Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Flotte Flitzer 2000 PS im Schuppen 1

Ein Auto nur für eine Sportart: das Rennteam Weserkraft widmet sich dem Dragracing - und zeigt seinen schnellsten Wagen.
28.02.2016, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Kristina Bellach

Ein Auto nur für eine Sportart: das Rennteam Weserkraft widmet sich dem Dragracing - und zeigt seinen schnellsten Wagen.

Mit einer Hand am Dach zieht sich der hochgewachsene Mann hinter der langen Lenkstange hervor. Dann hat es Andreas Pleuß geschafft, und sich aus dem engen Nachbau eines 58er Chevrolets Impala befreit. Das Auto mit dem 1250 PS-Motor und zusätzlichen 800 PS durch eingespritztes Lachgas ist eben nicht für gemütliche Spazierfahrten gedacht. Der Chevrolet, den das Weserkraft Racing Team im Schuppen 1 der Überseestadt mehreren Dutzend neugierigen Motorsportfans präsentiert, ist ein Rennauto, der Dragster. Im Dragracing, einem in den USA der Nachkriegsjahre entstandenen Sport, geht es darum, kurze Distanzen wie eine Viertelmeile oder Achtelmeile auf gerader Strecke bei stehendem Start schnellstmöglich zurückzulegen.

In Deutschland noch kaum bekannt, gibt es in anderen europäischen Ländern wie England und Schweden lebhafte Dragracing-Szenen. Und genau dort wurde Andreas Pleuß, der Geschäftsführer des Unternehmens Weserkaft Sportsfood ist, fündig. „Ich war lange auf der Suche nach einem Auto, das es nicht so oft gibt.“ Gerade die klassische Karosserie hatte es dem Oldtimer-Fan angetan. Letztes Jahr war Pleuß bei Rennen bereits einen noch straßenzugelassenen Chevrolet Chevelle mit „nur“ 800 PS ohne Lachgas gefahren. „Wie Männer so sind: ich wollte gleich weitermachen und aufrüsten“, gibt er zu. Da der PS-starke Motor des Impala noch nicht genug war (zum Vergleich: ein alter Golf hat etwa 75 PS), wird das Lachgas, wenn der Flitzer bereits rollt, zugeschaltet. „Es geht darum, die Leistung auf die Straße zu bekommen“, erklärt der Mann mit dem dunklen Bart und der markanten Brille das Ziel des Dragsters.

Durch Luftdruck am Boden

„Na, wenn das Ding abfliegt, dann gute Nacht“, bangt ein Mann, der den technischen Details lauscht. Doch Pleuß und Teamchef Udo Fink – „ohne ihn würde ich keinen Meter fahren“ – können den Besucher beruhigen. „Der steigt nur vorne hoch“, berichtet Udo Fink. Das sehe zwar spektakulär aus, da man aber nicht in die Luft wolle, sei an dieser Stelle vorgesorgt. Eine so genannte Wheelie-Bar, die etwa zwei Meter hinter dem Fahrzeug herausragt, verhindert den Hochstart, 17 Zoll breite Reifen mit geringem Luftdruck kleben den Boliden förmlich auf den Grund.

Schaltet die Startampel auf grün, geht es darum, dass ein reaktionsschneller Fahrer die Kraft des Fahrzeugs optimal dosiert, um möglichst schnell vorwärts zu kommen. Nur sieben Sekunden benötigt Pleuß‘ Dragster, um eine Geschwindigkeit von 295,3 Stundenkilometern zu erreichen. „Ein echter Profimotor“, schwärmt Andreas Pleuß.

Bremsschirme verringern die Fahrt

Doch kann man das Gefährt überhaupt bremsen, überlegt der besorgte Zuhörer, während ihm Frauen, in hautengem Schwarz-Pink gekleidet, Häppchen anbieten. „In dem Moment, wo ich die Lichtschranke passiere, geh’ ich voll in die Bremsen“, erläutert der Pilot. Unter dem mächtigen Spoiler angebrachte Bremsschirme verringerten die Fahrt. „Sonst würde man das Ding nicht zum Stehen bekommen.“

Vor jeder Strecke, egal ob sie nun 400 oder 200 Meter kurz ist, müsse der Motor erneut geprüft werden. „Hier wirken enorme Kräfte“, sagt Udo Fink. Da müsse, allein der Sicherheit zuliebe, alles stimmen. Zum anderen erhöht ein optimal eingestelltes Auto die Chancen auf den Sieg. „Auf so einer kurzen Strecke gibt es keine zweite Chance, man kann den Gegner nicht nach der nächsten Kurve überholen. Alles konzentriert sich auf diesen einen Lauf“, beschreibt Udo Fink die Situation. Kein Fahrer könne während des Rennens analysieren, was in wenigen Sekunden passiert ist. Das übernimmt ein Messsystem, das Temperaturen und Drehzahlen auf den Grund geht.

Rennstrecken auf Flugplätzen

Gefahren hat Andreas Pleuß seinen Rennwagen in Deutschland noch nicht. Nur in Malmö, dort gibt es nämlich die richtigen Rennstrecken. Die seien auf Flugplätzen gelegen und mit einem Kleber behandelt, der den Reifen optimalen Halt biete. „In der Regel haben Flugplätze normalen Asphalt“, zeigt Pleuß das in Deutschland herrschende Manko auf. Hier präpariere niemand ein Rollfeld. „Wenn man Pech hat, hat man dann 400 Meter schwarze Streifen.“ Die durchdrehenden Reifen zu vermeiden, das sei die Kunst.

Die Speeddays im thüringischen Alkersleben Anfang Juni sollen der Start in die Rennsaison sein. Andreas Pleuß’ eigentliches Ziel: Die European Drag Racing Series mit Großveranstaltungen wie einem Rennen auf dem Hockenheimring oder dem britischen Santa Pod Raceway.

Wie viel sein flotter Flitzer gekostet hat, das verrät Andreas Pleuß nicht. „Motorsport ist immer teuer“, sagt er grinsend und zuckt die Achseln. Den Sinn, nein, den könne er auch nicht erklären – für alle die, die über diese Sportart nur den Kopf schütteln. „Es ergibt keinen Sinn, und genau das ist der Reiz daran.“ Kurz überlegt der Rennfahrer noch – und sagt, wieder grinsend: „Leider geil.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)