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Bremen Wellnessvormittag für Bedürftige

Beim Wellnesstag haben sich Obdachlose und Bedürftige am Sonnabend mal verwöhnen zu lassen können. Im Angebot: Flotte Musik, ein leckeres Frühstück, eine warme Dusche und schicke Haarschnitte.
21.02.2016, 00:00 Uhr
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Von Kristina Bellach

Beim Wellnesstag haben sich Obdachlose und Bedürftige am Sonnabend mal verwöhnen zu lassen können. Im Angebot: Flotte Musik, ein leckeres Frühstück, eine warme Dusche und schicke Haarschnitte.

Schnipp-schnapp – und die grauen Locken fallen zu Boden. Linda Winkelmann genießt sichtlich den flotten Kurzhaarschnitt, den Friseurin Lisa Hardtke ihr gerade verpasst. „Mich stören die Haare, die hängen immer ins Gesicht“, sagt sie. Der „Wellnesstag für Leib und Seele“ für Obdachlose und Bedürftige ist für die Seniorin, die sich von ihrer winzigen Rente nur das Allernötigste leisten kann, eine Gelegenheit, sich rundum verwöhnen zu lassen.

Vor einem Jahr hat Linda Winkelmann schon einmal bei der vom Malteser Hilfsdienst, der St.-Johannis-Schule, des Caritasverbands und des Atlantic Grand Hotels gemeinsam organisierten Aktion teilgenommen. „Diesmal hab ich mich wieder richtig drauf gefreut“, erzählt sie. Alles, aber auch wirklich alles, habe ihr gefallen: von den freundlichen, ehrenamtlichen Helfern der Schule und der beiden Wohlfahrtsverbände, über die Musik des Trio Royal, die frühlingshafte Tischdeko bis hin zu dem leckeren Frühstück.

Dann beginnt die alte Dame mit der weiten grünen Jacke und der schwarzen Bauchtasche zu erzählen. Im Krieg sei sie geboren. „Das war schlimm damals. Wir hatten nur Hunger und Angst.“ Später habe sie lange Jahre als Verkäuferin gearbeitet. Die Plackerei hat sich aus ihrer Sicht nicht entlohnt. „Alles, was nichts kostet“ nimmt sie mit, um über die Runden zu kommen: Das Essen bei den Suppenengeln, die Klamotten aus der Kleiderkammer. „Aber ich bin zufrieden und komme damit aus“, sagt sie bescheiden.

Eine warme Dusche, Kaffee satt, Gespräche über das Leben, über Erlebtes, all das gibt es an diesem Vormittag in den Räumen der St.-Johannis-Schule im Schnoorviertel. „Himmlisch“ sei es hier, schwärmt Simon Leuthold. Besonders die Massage der Shiatsu Regionalgruppe Bremen hätte so gut getan. Nur ein Manko habe der Wohlfühlmorgen: er findet nur einmal im Jahr statt – das sei viel zu selten. „Wenn‘s nach uns ginge, könnte man sowas jede Woche machen“, stimmt Malteser-Pressesprecher Andreas Schack zu. Kosten, Organisation und Räumlichkeiten limitierten die Bereitschaft leider. Zwar gäbe es vieles, was an diesem Morgen im Angebot sei, an irgendeiner Stelle in Bremen – oft jedoch separat und „ohne das gewisse Extra“. Bei Livemusik zu Frühstücken, sich frisurenmäßig zu verwandeln, einen halben Tag Aufmerksamkeit und Freude zu bekommen, sei eben ein Stückchen mehr, so Schack.

Mit rund 200 Gästen ist der Wellness-Vormittag außerordentlich gut besucht. „Als ich um 9.30 Uhr hier ankam, war vor der Tür schon eine Schlange“, schildert Martin, der in Findorff auf Platte lebt. Sobald sich die Türen öffneten, seien alle 125 Sitzplätze fürs Frühstück besetzt gewesen. Martin ist einer der wenigen, die hier sind und kein festes Dach über dem Kopf haben. Die meisten haben einen festen Wohnsitz, sind bei Bekannten untergekommen oder leben in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe. „Die auf der Straße leben, haben sich oft aus dem System ausgeklinkt“, erläutert Schack ihre Abwesenheit.

Die meisten, die hier sind, seien meist guter Dinge und voller Pläne für den Tag. „Es ist sehr schön, mal betüddelt zu werden“, sagt Mika Pitkanen, der auf seinen Haarschnitt wartet. Der Mann, der im Papageienhaus wohnt, hat das Frühstück zugunsten des Wellness-Angebots ausfallen lassen: „Erst will ich schick sein“, sagt er, dann will er sich bei Ärztin Gabriele Steinbach behandeln lassen, und schließlich mit einer Portion Grünkohl im Bauch weiterziehen. „Danach gehe ich in die Neustadt und zeige meinen Freunden die neue Frisur.“

Neben all den Angeboten für die menschlichen Besucher gibt es auch etwas für ihre vierbeinigen Begleiter. Futter vom Bremer Tierschutzverein und eine tierärztliche Untersuchung sind für die Hunde, die viele der Bedürftigen durchs Leben begleiten, vorgesehen. „Schandra, sitz“, weist Olaf Zerbe seinen quirligen Jack Russell Terrier für die kostenlose Behandlung durch Tierärztin Bettina Heine an. Ein Rundumcheck, Impfen und Entwurmen sind angesagt. Schandra macht alles geduldig mit und quietscht vor Vergnügen, als sie fertig ist. Auch Zerbe strahlt. Beim letzten Wohlfühlmorgen, erinnert sich Heine, hätten viele Gäste gedacht, Tiere seien unerwünscht und hatten sie zu Hause gelassen. Doch die Veterinärin weiß, wie wertvoll Hunde für das Leben ihrer Besitzer sind. Umso mehr freut Heise sich, dass ihr improvisierter Behandlungsraum ordentlich genutzt wird.

In der Zwischenzeit ist Linda Winkelmanns neue Frisur fertig. „Ich fühle mich wie neugeboren“, sagt sie und betrachtet sich lächelnd im Spiegel.

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