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Schwertransport in Bremerhaven Transport der längsten Rotorblätter der Welt

In Bremerhaven hat die Firma Adwen, für den Bau einer acht Megawatt starken Testanlage für die Offshore-Windindustrie, die längsten Rotorblätter der Welt transportiert.
17.01.2017, 20:00 Uhr
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Transport der längsten Rotorblätter der Welt
Von Jürgen Hinrichs

In Bremerhaven hat die Firma Adwen, für den Bau einer acht Megawatt starken Testanlage für die Offshore-Windindustrie, die längsten Rotorblätter der Welt transportiert.

Die Bäume sind gerade erst gepflanzt worden, und da wäre es doch schade, wenn man ihnen jetzt zu Leibe rückte. Also vorsichtig, ganz langsam und mit wachem Auge! Millimeterarbeit, es sind wirklich nur Millimeter, die entscheiden. Haarscharf schrammt die Spitze des Rotorblattes an den Bäumen vorbei, noch nicht einmal ein Zweig, der berührt wird. Perfekt.

Der Mann mit dem Stick in der Hand versteht seinen Job. Er steuert per Fernbedienung ein Gefährt, das fast 100 Meter lang ist und sich wie eine Raupe fortbewegt. Transportiert wird an diesem Abend in Bremerhaven der längste Windflügel der Welt. Er misst 88,4 Meter und wird zum ehemaligen Flugplatz Luneort gebracht.

Acht Megawatt starke Testanlage

Die Firma Adwen baut dort eine acht Megawatt starke Testanlage für die Offshore-Windindustrie. Ein Projekt, das möglicherweise über die Zukunft des Unternehmens entscheidet, sicherlich aber auch über die Aussichten des geplanten und hoch umstrittenen Offshore-Terminals in Bremerhaven (OTB).

Es ist nur diese eine Stelle, die schwierig sein wird, alles danach ist ein Kinderspiel – knapp zwei Kilometer stur geradeaus bis zum Flugplatz. Nur hier, an der Ausfahrt des Werkgeländes von Senvion, wo die Rotorblätter zwischengelagert sind, muss ganz besonders aufgepasst werden.

Ein paar Verkehrsschilder, die im Weg stehen, haben die Leute von Adwen bereits entfernt, eine Ampel an der Kreuzung wurde kurzerhand umgelegt. Alles okay so weit, es fehlt nur noch die Polizei. Als sie kommt und die Straße absperrt, kann es losgehen.

Das Gefährt ist ein Multitalent

Die Raupe ist ein Self-Propelled Modular-Transporter (SPMT), ein Fahrzeug, das aus mehreren Plattformen besteht und im Ganzen 48 Achsen hat. Müsste man an dem Gefährt die Reifen wechseln, hätte man viel zu tun. Ein SPMT kann sich quer bewegen, auch diagonal oder so, dass sich das Fahrzeug wie ein Karussell komplett dreht. Schnöde geradeaus geht natürlich auch.

Jetzt erst einmal rückwärts, über die breite Straße hinweg und schräg in eine Zufahrt hinein, die an den Rändern mit Stahlplatten und Bohlen stabilisiert wurde, damit sich die Räder der Raupe nicht im Boden festfressen. Es ist einiges an Gewicht, was auf den Achsen lastet. Das Rotorblatt, blank und weiß, wiegt 34 Tonnen.

Nur einmal müssen die Arbeiter schauen, da stockt es ein wenig, weil die Bohlen sich verkantet haben. Aber dann ist auch das geschafft, und der Mann am kabellosen Fernlenker kann den Schalter umlegen und mit seinem Transporter die Fahrt gen Flugplatz antreten – mit der Rotorspitze vorn, die den Bäumen zwar nahekommt, als sich der SPMT dreht, sie aber in Ruhe lässt.

Bis Mittwoch sollen alle Rotorblätter auf ihrem Platz sein

Die beiden anderen Rotorblätter folgen. Bis Mittwoch liegen sie alle auf dem ehemaligen Flugfeld. Wann die XXL-Flügel, die in Dänemark produziert wurden, an den Generator geschraubt werden, steht nach Auskunft von Adwen noch nicht fest. Zunächst muss das Fundament für die Anlage fertiggestellt werden. Danach wird der Turm errichtet und die Gondel mit dem Generator obendrauf gesetzt.

Der Turm hat eine Nabenhöhe von 115 Metern. Um ihn zu bauen und die Flügel anzubringen, wird ein riesiger Kran benötigt. Die ersten Teile davon seien bereits da, erklärt eine Adwen-Sprecherin. Das Ungetüm kann die superschweren Lasten bis in eine Höhe von 130 Metern heben.

So geschwind die Flügel zum Flugplatz transportiert werden, so kompliziert gestalten sich offenbar die anderen Arbeiten. Der Prototyp sollte eigentlich längst stehen. Warum es Verzögerungen gibt, will Adwen nicht sagen. Der Testbetrieb wird zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Winderenergie und Energiesystemtechnik (IWES) organisiert. Erprobt wird zurzeit immerhin schon einmal der Generator.

Andere Hersteller testen schon

Zeit ist ein wichtiger Faktor. Der Hersteller Vestas hat eine Acht-MW-Turbine bereits in Betrieb. Siemens testet gerade eine. Wer kann sich am Markt durchsetzen? Für Adwen gibt es zusätzlich noch eine andere Unsicherheit. Das Unternehmen gehörte je zur Hälfte dem französischen Energiekonzern Areva und dem spanischen Windgeneratorenhersteller Gamesa.

Nachdem Areva seine Anteile an Gamesa verkauft hat, sind die Spanier alleinige Eigentümer. Gamesa freilich – das ist zu 59 Prozent Siemens, der stärkste Anbieter von Windkraftanlagen in Deutschland. Das Kartellamt prüft gerade, ob Siemens noch mehr Marktmacht aufbauen darf, wenn es sich über Gamesa auch Adwen einverleibt.

Sollte das Geschäft durchgewinkt werden, wäre ungewiss, ob Adwen an dem Standort noch eine Zukunft hat, denn Siemens baut in Cuxhaven gerade eine eigene Turbinen-Fabrik. Das Aus für Adwen in Bremerhaven würde nicht nur den Verlust von 700 Arbeitsplätzen bedeuten. Es hätte auch Auswirkungen für den geplanten OTB, weil sich noch stärker die Frage stellen würde, ob er überhaupt noch notwendig ist.

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