Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Schüsse auf 17-jährige Bremerin Schütze war SEK-Beamter

Der Polizeibeamte, der in der Nacht zum Sonnabend eine 17-jährige Bremerin schwer verletzte, gehört zum Spezialeinsatzkommando (SEK) der Bremer Polizei. Die junge Bremerin wurde am Montag erneut operiert.
07.03.2016, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Schütze war SEK-Beamter
Von Ralf Michel

Der Polizeibeamte, der in der Nacht zum Sonnabend eine 17-jährige Bremerin schwer verletzte, gehört zum Spezialeinsatzkommando (SEK) der Bremer Polizei. Die junge Bremerin wurde am Montag erneut operiert.

Der Polizist, der in der Nacht zum Sonnabend mit mehreren Schüssen durch eine Tür eine junge Bremerin schwer verletzt hat, gehört dem Spezialeinsatzkommando (SEK) der Bremer Polizei an. Laut Staatsanwaltschaft hospitierte der Mann bei seinen Kollegen im Streifendienst. Der SEK-Beamte saß in einem der beiden Streifenwagen, die wegen einer Schlägerei zu dem Wohnhaus Ecke Tiefer/Balgebrückstraße gerufen worden waren.

Die von Kugeln getroffene 17-Jährige schwebe nicht in Lebensgefahr, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade, am Montagnachmittag. Um die Patientin ruhigzustellen, sei sie aber zwischenzeitlich von den Ärzten in ein künstliches Koma versetzt worden. Am Montag wurde sie laut Passade erneut operiert.

Zu den näheren Umständen der Tat konnte der Oberstaatsanwalt keine neuen Angaben machen. Man gehe davon aus, dass es seitens der Polizei nur einen Schützen gab. Aber die Zeugenvernehmungen hätten gerade erst begonnen.

Wie berichtet, war die Polizei in der Nacht zum Sonnabend wegen einer vermeintlichen Schlägerei auf einer Party alarmiert worden. Als die Beamten an der Tür klopften, soll diese einen Spalt breit geöffnet worden sein und ein Mann – wahrscheinlich der Wohnungsinhaber – mit einer Gaspistole auf die Polizisten gefeuert haben. Daraufhin schoss offenbar einer von ihnen fünfmal zurück. Drei der Kugeln verletzten die 17-Jährige in der Wohnung.

2015 nur ein Warnschuss

Der Schütze konnte hierzu noch nicht befragt werden. Er ist laut Passade krankgeschrieben. „Außerdem ist er ein Beschuldigter und könnte die Aussage verweigern.“ Ermittelt werden könnte gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung oder auch wegen versuchten Totschlags. „Das hängt davon ab, wie sich der objektive Sachverhalt darstellt.“

Die Vernehmung der Polizisten führen interne Ermittler der Innenbehörde durch. Die Polizei selbst sei aus dem Fall komplett heraus und beantworte in Absprache mit der Staatsanwaltschaft auch keine Medienanfragen zu diesem Vorgang, erklärt eine Sprecherin der Polizeipressestelle.

Unkommentiert bleibt damit aus Reihen der Polizei der Umstand, das gleich fünf Schüsse auf die Wohnungstür abgegeben wurden. Fest steht aber, dass es sich dabei um einen außergewöhnlichen Vorfall handelt. In den vergangenen 20 Jahren ist es der Polizei zufolge nur in wenigen Fällen zu Schussabgaben von Bremer Polizisten gekommen. Für das Jahr 2015 stehe zum Beispiel nur ein Warnschuss zu Buche, der bei einem Einsatz abgegeben wurde.

Einsatzkräfte von Spezialeinheiten nehmen nach Angaben der Polizei genauso an den regelmäßigen Standard-Schießtrainings teil wie etwa Polizisten des Einsatzdauerdienstes. Darüber hinaus gebe es für SEK-Beamte spezielle Fortbildungsmaßnahmen, die den Anforderungen ihrer Aufgabe entsprechen, zum Beispiel eine Ausbildung und ein Schießtraining mit anderen Waffen.

Die Frage, wie es zu den insgesamt fünf Schüssen kam, beschäftigt auch die Staatsanwaltschaft. Tatsächlich frage man sich, wie das passieren konnte, sagte Frank Passade. Bislang habe er dafür keine Erklärung.

Die Vorgaben für den Schusswaffengebrauch sind im Bremischen Polizeigesetz verankert. „Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs erfolglos angewendet worden sind oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen“, heißt es dort in Paragraf 46. Unzulässig ist der Waffengebrauch, wenn Unbeteiligte, insbesondere in einer Menschenmenge, mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. „Das gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist“, heißt es weiter. Allerdings darf auch dann keine Lebensgefahr für Unbeteiligte entstehen. „Mittäter und Teilnehmer der Tat“, die den Schusswaffengebrauch erfordern, gelten dabei nicht als Unbeteiligte.

Paragraf 47 listet auf, wann Schusswaffengebrauch gegen Personen zulässig ist. Der zentrale Satz findet sich gleich im ersten Absatz: „...nur, um eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwenden“.

„Antrainierter Reflex“

Ob sich die Schussabgabe im Rahmen des Polizeigesetzes bewegt hat, versucht die Staatsanwaltschaft durch die Zeugenvernehmung zu klären. Die Deutsche Polizeigewerkschaft Bremen legte sich bereits fest: „Nach allem, was wir wissen, hat die Polizei rechtmäßig gehandelt“, erklärte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft, Jürn Schulze, in einer Stellungnahme. „Nachdem unvermittelt auf die Beamten geschossen wurde, bestand auch keine andere Möglichkeit.“

Den tragischen Verlauf habe niemand vorhersehen können, betonte Schulze. Es sei aber unmöglich, innerhalb von Sekundenbruchteilen zu erkennen, mit welcher Art Waffe geschossen werde: „Es knallt, und man muss reagieren, um sich und andere vor dem Angriff zu schützen. Das ist zu einem gewissen Grad ein antrainierter Reflex.“ Alles Weitere müssten die Ermittlungen zeigen, so Schulze. An der Notwendigkeit des nun einsetzenden Strafverfahrens gebe es keinen Zweifel.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)