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Hatz gegen Sexualstraftäter Eklat bei Eurogate

Ein Mitarbeiter des Hafenbetreibers Eurogate wurde wegen Missbrauchs rechtskräftig verurteilt - jetzt will er weiterarbeiten. Die Belegschaft streikt dagegen, der Betriebsrat versucht zu beruhigen.
27.06.2013, 05:00 Uhr
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Von Gesa Wicke

Ein Mitarbeiter des Hafenbetreibers Eurogate wurde wegen Missbrauchs rechtskräftig verurteilt - jetzt will er weiterarbeiten. Die Belegschaft streikt dagegen, der Betriebsrat versucht zu beruhigen.

Seit Tagen gibt es Proteste beim Hafenbetreiber Eurogate: Ein Kollege, der wegen Missbrauchs seiner Stieftochter rechtskräftig verurteilt wurde, will als Freigänger weiterarbeiten. Die Belegschaft reagierte mit Streik, der Betriebsrat versucht seither zu beruhigen. Rechtsexperten kritisieren das Verhalten der Mitarbeiter.

Die Stimmung am Containerterminal von Eurogate ist aufgeheizt. Der Fall eines Mitarbeiters, der wegen Missbrauchs seiner zehnjährigen Stieftochter rechtskräftig verurteilt wurde, sorgt hier seit Tagen für Wirbel. Am Freitag wollte der Mann seine Arbeit als Freigänger wieder aufnehmen – es kam zum Eklat: 300 Mitarbeiter des Hafenbetreibers legten spontan ihre Arbeit nieder.

"Ich hoffe, dass die Situation nicht aus dem Ruder läuft", sagt Holger Supa, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Eurogate. Seit Tagen versuche der Betriebsrat, die Lage zu entschärfen und die Gemüter zu beruhigen. "Das ist nicht einfach für uns", betont Supa. Zwar habe man die Belegschaft eindrücklich gewarnt, den Kollegen zu bedrohen, gar handgreiflich zu werden. Mehr könne man nicht tun. "Ich kann das Verhalten der Belegschaft gut nachvollziehen", sagt er. Es gebe bei Eurogate viele Familienväter, auch junge Mütter seien dort angestellt. "Für sie ist es absolut inakzeptabel, mit einem Sexualstraftäter zusammenzuarbeiten", so Supa. "Sie haben Angst, dass der Mann vielleicht rückfällig wird." Eine Sorge, die Elke Bahl für unbegründet hält. Bahl ist Geschäftsführerin der Bremischen Straffälligenbetreuung, bei der inhaftierte und haftentlassene Erwachsene Beratung und Unterstützung finden.

"Die Statistiken zeigen, dass die Rückfallgefahr deutlich sinken kann, wenn jemand schnell wieder in die Gesellschaft aufgenommen wird", so Bahl. Das Verhalten der Eurogate-Belegschaft grenze an Hatz und sei völlig inakzeptabel. "Der Mann hat seine Strafe bekommen, er darf durch die Ausgrenzung am Arbeitsplatz nicht doppelt verurteilt werden", sagt Bahl. Auch müsse sich in Bremerhaven niemand bedroht fühlen. "Es ist verwerflich, was der Mann getan hat", unterstreicht die Expertin. "Aber genauso verwerflich ist es, ihn so zu behandeln."

Mobbing statt Resozialisierung

Ähnlich sieht das Temba Hoch, Anwalt für Strafrecht. Er spricht von "Mobbing" seitens der Belegschaft und betont: "Der Grundgedanke unseres Strafrechts ist die Resozialisierung." Das heißt: Täter, die wie der Eurogate-Mitarbeiter zu einer Strafe von knapp drei Jahren verurteilt werden, sollen schnellstmöglich wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. "Besser noch, man lässt sie gar nicht erst rausfallen", sagt Hoch. Dass jemand, wie im aktuellen Fall, in den offenen Vollzug kommt und als Freigänger weiter seiner Arbeit nachgeht, sei daher nur förderlich. "Strafrechtlich ist das ein ganz normaler Vorgang", so Hoch.

Die jüngsten Ereignisse in Bremerhaven bezeichnet der Jurist als "absoluten Ausnahmefall". Etwas Vergleichbares habe er bisher noch nicht erlebt. "Es kommt immer wieder vor, dass Anwohner protestieren, wenn bekannt wird, dass ein Sexualstraftäter in die Nachbarschaft zieht", sagt er. Bundesweit habe man so etwas in den vergangenen Jahren mehrfach beobachten können. "Aber dass jemand am Arbeitsplatz derartig gemobbt wird, passiert eher selten", so die Einschätzung des Anwalts. Denn meist sei es nur dem Arbeitgeber bekannt, wenn ein verurteilter Straftäter eingestellt wird. Die Kollegen bekämen davon in der Regel nichts mit.

Eurogate hat unterdessen Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt. Das hatte vom Unternehmen verlangt, den 37-Jährigen weiter zu beschäftigen. Ob sich die jüngsten Streikaktionen der Belegschaft auf das Verfahren auswirken werden, ist laut Hoch schwer zu sagen. "Juristisch ist das eine komplizierte Lage", sagt er. So müsse das Gericht jetzt die Rechte des Einzelnen gegen jene des Arbeitgebers abwägen. "Dem entsteht natürlich erheblicher Schaden, wenn dort 300 Beschäftigte streiken", so Hoch.

Ob und wann der Mann seine Arbeit am Bremerhavener Containerterminal wieder aufnehmen wird, dazu wollte Eurogate bisher nichts sagen. Zuletzt hatte sich der 37-Jährige am Dienstag kurzfristig krank gemeldet.

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