Bundesnetzagentur: Neue Leitungen sind frühestens 2025 fertig und damit drei Jahre später als geplant Stromtrassen-Ausbau verzögert sich

Berlin. Die Energiewende krempelt das gesamte deutsche Stromsystem um: Großkraftwerke werden überflüssig, stattdessen wird die Elektrizität dezentral erzeugt. Damit Windstrom aus dem Norden des Landes auch zuverlässig in die Industriezentren Süddeutschlands gebracht werden kann, müssen die Übertragungsnetze dringend ausgebaut werden.
08.06.2016, 00:00 Uhr
Lesedauer: 2 Min
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Von Thorsten Knuf

Berlin. Die Energiewende krempelt das gesamte deutsche Stromsystem um: Großkraftwerke werden überflüssig, stattdessen wird die Elektrizität dezentral erzeugt. Damit Windstrom aus dem Norden des Landes auch zuverlässig in die Industriezentren Süddeutschlands gebracht werden kann, müssen die Übertragungsnetze dringend ausgebaut werden. Doch dies wird sich voraussichtlich um einige Jahre verzögern, wie ein neuer Bericht der Bundesnetzagentur nahelegt. Die neuen Trassen seien wahrscheinlich frühestens 2025 einsatzbereit, schreibt die Bonner Behörde.

Eigentlich sollte der Ausbau der Übertragungsleitungen bereits 2022 abgeschlossen ein. Dann geht das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz. Doch die Zeitpläne sind nicht mehr zu halten: Die sogenannte Suedlink-Trasse, die von Norddeutschland nach Bayern und Baden-Württemberg führen soll, wird nach Einschätzung der Bundesnetzagentur drei Jahre später fertig werden. Das Gleiche gilt für den Korridor A von Emden ins nordrhein-westfälische Osterrath und die Süd-Ost-Passage von Sachsen-Anhalt nach Niederbayern. Den Akteuren in der Politik und Energiewirtschaft war seit geraumer Zeit klar, dass die bisherigen Zeitpläne längst Makulatur sind. Jetzt gibt die Netzagentur erstmals einen Hinweis darauf, wie sehr der Ausbau hinterherhinkt. Über die Einschätzung der Behörde berichtete am Dienstag zuerst die „Süddeutsche Zeitung“

Hauptgrund für die Verzögerungen ist ein Beschluss der schwarz-roten Koalition aus dem vergangenen Jahr: Demnach soll die sogenannte Erdverkabelung Vorrang vor Freileitungen haben. Das soll die Akzeptanz bei den Bürgern erhöhen.

Im ganzen Land machen seit Jahren Anrainer gegen die sogenannten Monstertrassen mit bis zu 75 Meter hohen Masten in ihrer Nachbarschaft mobil. Unter dem Druck von Lokalpolitikern und Bürgerinitiativen setzte sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zeitweise an die Spitze der Protestbewegung, obwohl er zuvor dem Verlauf der Trassen zugestimmt hatte. Erst mit dem Vorrang der Erdverkabelung und einigen Planungsänderungen konnte Seehofer besänftigt werden.

Die Erdverkabelung ist deutlich teurer als die Verlegung oberirdischer Leitungen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) rechnet mit Mehrkosten von bis zu acht Milliarden Euro allein für die beiden Trassen Suedlink und Südost-Passage. Bezahlen müssen das die Stromkunden über ihre Stromrechnung. Gabriel argumentiert aber, dass auch Zeit gewonnen werden könne. Denn schließlich sei bei einer Erdverkabelung nicht mit so vielen Klagen zu rechnen.

Weil die bisherigen Übertragungsnetze dem Ökostrom-Boom nur bedingt gewachsen sind, müssen die Betreiber immer häufig eingreifen, um die Netze zu stabilisieren. Dann werden etwa Windkraftanlagen im Norden heruntergefahren oder spezielle Kraftwerke im Süden angeworfen. Die Kosten dafür sollen bereits heute eine Milliarde Euro pro Jahr betragen – mit steigender Tendenz.

Der Zeitverzug bei den Übertragungsnetzen bremst auch die Energiewende in Deutschland insgesamt: Erst vor wenigen Tagen legten Bundesregierung und Länder gemeinsam fest, dass der Windkraft-Ausbau im Norden mit Rücksicht auf die fehlenden Leitungen gedrosselt werden soll. Der Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, warf der Bundesregierung am Dienstag vor, die Energiewende insgesamt zu gefährden. „Dank der Selbstblockade der großen Koalition ist der Netzausbau um Jahre zurückgeworfen worden. Kohle und Atom verstopfen weiter die Netze, weil Gabriel den Kohleausstieg nicht angeht.“

„Dank der Selbstblockade der großen Koalition ist der Netzausbau um Jahre zurückgeworfen worden.“ Oliver Krischer, Grüne
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