In Deutschland fehlen rund 800.000 Wohnungen – vor allem im bezahlbaren Bereich. Das hat die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen" (Arge) in Kiel zum Wohnungsbautag errechnet, der von verschiedenen Fachverbänden und dem Deutschen Mieterbund veranstaltet wird. Nach einer Prognose des Forschungsnetzwerks Euroconstruct dürften 2026 in Deutschland 175.000 Wohneinheiten fertiggestellt werden. Das sind 95.000 weniger als 2023 und ist weit entfernt vom Ziel der Bundesregierung von 400.000 zusätzlichen Wohnungen pro Jahr.
Wo ist das Problem besonders ausgeprägt?
Besonders stark ist der Wohnungsmangel nach einer Auswertung des Pestel-Instituts in Hannover in und um die wirtschaftlich starken Metropolen in Westdeutschland wie Hamburg, Frankfurt, München, Stuttgart, Köln und Düsseldorf, aber auch in Leipzig, Berlin und Dresden ausgeprägt. Ein starker Überhang von Wohnraum wird in weiten Teilen Ostdeutschlands ausgemacht, während die Situation im Süden der Republik durchweg als angespannt gilt.
Wie ist die Situation in Bremen und in der Region?
Auf dem Papier wird für das Bundesland Bremen ein moderater Überhang an Wohnungen ausgewiesen, wie er in Westdeutschland sonst nur im Saarland, Rheinland und in Teilen des Ruhrgebiets zu beobachten ist. Demnach gibt es angeblich in der Stadt Bremen 2670 Wohnungen zu viel am Markt (Ende 2022). Matthias Günther, Geschäftsführer des Pestel-Instituts in Hannover, geht in diesem Zusammenhang von einer statistischen Unschärfe aus und vermutet, dass der betreffende Wohnraum nicht dem Markt zur Verfügung steht, sondern als Freizeitwohnungen (Zweitwohnungen, Airbnb) genutzt wird. Ähnliche Effekte seien auch in Städten wie Heidelberg zu beobachten. In Bremerhaven gilt die Situation als eher angespannt. Einem Bevölkerungswachstum von 6750 Personen zwischen 2010 bis 2022 steht im gleichen Zeitraum lediglich eine Zunahme von 214 Wohnungen gegenüber. Ebenfalls Defizite werden in den Landkreisen Verden, Diepholz, Osterholz, Wesermarsch und Rotenburg (Wümme) ausgemacht.
Welche Folgen hat der Mangel an Wohnraum?
Durch den Wohnraummangel steigen zunächst die Mieten. Wie Lukas Siebenkotten. Präsident des Deutschen Mieterbundes ausführt, sei der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr fast zweistellig. Mit Folgen: "Jeder dritte Mieter ist finanziell überlastet", sagt Siebenkotten. Auf der anderen Seite führt die Entwicklung dazu, dass Wohnungen als überbelegt gelten. "Nach neuesten Zahlen betrifft das 9,5 Millionen Menschen in Deutschland", führt Professor Dietmar Walberg (Arge) aus. Als überbelegt gelten Wohnungen zum Beispiel, wenn Geschwister unterschiedlichen Geschlechts sich während und nach der Pubertät noch ein Zimmer teilen müssen.
Was sind die Gründe für die Wohnungsbaukrise?
Das liegt laut Studie unter anderem daran, dass die Baukosten in den vergangenen vier Jahren um 42 Prozent gestiegen sind. Gleichzeitig haben die Bauzinsen angezogen. "In Zeiten niedriger Zinsen hat man sich in Deutschland daran gewöhnt, ganz viel Zuckerguss zu bauen, den nun wirklich kein Mensch braucht", sagt der Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, Dirk Salewski.
Wie kann Bauen billiger werden?
Keine Keller, weniger Balkone, dünnere Decken, Verzicht auf Fahrstühle: Einfachere Wohnungen könnten aus Sicht der Baubranche den Wohnungsbau in Deutschland wieder in Schwung bringen. Arge-Studienleiter Dietmar Walberg betont, niedrigere Anforderungen bedeuteten nicht, dass man in den Wohnungen nicht mehr gut leben könne. Selbst wenn nur die Mindestanforderungen an Energieeffizienz erfüllt würden, wohne man nicht ungedämmt, sondern habe immer noch einen europaweit einzigartigen Standard. Zugleich bringe es keine zusätzliche Energieeinsparung, wenn man aus 16 Zentimeter Dämmung 25 Zentimeter mache. Für den Klimaschutz sei die Qualität der Neubauten kaum relevant. "Entscheidender sind da Investitionen im Wohnungsbestand", urteilt Walberg.
Was fordern die Bau-Verbände von der Politik?
Konkret würden jährlich Subventionen in Höhe von 23 Milliarden Euro benötigt, für 100.000 neue Sozialwohnungen und den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen. Angesichts der dramatischen Krise auf dem Bau fordert das Verbändebündnis die Politik auf, ihre Standards infrage zu stellen. Der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Axel Gedaschko, spricht sich für ein breit angelegtes Zinsprogramm aus. Bereits ein Zinssatz von einem Prozent könne die Bautätigkeit enorm ankurbeln. "Die daraus entstehenden Steuereinnahmen gleichen die Kosten für die Zinssubvention wieder aus", so Gedaschko.