In mehr als 100 Städten ist die Belastung mit giftigem Stickstoffdioxid zu hoch. Umweltverbände fordern die Einführung einer neuen Autoplakette, um die Luftqualität zu verbessern. Das Bundesumweltministerium ist angetan von der Idee.
Während die Feinstaub-Belastung in den deutschen Ballungszentren in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist, konnte ein anderer Schadstoff in vielen Kommunen kaum reduziert werden: das nicht minder gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid, das vor allem von Dieselfahrzeugen ohne geeignete Abgasreinigung ausgestoßen wird. Laut Umweltbundesamt, das am Dienstag in Berlin seinen Jahresbericht vorgestellt hat, liegt die mittlere jährliche Stickstoffdioxid-Belastung an rund zwei von drei verkehrsnahen Messstationen über dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter. Mehr als 100 Städte, darunter auch Bremen und Bremerhaven, sind betroffen. „Die gesundheitliche Beeinträchtigung der Bevölkerung ist zu groß“, sagt Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamts. Stickstoffdioxid könne ernsthafte Beschwerden wie Atemwegserkrankungen hervorrufen. Krautzberger fordert daher dringend mehr Engagement beim Reinhalten der Luft.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) haben genaue Vorstellungen darüber, wie dieses Engagement aussehen sollte. In einer gemeinsamen Pressekonferenz rufen die Verbände die Bundesregierung zum Handeln auf und fordern die Einführung einer „Blauen Plakette“. „Wir brauchen diese Kennzeichnung für besonders schadstoffarme Fahrzeuge, um den Ländern und Kommunen ein wirksames Instrument zur Minderung der Stickstoffdioxid-Belastung in die Hand zu geben“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. In hoch belasteten Kommunen sollten nur noch „saubere Fahrzeuge“ fahren, um die Gesundheit der Bewohner zu schützen und teure Sanktionen der EU zu vermeiden.
„Die Menschen haben ein Recht auf saubere Luft“, bekräftigt BUND-Experte Jens Hilgenberg. Es gebe die Zusicherung der EU-Kommission, dass Verstöße gegen die Grenzwerte geahndet würden. „Wir wollen aber nicht, dass es so weit kommt“, so Hilgenberg. Die neue Plakette sei eine Weiterentwicklung der bestehenden Umweltzonen-Regeln mit den schon existierenden gelben, grünen und roten Plaketten. Dies könne dazu beitragen, die Lebensqualität in den Städten zu verbessern. Die Umweltverbände schlagen vor, dass alle Fahrzeuge, die die Stickstoffdioxid-Grenzwerte der Eurostufe 6/VI einhalten, den blauen Aufkleber bekommen sollen. Das treffe derzeit auf mehr als 60 Prozent der Pkw zu. Im Bundesumweltministerium ist man offenbar angetan von der Idee. Es würden zurzeit „Überlegungen zu einer Novellierung angestellt, die den Anliegen der Umweltverbände entgegenkommt“, erklärt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage unserer Zeitung.
Auch Bremens Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) begrüßt die Initiative. „Jede Maßnahme, dieses Thema in das öffentliche Bewusstsein zu bringen, ist zu unterstützen“, sagt er. Es sei ein hohes Anliegen, die Stickoxid-Konzentration zu vermindern. „Allerdings wollen wir zunächst noch weitere Erfahrungen mit der grünen Plakette sammeln“, so der Senator. Wichtig seien zudem Anreize für die Bürger, ganz auf ihre Autos zu verzichten.
An der Messstation Dobbenweg erreichte die Jahreskonzentration im vergangenen Jahr 44 Mikrogramm pro Kubikmeter, an der Nordstraße waren es 46 und an der Cherbourger Straße in Bremerhaven 44 Mikrogramm. Die Belastung in der Hansestadt liegt demnach nur geringfügig über dem EU-Grenzwert. Zum Vergleich: Der Spitzenwert (89 Mikrogramm) wurde in Stuttgart gemessen.
Ebenfalls betroffen ist Niedersachsen. In fast allen Großstädten des Bundeslandes wurde der Grenzwert nicht eingehalten. Auffallend hoch ist die Belastung in Oldenburg (54 Mikrogramm). Thorsten Bullerdiek, Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds, steht einer neuen Umweltplakette jedoch skeptisch gegenüber: Der bürokratische Aufwand sei enorm. Darum müsse geprüft werden, ob es noch andere Wege gebe.