Peter Sander ist bei Airbus der Mann für die Zukunft. Mit einem fünfköpfigen Kernteam und etwa 60 Mitarbeitern im weltweiten Airbus-Reich tüftelt der Daniel Düsentrieb von Europas größtem Flugzeugbauer an der Industrie-Welt von morgen. Und die hat es in sich. „Wir stellen den gesamten Produktionsprozess auf den Kopf“, sagt der braun gebrannte Hobby-Segler ganz unbescheiden. Der 58-Jährige ist bei Airbus unter anderem für die Einführung des 3-D-Drucks in die Flugzeugproduktion zuständig. Er hat die Philosophie des Konzerns gekippt, Bauteile nur noch von Zulieferern zu beziehen.
„Es ist bereits entschieden, dass Airbus künftig zehn Prozent seiner Bau- und Ersatzteile selbst herstellen will“, sagt der frühere Hamburger Leiter der A380-Produktion. Airbus hat dafür eigene 3D-Drucker gekauft und will weitere erwerben. Sander: „2016 beginnen wir damit dann mit der Serienproduktion von Bauteilen aus Titan, Mitte 2016 aus Edelstahl und ab 2017 aus Aluminium.“ Gerade schaut sich Sander einen neuen Drucker-Typ in Südafrika an: „Bei der Firma Aero-Sud steht der weltweit bisher leistungsstärkste 3D-Drucker.“ Komponenten von zwei Metern Länge seien damit produzierbar.
Das Wort Drucker ist allerdings irreführend: die mit Aluminium- oder anderem Metallpulver befüllten Industriegeräte drucken nicht, sondern bauen dreidimensionale Werkstücke schichtweise auf, nachdem das eingescannte Bauteil im Rechner zum digitalen Modell verarbeitet wurde. Die Branche spricht daher von „Additive Layer Manufacturing“ – der in Schichten aufbauenden Fertigung. Die Bauteile werden also nicht mehr aufwendig aus einem Block herausgefräst, sondern Millimeter für Millimeter aufgebaut. Dabei sind laut Airbus bis zu 90 Prozent Materialersparnis möglich – und Strukturen, die bei gleicher oder besserer Stabilität leichter und filigraner sind.
Sander, der sich gerne von der Natur inspirieren lässt, verweist auf das Modell einer Flügelklappe. Das Metallstück besteht nicht mehr aus vernieteten Metallspanten, sondern aus einem Guss. An der Unterseite hat es die stabilen Strukturen einer Seerose. Es ist preisgünstiger, leichter und stabiler und könnte ab 2018 in Serienfertigung gehen.
Vom Bikini über Prothesen, Fahrräder und Autos reicht die Spanne der Produkte, die heute per 3D-Druck bereits weltweit hergestellt werden. In China sorgen Häuser für Furore, die mit diesem Verfahren aus recyceltem Material errichtet werden. Nach einer Übersicht des US-Experten Terry Wohlers hatte der 3D-Druck in den vergangenen drei Jahren einen Marktzuwachs von weltweit mehr als 30 Prozent. Vor allem China und die USA sind bei der Entwicklung führend. In Deutschland gehören Concept Laser in Lichtenfels, EOS in München oder SLM in Lübeck zu den Branchengrößen.
Airbus arbeitet beim 3D-Druck mit der Tochter Premium Aerotec (PAG) zusammen. Im Werk in Varel bedeutet der Wandel, dass 50 Prozent der Teile künftig im
Drucker entstehen und nicht mehr gefräst werden müssen, sagt Sander. Das Luftfahrtbundesamt habe den Produktionsbetrieb für den 3D-Druck bereits zugelassen, bestätigt PAG-Sprecher Jens Krüger und ergänzt: „Mit der Titan-Serienfertigung für ein Teil des Militärtransporters A400M haben wir schon begonnen.“ Dabei handelt es sich um ein kompliziert herzustellendes Krümmerteil.
Bei Zivilmaschinen wird mit Haltern begonnen, wie sie seit einem Jahr in Testmaschinen vom Typ A350 eingebaut werden. Zudem sollen Ersatzteil-Sets aus dem 3D-Druck angeboten werden, die problemlos bei der Wartung älterer Jets eingebaut werden können. Leichtere Rollen können etwa im Frachtbereich einige Dutzend Kilo Gewicht einsparen.
Sander musste nicht lange Überzeugungsarbeit für den Aufbau seiner Einheit leisten. „Das kam direkt von Konzernchef Tom Enders.“ Seit vier Jahren forscht er nun, wie sich die Produktion verbessern lässt und sieht den 3D-Druck dabei als Kernelement. Sander: „Nicht nur der Flugzeugbau ist von der Umwälzung durch den 3D-Druck betroffen – das wird alle Industriezweige betreffen; aber die meisten Unternehmer bei uns haben das noch nicht so recht begriffen.“
Der 3D-Drucker-Markt
Der Markt der 3D-Drucker boomt. Zum 1. Januar 2014 ist das Patent für eines der Druckverfahren ausgelaufen, seither hat sich die Technik rasant entwickelt. Experten sind sich in ihrer Bewertung indes uneins: Manche sprechen von der dritten industriellen Revolution, andere gehen davon aus, dass sich die Geräte nur in einigen Branchen durchsetzen. Tatsächlich kann mit einem 3D-Drucker jedermann zum Produzenten werden. Nötig ist ein 3D-Modell in Form eines Datensatzes, der Drucker und Kunststoff: Wie bei einem Tintenstrahldrucker wird bei Geräten für den Hausgebrauch erhitzter Kunststoff durch Düsen gespritzt und aufeinander geschichtet. So können etwa individuelle Ersatzteile entstehen. Von etwa 800 Euro an sind die Geräte für zu Hause zu kaufen. Inzwischen hat sich bereits eine 3D-Drucker-Szene entwickelt, bestehend aus sogenannten Makern, die ihre eigenen Entwürfe umsetzen können, Prototypen ausdrucken oder in Kleinstmengen Gegenstände aller Art herstellen. (ell)