Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Projekt gegen Politikverdrossenheit 200 Schüler simulieren die Arbeit der Vereinten Nationen

Am Hermann-Böse-Gymnasium wird seit Mittwoch die Arbeit der Vereinten Nationen simuliert. 200 Schüler aus vielen Nationen sind nach Bremen gereist - und sind alles andere als politikverdrossen.
28.05.2015, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
200 Schüler simulieren die Arbeit der Vereinten Nationen
Von Kristin Hermann

Das Sakko sitzt, genauso wie die Argumente. Bluse und Hemd sind faltenfrei. Das Englisch tadellos. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) verhandelt gerade mit den Delegierten einzelner Länder über ein gemeinsames Vorgehen gegen den Islamischen Staat. In den Debatten geht es hitzig zu. Schickt man nur Pakete mit Lebensmitteln an Zivilisten? Geht man militärisch gegen die Dschihadisten vor und nimmt in Kauf, dass Zivilisten verletzt werden?

Das, was hier besprochen wird, ist nicht echt. Wichtig ist es trotzdem. Am Hermann-Böse-Gymnasium wird seit Mittwoch die Arbeit der Vereinten Nationen simuliert, der Name dafür: „Elephant Model United Nations“, kurz ELMUN. 200 Schüler aus vielen Nationen sind nach Bremen gereist, um zu beweisen, dass junge Menschen es nicht immer verdient haben, den Stempel der Politikverdrossenheit aufgedrückt zu bekommen. Die Vorurteile nerven die Schüler. Mit ihrer Teilnahme bei ELMUN wollen sie das Gegenteil beweisen.

Jiyan Bor sitzt am Mittwoch vier Stunden in einem Ausschuss. Die Bremerin vertritt die Interessen von Angola. Dabei denkt sich die 16-Jährige nichts aus. Vor einem Monat schon hatte sie Bescheid bekommen, dass sie den Staat in Südwestafrika bei den Vereinten Nationen vertreten wird. „Ich habe mich in den vergangenen Wochen intensiv in das Thema eingelesen, um hier mit Wissen punkten zu können“, sagt sie. In der aktuellen Sitzung geht es um Lobbyismus. Jiyan Bor und die anderen versuchen, Staaten von ihren Ansichten zu überzeugen und Netzwerke und Organisationen mit ihnen zu gründen.

Obwohl die 16-Jährige etwas nervös ist, merkt man ihr an, wie viel Freude ihr das Projekt bereitet. Mit Inbrunst trägt sie den übrigen Teilnehmern ihre Anliegen vor. Dass sie einmal mit so viel Leidenschaft dabei ist, hätte sie sich nicht träumen lassen. „Unser Lehrer hat unsere Klasse praktisch dazu gezwungen an ELMUN teilzunehmen“, berichtet sie „Und ich hatte gar keine Lust.“ Das hat sich jetzt geändert. Jiyan Bor interessiert sich für aktuelle politische Berichterstattung und will später als Juristin selber Menschen von etwas überzeugen.

Zugleich räumen sie und die übrigen Teilnehmer ein, dass nicht alle Gleichaltrigen so sind wie sie. Die geringe Wahlbeteiligung am 10. Mai in Bremen hat sie enttäuscht. Dass sich so wenig junge Menschen einbringen, liege mitunter aber nicht nur an den Schülern selbst, sagt Björn Brinkmann. vom Organisationsteam am Hermann-Böse-Gymnasium. „Einige Schulen befreien ihre Schüler für die Teilnahme an solchen Tagungen nicht gerne vom Unterricht“, so Brinkmann. Zudem gebe es nicht an allen Schulen politische Projekte wie ELMUN. Schulleiterin Sibylle Müller ist es wichtig, ihre Schüler bei der Teilnahme an solchen Wettbewerben zu unterstützen. „Nur so können wir dieser fatalen Wahlbeteiligung entgegenwirken“, sagt sie. Aus diesem Grund gebe es neben ELMUN auch noch andere politische Wettbewerbe und Projekte am Hermann-Böse-Gymnasium.

Im Organisationsteam für ELMUN sind alle schon bei internationalen Veranstaltungen im Ausland gewesen, unter anderem bei der größten Simulation der Vereinten Nationen überhaupt, in Den Haag. Was ihnen dabei besonders gefallen hat? „Der Perspektivwechsel“, sagt Nina Petzel. Gerade, wenn es um die Ukrainekrise geht, sei es sinnvoll, sich einmal in beide Parteien hineinzuversetzen. „Solche Gedanken würde ich mir sonst gar nicht machen“, sagt sie. Wenn sie jetzt Nachrichten höre, verstehe sie den Zusammenhang besser und hinterfrage auch die Berichterstattung zum Teil kritischer als früher.

Das bemerkt auch Randy Gerke, der das Organisationsteam bei seiner Arbeit als Lehrer unterstützt. „Je mehr Wettbewerbe dieser Art die Schüler mitmachen, desto selbstbewusster werden sie“, sagt er. Als ELMUN vor sieben Jahren am Hermann-Böse-Gymnasium eingeführt wurde, wollten Gerke und seine Kollegen zunächst nur erreichen, dass die Schüler ihr Englisch verbessern. Denn sie sind die ganze Zeit dazu verpflichtet, Englisch zu sprechen. „Herausgekommen ist aber viel mehr“, sagt Gerke.

Mittlerweile sind bei ELMUN schon etliche Freundschaften entstanden. Neben den fünf Bremer Schulen, die in diesem Jahr teilnehmen, sind Schüler aus mehreren deutschen Städten sowie aus Ländern wie Spanien, Portugal, Afghanistan, Gambia und Argentinien vertreten. Heute und Freitag werden die Politikinteressierten ihre Debatten in den Räumen des Radisson Blu Hotels weiterführen. Zusätzlich zu der Problematik rund um den Islamischen Staat diskutieren sie über internationale Entwicklungshilfe oder Cyberkrieg.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)