Was treiben die Reichsbürger in Bremen? Gibt es sie überhaupt in nennenswerter Zahl und zeigen sich bereits Ansätze organisierter Strukturen? Diesen Fragen will sich das Landesamt für Verfassungsschutz verstärkt zuwenden, denn: Wirklich auf dem Schirm haben die Bremer Schlapphüte die Bewegung erst seit relativ kurzer Zeit.
Beim Stadtamt hatten sich Fälle gehäuft, in denen Verkehrssünder die Zahlung von Bußgeldern verweigerten – unter Verweis auf die angebliche Nichtigkeit der zugrunde liegenden Rechtsordnung. Stattdessen erhielt die Behörde „Abmahnungen“ wegen angeblicher Nötigung, Willkür und Rechtsbeugung. Im Juni verfasste der Verfassungsschutz daraufhin einen Leitfaden für alle Behörden mit Empfehlungen, wie mit Reichsbürgern umzugehen sei. Darin wird allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geraten, sich nicht auf pseudo-juristische Debatten einzulassen, sondern Widersprüche von Reichsbürgern gegen Rechtsakte der Behörden „schlicht als unbegründet zurückzuweisen“.
Für eine fundierte Einschätzung des quantitativen und qualitativen Potenzials der Reichsbürger in Bremen fehlt für Verfassungsschutz-Chef Dierk Schittkowski noch die Basis. Das Phänomen der politisch-historischen Realitätsverweigerer sei deshalb ein wichtiges Aufklärungsfeld für seine Behörde. „Das wird in nächster Zeit eines unserer Top-Themen“, kündigt Schittkowski an. Nach seiner Wahrnehmung speist sich die Anti-Haltung gegenüber staatlichen Institutionen, die die Reichsbürger eint, aus unterschiedlichen Quellen. Da gibt es zum einen hartgesottene Rechtsextremisten, die der Bundesrepublik und ihrer Rechts- und Gesellschaftsordnung grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen und ihren Organen die Legitimation absprechen.
„Eine andere Gruppe sind Leute, die tatsächlich an den Fortbestand eines Deutschen Reiches glauben und am liebsten wieder einen Kaiser hätten“, so Schittkowski. Reichsbürger dieser Güteklasse tauchen in jüngster Zeit häufiger beim Stadtamt auf, um sich eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen. Diese rechtliche Möglichkeit besteht tatsächlich. Sie fußt auf nach wie vor gültigen Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes aus dem Jahr 1913. Aus der guten alten Zeit also, in der die „BRD“ noch keine von den USA geformte „GmbH“ war, wie es einschlägigen Websites im Internet heißt.
Ein dritter Typus, den man zahlenmäßig nicht unterschätzen dürfe, ist für Schittkowski der Querulant im Reichsbürgergewand. Leute also, die ihre Stänkerei neuerdings ideologisch aufladen.
Auch das Innenressort das Thema auf der Agenda
Den Staatsschützern der Bremer Polizei ist zurzeit nur eine Handvoll Personen bekannt, die sich mit einiger Sicherheit der Reichsbürgerszene beziehungsweise ihrer Spielart „Republik Freies Deutschland“ zuordnen lassen. In einem Fall ist nach Angaben von Behördensprecher Nils Matthiesen ein Ermittlungsverfahren wegen des Missbrauchs von Autokennzeichen anhängig. Dabei geht es um einen Mann, der seinen Wagen an der Gedenkstätte am Rekumer U-Boot-Bunker abgestellt hatte. An dem Fahrzeug prangten einschlägige Schriftzüge, das Kennzeichen war mit einem Stück Stoff in den Farben des Deutschen Kaiserreichs (schwarz-weiß-rot) abgedeckt. „Wir haben das Thema auf der Agenda und sind sensibilisiert“, versichert Matthiesen.
Das gilt auch für das Innenressort des Senats. Die Behörde ist für die turnusmäßige Zuverlässigkeitsprüfung zuständig, der die Inhaber von Waffenbesitzkarten unterliegen. In der Regel sind das Sportschützen und Jäger. Vor einigen Jahren hatte die Innenbehörde einem NPD-Funktionär wegen dessen erwiesener Verfassungsfeindlichkeit die Waffenbesitzkarte entzogen – eine Entscheidung, die 2015 vor dem Oberverwaltungsgericht Bestand hatte. Man werde bei bekennenden Reichsbürgern künftig verstärkt darauf achten müssen, ob man ihnen weiter eine Waffenbesitzkarte belassen kann, so Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler.