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Taurus-Marschflugkörper Zaudern ist nicht immer die falsche Wahl

Die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew ist derzeit militärisch nicht notwendig, zudem historisch unklug. Deshalb ist das Zögern von Bundeskanzler Olaf Scholz berechtigt, meint Markus Peters.
29.02.2024, 05:00 Uhr
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Zaudern ist nicht immer die falsche Wahl
Von Markus Peters

Falls es Bundeskanzler Olaf Scholz leid sein sollte, ständig als „Zauderer und Zögerer“ bezeichnet zu werden, dann könnte er im Geschichtsbuch die Kapitel über den zweiten punischen Krieg und den römischen Anführer Quintus Fabius Maximus, genannt „Cunctator“ (Zauderer), lesen. Der wagte im Gegensatz zu den Vorgängern nicht die offene Feldschlacht gegen den karthagischen Feldherrn Hannibal, sondern verschanzte sich hinter den römischen Mauern und setzte auf eine Zermürbungsstrategie. Mit Erfolg: Irgendwann verließen die Karthager Italien und wurden später in ihrer nordafrikanischen Heimat entscheidend geschlagen.

Ein Beispiel dafür, dass Zaudern und Zögern mitunter eine erfolgreiche Kriegstaktik sein kann. Insofern darf man darauf hoffen, dass Scholz bei der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine so sorgsam und durchdacht vorgeht wie bisher. Jeder Schritt sollte gründlich überlegt und eng mit den Verbündeten, allen voran mit den USA, abgestimmt werden.

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Unüberlegte Schnellschüsse nach dem Muster von Emmanuel Macron, der die Stationierung von Bodentruppen in der Ukraine ins Spiel brachte, wird man vom deutschen Bundeskanzler nicht erwarten können. Und das ist auch besser so. Ohnehin drängt sich der Verdacht auf, dass der französische Präsident mit dieser überraschenden Volte von der Tatsache ablenken will, dass sich Frankreich bisher beim Thema Ukraine-Hilfe verhältnismäßig zurückhaltend zeigt. Auch wenn es am Selbstverständnis der „Grande Nation“ nagt: Frankreich liegt weit hinter den USA, Deutschland und Großbritannien zurück, selbst Länder wie Dänemark, die Niederlande, Norwegen oder sogar Estland stecken mehr Geld in die Aufrüstung der Ukraine.

Da Scholz Bedenken hat, die Taurus-Waffen, die nur mit deutscher Hilfe programmiert werden können, zu liefern, könnte dafür Frankreich mit mehr als seinen bisher zugesagten 40 Scalp-Marschflugkörpern einspringen. Die haben zwar mit etwa 250 Kilometern eine geringere Reichweite als das deutsche Modell Taurus (500 Kilometer). Doch das ist für diesen zähen Stellungskrieg immer noch ausreichend. Ohnehin ergibt es militärisch mehr Sinn, die Marschflugkörper mit der größeren Reichweite zurückzuhalten. So könnten im Bündnisfall russische Truppen eher auf Distanz gehalten werden.

Beim Einsatz der Taurus-Marschflugkörper durch ukrainische Soldaten besteht zweifellos die größere Gefahr, dass diese Waffen auf dem Boden Russlands detonieren und damit zur weiteren Eskalation des Konflikts beitragen könnten. Theoretisch wäre es sogar möglich, dass diese Waffen von der Ukraine aus die russische Hauptstadt Moskau erreichen. Ein Szenario, das man sich lieber nicht ausmalen möchte.

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Frankreich und Großbritannien haben dagegen weniger Skrupel, dass Waffen aus ihren Beständen auf russischem Territorium eingesetzt werden könnten. Aber diese Länder sind erstens Atommächte und haben zweitens eine andere Geschichte mit Russland. Von allen ­Ländern, die in den Zweiten Weltkrieg verwickelt waren, musste Russland beziehungsweise damals die Sowjetunion den höchsten Blutzoll zahlen. Noch immer wird der Kampf gegen Hitler-Deutschland zwischen 1941 und 1945 in Russland als „Großer Vaterländischer Krieg“ bezeichnet.

Solche historischen Zusammenhänge scheinen die Befürworter jeglicher Waffenlieferungen, darunter Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und der Grüne Anton Hofreiter, nicht zu interessieren. Zudem ist das Muster, nach dem die beiden Koalitionäre ihren Kanzler samt größter Regierungspartei vor sich hertreiben, immer gleich. Stets wird der Eindruck erweckt, als ob das Wohl und Wehe der Ukraine nur von der Lieferung des jeweiligen Waffensystems durch Deutschland abhängt. Das war beim Leopard-Panzer ebenso wie bei Kampfflugzeugen, die übrigens nicht geliefert wurden, als auch beim Marschflugkörper Taurus der Fall. Das größte Problem ­Kiews, das zu den aktuellen russischen Geländegewinnen geführt hat, ist die fehlende Artilleriemunition. Hier muss die Nato mit höchster Priorität ansetzen. Nicht bei der Frage, ob deutsche, französische oder britische Marschflugkörper geliefert werden.  

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