Schwach angefangen und dann auch noch stark nachgelassen: Am 21. Januar 2023, also vor ziemlich genau einem Jahr, war im Rheinenergie-Stadion zu Köln gerade mal eine gute halbe Stunde gespielt, als für den SV Werder Bremen auch schon alles vorbei war. Nach Gegentoren in der 9., 15., 21., 30. und 36. Minute lagen die Gäste sage und schreibe mit 0:5 zurück – am Ende fuhren sie bekanntlich mit einer 1:7-Pleite nach Hause, die prompt Platz vier in der Rangliste der höchsten Niederlagen der Bremer Vereinsgeschichte einnahm. Am Freitagabend kehrt Werder nun erstmals an den Ort der Schmach, nach Köln-Müngersdorf zurück und hat sich sehr viel vorgenommen – was laut den Verantwortlichen aber überhaupt nichts mehr mit dem 1:7 vor Jahresfrist zu tun hat. Werders Vergleichswert ist vielmehr das jüngste 1:2 gegen Heidenheim, denn „da haben wir Punkte aus der Hand gegeben, was in der Form nicht hätte sein müssen“, betont Clemens Fritz als Leiter Profifußball.
In der Tat: Das Heidenheim-Spiel hat am vergangenen Wochenende nicht nur die Feierlaune rund um Werders 125. Geburtstag nachhaltig eingetrübt, sondern auch eine Bremer Siegesserie von zuvor drei Partien am Stück jäh beendet. Am Freitag soll nun bestenfalls direkt die nächste gestartet werden – oder wie Fritz es ausdrückt: „Wir müssen das Momentum wieder auf unsere Seite holen. In den letzten Wochen haben wir guten Fußball gespielt und entsprechend gut gepunktet. Das wollen wir auch in Köln wieder machen.“
Die Schwierigkeit bei diesem Plan: Auch für den Effzeh lief es zuletzt mindestens ordentlich, die Mannschaft, so scheint es, hat sich unter Neu-Trainer Timo Schultz inzwischen stabilisiert. Seit der 46-Jährige im Januar die Nachfolge von Steffen Baumgart übernahm, haben die Kölner von fünf Ligaspielen nur eines verloren (mit 0:4 gegen Dortmund) und insgesamt sechs Punkte eingefahren. Ein Befreiungsschlag im Tabellenkeller war das freilich noch nicht, und doch wirkt die Mannschaft deutlich gefestigter, was vor allem im 2:0-Heimsieg über Eintracht Frankfurt Ausdruck fand.
„Sie haben sich stabilisiert und bringen jetzt noch mehr Geschwindigkeit auf den Platz, vielleicht auch, weil der eine oder andere klare Zielspieler zuletzt gefehlt hat“, sagt Werder-Coach Werner über den kommenden Gegner, bei dem in Mark Uth, Luca Waldschmidt und Ex-Bremer Davie Selke gleich drei Mittelstürmer verletzt ausfallen. Eine Personallage, die Schultz zum Experimentieren zwingt. So muss aktuell der etatmäßige Rechtsaußen Jan Thielmann als Stoßstürmer im 4-5-1-System aushelfen. Beim Heimsieg gegen Frankfurt glänzte der 21-Jährige vor zwei Wochen als Torschütze. Auch die Bremer Abwehr dürfte es mit ihm zu tun bekommen. Vor dem Werder-Spiel betont Schultz: „Ich schaue schon, was mir der Gegner anbietet und wer gut trainiert. Aber eine Kontinuität auf dem Platz ist in unserer Lage selbstverständlich.“
Früher, während seiner aktiven Laufbahn, war der Kölner Trainer von 1995 bis 2000 für den SV Werder aktiv gewesen, nicht für die Profis zwar, aber als wichtige Säule der zweiten Mannschaft. Entsprechend groß ist seine Verbundenheit mit Grün-Weiß. „Bremen ist ein toller Verein, und ich freue mich, wenn ich dort ins Stadion gehen kann. Für mich persönlich war es mein erster Verein. Ich hatte tolle Jahre dort“, sagt er. Schultz' Blick auf die aktuelle Werder-Mannschaft ist derweil von großem Respekt geprägt: „Sie haben doppelt so viele Tore geschossen wie wir und haben zehn Punkte mehr geholt“, sagt er – und hebt hervor: „Es ist ein Gefüge, das sich entwickelt hat und Punkte einfährt. Sie können für uns auch ein kleines Vorbild sein.“
Sätze, die am Osterdeich sicher wohltuend klingen, von denen sich Werder aber tunlichst nicht blenden lassen sollte. Bei einem Sieg in Köln würde man den Rivalen schließlich auf 13 Punkte Abstand distanzieren, was ein großer Schritt wäre – und für die Gäste auch unabhängig von der Höhe des Resultats ganz sicher eine geglückte Revanche für das 1:7.