigenes Kapitel gewidmet – zwölf Seiten umfasst es. Ein Quantensprung – im Vertrag der Großen Koalition von 2005 suchte man das Wort noch vergeblich. Auch „Internet“ kam nicht vor. Ein deutlicher Schritt nach vorne: Die mögliche neue Bundesregierung will nun also sozusagen Deutschland vom Neuland zum Digitalland machen.

Dazu finden sich auch Formulierungen mit Verve in dem Vertrag: „Die Digitalisierung bietet große Chancen für unser Land“, „Wir wollen unser Land in allen Bereichen zu einem starken Digitalland machen“ oder „Wir wollen Neugier auf digitale Technologien wecken und Souveränität im Umgang mit ihnen schaffen“. Das liest sich gut. An vielen Stellen bleiben es jedoch Phrasen, die in dem Vertrag nicht ausreichend mit Leben gefüllt werden.

Wie will die Regierung das erreichen? Was sind konkrete Maßnahmen? Davon gibt es in dem Vertrag nicht allzu viele. Immerhin muss man den Verhandlern von Union und SPD zugutehalten, dass sie diese Maßnahmen ja noch ergreifen können und auch müssen, damit es eben nicht leere Phrasen bleiben. Quantität ist nicht gleich Qualität, gleichwohl ist es ein Anfang.

Frequenzen für 5G sollen ab 2020 versteigert werden

Trotzdem finden sich einige einigermaßen konkrete Punkte: Eines der zentralen Projekte der drei Parteien ist der flächendeckende Ausbau der Gigabitnetze bis 2025. Warum erst in sieben Jahren?, fragt man sich. Das bleibt offen. Gleichwohl wird sich bald einiges tun. So will die neue Bundesregierung – wenn die SPD-Mitglieder dem zustimmen – die Frequenzen für die neue Mobilfunktechnologie 5G ab 2020 versteigern.

Mit den Erlösen wollen die Koalitionäre den Netzausbau vor allem auf dem Land fördern. Union und SPD gehen in ihrem Vertrag von einem „öffentlichen Finanzierungsbedarf von zehn bis zwölf Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode“ aus. Diesen Betrag wolle man durch einen Gigabitinvestitionsfonds „verlässlich bereitstellen“. Das klingt plausibel und erscheint machbar.

Experten zufolge wird der Betrag von zehn bis zwölf Milliarden Euro jedoch nicht ausreichen, um ländliche Gebiete zu versorgen. Bei den Jamaika-Verhandlungen waren die Sondieren noch von 20 Milliarden Euro ausgegangen, aber auch das wäre wohl zu wenig gewesen: Ein flächendeckender Ausbau mit Glasfaserkabeln würde zwischen 70 und 80 Milliarden Euro kosten, schätzt zum Beispiel das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste. Außerdem stand auch im vorigen Koalitionsvertrag das Ziel, bis 2018 alle Haushalte mit schnellem Internet mit 50 Megabit pro Sekunde zu versorgen. Geklappt hat es nicht, die Skepsis gegenüber den neuen Plänen von Union und SPD bleibt.

Digitalverband kritisiert Internet-Pläne

Im Koalitionsvertrag fällt das Recht auf schnelles Internet auf: Sofern die Ziele des Breitbandausbaus nicht erreicht werden, wollen Union und SPD „einen rechtlich abgesicherten Anspruch zum 1. Januar 2025 schaffen und diesen bis Mitte der Legislaturperiode ausgestalten“, heißt in dem Papier. Das höre sich zwar gut an, sei aber „so diffus, dass es jetzt schon zu einer starken Verunsicherung bei den investierenden Unternehmen geführt hat und den Breitbandausbau eher bremst als beschleunigt“, sagte Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom.

Bernhard Rohleder, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, drückte es ähnlich aus. Damit sei nichts erreicht, und es blieben viele Fragen ungeklärt, sagte er. Allein die Ankündigung eines diffusen Rechtsanspruchs habe bei den Unternehmen der Telekommunikationsbranche für Verunsicherung gesorgt, so Rohleder. „Wer kommt für die Kosten des Anschlusses auf? Wird eine sogenannte Universaldienstverpflichtung und damit ein extrem bürokratischer Umverteilungsmechanismus eingeführt?“ Als Folge der Unsicherheit würden interessierte Investoren Gelder zurückhalten und Unternehmen möglicherweise ihre Ausbaupläne überprüfen, so die Sorge von Bitkom.

„Mit einem Rechtsanspruch auf superschnelles Internet läuft man Gefahr, Gigabit-Deutschland auszubremsen“, warnt Rohleder. Auch der Internet-Verband Eco kritisierte die Pläne. Ein effektiver Breitbandausbau gelinge ökonomisch sinnvoll und effizient am besten über einen wettbewerbsgetriebenen Ausbau, so der Verband. Eine pauschale und gesetzlich vorgeschriebene „Ausbauverpflichtung“ berge dagegen die Gefahr, lediglich mehr Ineffizienz in den marktgetriebenen Ausbau zu bringen. Der Eco schlägt dagegen vor, den Ausbau eher mit gezielten Fördermaßnahmen zu unterstützen.

Kein eigenes Digitalministerium: Unmut bei der Opposition

Insgesamt gehen die Pläne der möglichen Großen Koalition in die richtige Richtung, sind aber noch zu wenig konkret. Und sie sind zu weit von den Telekommunikationsunternehmen entfernt. Die sollen Richtlinien umsetzen, die aus ihrer Sicht wirtschaftlich teilweise wenig sinnvoll sind. Das kann nicht funktionieren. Problematisch ist weiterhin der gesteckte Zeitrahmen. 2025 geht weit über die aktuelle Legislaturperiode hinaus, ein neues Regierungsbündnis könnte ab 2021 – sofern es nicht vorher zu Neuwahlen kommt – ganz andere Schwerpunkte setzen.

Als neu und durchaus innovativ kann man die Idee bezeichnen, zusammen mit Frankreich ein öffentlich verantwortetes Zentrum für künstliche Intelligenz einzurichten. Deutschland und Frankreich arbeiten seit vergangenem Jahr gemeinsam mit anderen Ländern an einem Projekt, um die Erforschung von künstlicher Intelligenz voranzutreiben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits im September vergangenen Jahres gefordert, staatliche Beihilfen für die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz zu erleichtern – das könnte durch den ausgehandelten Koalitionsvertrag nun Wirklichkeit werden.

Ein eigenes Digitalministerium, wie es bei den Jamaika-Sondierungen noch im Gespräch war, wird es nicht geben – genauso wenig sollen digitalpolitische Kompetenzen innerhalb der Regierung gebündelt werden. Digitalisierung verbleibt weiterhin im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Das schafft Unmut in der Opposition und in der Wirtschaft – zu Recht. Wenig erbaulich ist, dass das Ressort in den Händen der kaum fortschrittlichen CSU bleibt.

Über die konkrete Besetzung will sie aber erst später entscheiden. Kandidaten sind Generalsekretär Andreas Scheuer, die bisherige parlamentarische Staatssekretärin Dorothee Bär und der bisherige Entwicklungsminister Gerd Müller. Der bisherige Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, ist kein Kandidat mehr. Er ist Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag – außerdem sieht seine Bilanz der vergangenen Jahre mitnichten nach einem Aufbruch aus. Dabei ist der dringend nötig.

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