Osterholz-Scharmbeck. In den sozialen Medien gab es zuletzt immer wieder Verwunderung und Diskussionen: Ein "Kollektiv Morgenrot" lädt beispielsweise bei Facebook zu politischen Diskussionsrunden ein. Nur wer genau dahinter steht, das ist vielen nicht klar. Auch ein Blick auf die Internetseite des Kollektivs gibt nur wenig Aufschluss.
Hinter Morgenrot stecke eine Gruppe von 20 bis 25 Menschen – hauptsächlich Jugendliche, aber auch ältere Menschen, erklärt Jerik Dikkerboom. Er fungiert als eine Art Pressesprecher, macht aber deutlich: "Wir sind kein Verein mit einem Vorsitzenden oder einer starren Struktur." Die Mitglieder des Kollektives kämen aus verschiedenen Gruppierungen, hauptsächlich aber aus der Klimabewegung, antifaschistischen Gruppen oder dem Trägerverein des Kulturzentrums Kleinbahnhof (Kuz). Morgenrot habe sich zusammengefunden, weil Fridays For Future (FFF) inhaltlich immer weiter von seiner Ursprungsidee abgerückt sei. "Gerade dieses Appellieren an die Politik über Demonstrationen hielten wir politisch nicht mehr für richtig." Klimaschutz sei nun ein Thema von vielen, das im Kollektiv behandelt werde.
Kapitalismuskritik als Aufhänger
Thematischer Aufhänger für das Kollektiv, das sich regelmäßig im Kuz trifft, ist die Kritik am Kapitalismus. Dass es Menschen schlecht gehe, liege an der kapitalistischen Produktionsweise und ungleich verteilten Ressourcen, ist in den Grundprinzipien des Kollektivs zu lesen. Dikkerboom sagt aber: "Wir wollen keine Schuldigen suchen, sondern Ursachen." Sie wollten Dinge hinterfragen und die Intentionen der handelnden Akteure ergründen. Man könne Dinge nur abschaffen oder grundlegend verändern, wenn man sie auch wirklich verstanden habe.
Morgenrot organisiert monatliche Diskussionsabende, deren Themen sich an aktuellen Entwicklungen in Politik und Gesellschaft orientierten – seien es der Aufstieg der AfD oder auch die Lage der Kurden in Rojava im nördlichen Syrien, erklärt Dikkerboom. Auch ein Lesekreis, der ein kapitalismuskritisches Buch behandelt, sei im Kollektiv gegründet worden. Auf die Frage, ob das nicht ein wenig an die 68er-Bewegung erinnert, entgegnet Jerik Dikkerboom: "Wie die 68er sind wir Jugendliche, die ein Problem damit haben, wie unsere Gesellschaft funktioniert." Seit vergangenem September hat die Gruppe drei Diskussionsabende organisiert, bei denen jeweils etwa 40 Personen zu Gast gewesen seien, schätzt Dikkerboom.
Darüber hinaus sind die Mitglieder von Morgenrot auch auf anderen politischen Veranstaltungen in der Kreisstadt zu Gast. "Wir haben ein Interesse daran, miteinander ins Gespräch zu kommen", erklärt Dikkerboom.
Seinen Namen bezieht das Kollektiv Morgenrot aus der Arbeiterbewegung um 1900, genauer vom Kampflied "Dem Morgenrot entgegen". Das Lied entstammt der Feder des Bremer Lehrers und Arbeiteraktivisten Heinrich Eildermann. Für Dikkerboom ist die Verbindung aus Liedtitel und Kolletkivnamen passend: "Der Name Morgenrot hat etwas Sinnbildliches, da geht etwas auf."