"Schreiben und reden. Das sind meine Möglichkeiten", sagt die Wehrbeauftragte Eva Högl. Und: "Ich kann nur darauf hoffen, dass ich durchdringe. Mehr kann ich nicht machen." Klingt nicht gerade nach viel Einfluss. Aber Högl spürt auch, wie sie darlegt, derzeit eine höhere Aufmerksamkeit. Ihr jährlicher Bericht werde im Bundesministerium der Verteidigung, aber auch andernorts sehr sorgfältig gelesen. Sie sei ein Anwalt der Soldatinnen und Soldaten, habe die Einhaltung der Grundrechte im Blick. Mit der Ausstattung, der Ausrichtung und ähnlichen Dingen hat sie eigentlich wenig zu tun. Andererseits haben diese Themenfelder auch Einfluss auf ihre Schützlinge. Eva Högl kennt sich entsprechend aus mit der Befindlichkeit der Bundeswehr. Sie ist eine ausgesprochene Expertin, attestiert ihr Brigadegeneral Holger Draber. Grund genug für den Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt, die Wehrbeauftragte als Referentin der Wintervortragsreihe in die Kaserne zu laden.
Westliche Werte unter Druck
"Die Lage ist ernst", stellt Eva Högl fest, und das geht auch aus ihrem aktuellen Jahresbericht hervor, einem 176-seitigen Papier. Krisen, Konflikte und Kriege setzten die Werte und "die Art, wir wir leben" unter Druck. Das müsse täglich verteidigt werden. Die Bundeswehr habe ihren Anteil daran. Doch die Soldatinnen und Soldaten bräuchten dabei die Unterstützung aus der Gesellschaft, betont Högl. Dissens und Streit seien möglich. Es dürfe aber keinesfalls ein Desinteresse an der Bundeswehr geben.

Eva Högl mahnt bessere Ausstattung für die Bundeswehr an.
Das Gute sei: "Unsere Soldatinnen und Soldaten wissen, worum es geht." Deutschland könne stolz auf ihr Engagement sein. Die Bundeswehr sehe es auch als ihre Aufgabe an, die Ukraine zu unterstützen. 10.000 Ukrainer seien bereits von der Bundeswehr ausgebildet worden, was nicht leicht falle. Jeder habe im Hinterkopf, dass die Ukrainer von der Front kommen und anschließend wieder dorthin zurückkehren.
Ausstattung hat Einfluss auf Soldaten
Das bedeute aber auch, auf Material zu verzichten, wenn es an die Ukraine weitergegeben werde. Dabei mangele es daran ohnehin schon. Seit dem Ukrainekrieg falle auf, was nicht vorhanden sei. Wir hätten gedacht, wir seien nur unter Freunden und könnten eine neue Friedensordnung schaffen und dabei auch Russland einschließen. Das hat sich nun als Trugschluss herausgestellt. Jetzt müsse unter Hochdruck nachgearbeitet werden.
Die Ausrüstung der Bundeswehr ist unmittelbar mit Högls Tätigkeit und ihren Schützlingen verknüpft. Wenn die Bundeswehr eine Abschreckung für potenzielle Gegner darstellen und in der Lage sein solle, das Land und das Bündnis zu verteidigen, müsse sie gut ausgestattet sein. Was aber ebenso fehle, sei gutes Personal. Vielleicht sei das sogar noch wichtiger. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Högl glaubt, dass die Bundeswehr ein interessanter und attraktiver Arbeitgeber sei. Wenn aber Rekruten erlebten, dass kein Material da sei, mit dem sie üben und trainieren können, frustriere das.
Es fehle aber auch an Grundsätzlichem. "Die Infrastruktur ist vielerorts desaströs", wie sie bei mehr als 130 Truppenbesuchen festgestellt habe. Sie redet von Kasernen mit maroden Stuben, verschimmelten Duschen und verstopften Toiletten. "Es ist zum Teil beschämend und dem Dienst unserer Soldaten und Soldatinnen völlig unangemessen, in welch schlechtem Zustand die Kasernen in Deutschland sind", schreibt sie. Es gebe Pläne für Verbesserungen. Doch das dauere zu lange.
Zu wenig Bewerber und zu wenig Frauen
Die Folge: "Die Bundeswehr altert und schrumpft." Rund 182.000 Frauen und Männer verrichteten derzeit ihren Dienst. 20.000 Stellen seien aber unbesetzt. Es gebe zu wenig Bewerber, zu wenig Frauen und zu viele Abbrecher. Eine Wehrpflicht würde ihrer Meinung nach das Problem nicht lösen. Auch wenn die Bundeswehr vielfältiger werde - bei einer Rekrutierung von Soldaten ohne deutsche Staatszugehörigkeit sei sie skeptisch. Sie wäre dafür, mehr Menschen dafür zu gewinnen, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Die Bundeswehr sei in Konkurrenz zu anderen Arbeitgebern, und solange die Ausstattung nicht besser werde, sei es schwierig mit der Rekrutierung.
Eines ist für Eva Högl klar. Die Bundeswehr brauche weiter sehr viel Geld. Ob dafür die Schuldenbremse gelockert werde, weitere Sondervermögen gebildet werden oder an anderer Stelle gekürzt werde, darüber wolle sie nicht reden.
Der aktuelle Bericht der Wehrbeauftragten kann unter https://dserver.bundestag.de/btd/20/105/2010500.pdf eingesehen werden.