Die Waller Stadtteilpolitik hat zwei Großprojekten ihre grundsätzliche Zustimmung erteilt, mit denen in den kommenden Jahren rund 600 neue Wohnungen in der Überseestadt entstehen sollen. Mit Wohlwollen wurde das Vorhaben eines Hamburger Investors begrüßt, der den Neubau von zehn Mehrfamilienhäusern am Kommodore-Johnsen-Boulevard plant. Grundsätzlich positiv wurde auch aufgenommen, dass ein Bremer Investor sich zutraut, den Schuppen 3 zu entwickeln. Bedauert wurde, dass dabei nur ein Bruchteil der historischen Bausubstanz des Hafengebäudes erhalten bleibt. Noch ungewiss ist, in welcher Form sich die Kreativwirtschaft in dem Projekt wiederfinden könnte.
Die Tagesordnung des Waller Fachausschuss „Überseestadt, Wirtschaft und Arbeit“ interessierte offensichtlich viele Wallerinnen und Waller. Wie wichtig der Stadt die Entwicklung des Schuppen 3 ist, zeigte sich auch an der Zahl der Vertreter aus Bau- und Wirtschaftsressort sowie Wirtschaftsförderung im Ortsamt West. Von einem Projekt von „zentraler Bedeutung“ sprach Dirk Kühling, Abteilungsleiter beim Senator für Wirtschaft und Häfen.
Für Stadtplanerin Georgia Wedler handelt es sich um ein „Kernstück der Überseestadt“. Noch ist das Gelände nicht verkauft, doch im Juni dieses Jahres soll die Transaktion über die Bühne gehen, so Kühling. Das Kaufpreisangebot stammt von Investor Ingo Damaschke, Chef der in Bremen ansässigen Asset-Firmengruppe. Das Unternehmen will rund 100 Millionen Euro investieren. Nach Abschluss der nötigen Genehmigungs- und Planungsverfahren könnte das Bauen auf dem 22 000 Quadratmeter-Grundstück Ende 2017 beginnen.
Im Bauressort hatte man sich bereits seit 2012 intensiv mit der Zukunft des Schuppen 3 beschäftigt, erinnerte sich Stadtplanerin Wedler. Die Ausschreibung im Jahr 2014 war erfolglos geblieben. Es war dann Jens Lütjen, Geschäftsführer des Bremer Immobilienunternehmens Robert C. Spies, der das Interesse des Investors an dem ambitionierten Projekt weckte. Die Asset-Gruppe war bislang vor allem in Berlin, Potsdam und Leipzig aktiv und habe dort auch Erfahrungen im Umgang mit alter Gebäudesubstanz gesammelt, so Damaschke. Makler Lütjen stellt sich ein Ambiente vor, das an den New Yorker Szeneviertel Meatpacking District erinnert. Doch auch wenn das Projekt den Namen trägt: Vom Schuppen 3 wird danach nicht allzu viel übrig bleiben. Anders als etwa der benachbarte Schuppen 1 steht das Hafengebäude aus den 1950er-Jahren nämlich nicht unter Denkmalschutz, erklärte Stadtplanerin Wedler. Die Stadt hatte sich allerdings den Erhalt der wasserseitigen Fassade ausbedungen. Die Planungen sehen nun vor, dass die innenstadtseitigen ersten rund 100 Meter der alten Bausubstanz saniert und in einen Neubaukomplex integriert werden. Laut Ingo Damaschke habe ein Bremer Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich, das noch nicht genannt werden wolle, Interesse an der Gewerbeimmobilie bekundet und wolle mit 500 bis 600 Mitarbeitern an den Standort ziehen.
Richtung Westen schließt sich ein 13-stöckiges Hochhaus an, dessen untere Etagen Raum für Büros und Dienstleister, die oberen für rund 100 Wohnungen bieten sollen. Hier könnte laut Lütjen auch eine Kindertagesstätte einziehen, die die Überseestadt für junge Familien attraktiver machen könnte.
In westlicher Richtung sollen entlang der Wasserseite acht Häuser mit fünf- oder sechs Etagen errichtet werden, die als Eigentumswohnungen vermarktet werden könnten. In zweiter Reihe, aber ebenfalls mit Weserblick, sollen auf der Seite der Konsul-Smidt-Straße schließlich zwei Riegelbauten mit 150 öffentlich geförderten Wohneinheiten entstehen. Auch hierfür gebe es bereits einen potenziellen Käufer, verkündete Damaschke: Die Gewoba habe Interesse signalisiert.
Der „Masterplan“ für die Entwicklung des Areals stammt von Manfred Schomers, der mit seinem Kollegen Rainer Schürmann das Büro a+s Architektur mit Sitz im Speicher I leitet. Zu den Referenzen der vielfach ausgezeichneten Architekten gehören unter anderem der Preis der Bremer Denkmalpflege 2010 für die Sanierung des Speichers XI. Die Planungen geben nur die grobe Struktur für die Bebauung vor. Konkrete Entwürfe sollen Architekturwettbewerbe liefern, die separat für Gewerbeimmobilie, frei finanzierten und öffentlich finanzierten Wohnungsbau ausgeschrieben werden. Im Rahmen eines weiteren Wettbewerbs sollen sich die Teilnehmer Gedanken über die Integration der Kreativwirtschaft machen: Dass für Akteure aus diesem Bereich 1000 Quadratmeter des Quartiers reserviert werden sollen, war ebenfalls eine der Bedingungen, die die Stadt vorgegeben hatte. Die aktuell ansässigen Nutzerinnen und Nutzern des Hafenschuppens unterstütze die Wirtschaftsförderung Bremen bei der Suche nach räumlichen Alternativen, hieß es.
Ausschusssprecher Wolfgang Golinski (SPD) entließ die Planer mit einem positiven Meinungsbild. Seine Stellvertreterin Cecilie Eckler-von Gleich (Grüne) gestand, dass sie „erstmal verdauen“ müsse, dass der eigentliche Schuppen 3 zu zwei Dritteln abgerissen werde. Die Waller Lokalhistorikerin wünschte sich mehr „Flair der Vergangenheit“, etwa ein Glas- oder Shed-Dach. Mit den konkreten Planungen wird sich der Beirat zu gegebener Zeit zu beschäftigen haben.
In einem Teil des sogenannten Baufeldes 8 am Kommodore-Johnsen-Boulevard baut die Hamburger DS-Bauconcept die neue Hansewasser-Hauptverwaltung. Für den anderen Teil stellte Projektleiter Kai Krüger die Neuigkeit vor: Dort sollen zehn fünfgeschossige Mehrfamilienhäuser nach Plänen der Hamburger Architekten Winking Froh entstehen. Die insgesamt rund 140 Mietwohnungen, überwiegend Zwei- und Dreizimmerwohnungen mit 50 respektive 80 Quadratmetern Wohnfläche, werden laut Krüger modern und ansprechend ausgestattet, sich aber nicht im preislichen „High End“-Bereich bewegen. Architekt Martin Froh plant helle Kuben, Spiel in die Fassaden soll die Kombination von sandsteinfarbenem Ziegel und Putz bringen. Gartenhöfe und Quartiersplätze sollen das Gelände auflockern. Die Erdgeschosse auf der Seite des Kommodore-Johnsen-Boulevard sind für gewerbliche Nutzung vorgesehen. Wohnquartier und Hansewasser-Komplex sind durch ein Parkhaus getrennt, das insgesamt 275 Stellplätze bietet. Die Hälfte davon soll in einem separaten Trakt für die Bewohner des Quartiers zur Verfügung stehen.
Die Mietwohnungen sind laut Krüger bereits an das Unternehmen Industria Wohnen verkauft. Das Wohnungsunternehmen mit Sitz in Frankfurt ist seit mehr als 60 Jahren am Markt und betreut bundesweit mehr als 15 000 Wohnungen. Baubeginn soll in diesem Juni sein, ein Jahr später soll die erste Musterwohnung besichtigt werden können. Mit der Fertigstellung des Bauvorhabens wird Ende 2017 gerechnet. Auch für diese Planung gab es die grundsätzliche Zustimmung im Ausschuss. CDU-Beiratsmitglied Franz Roskosch monierte allerdings, dass die Planer keine Nutzung für die Dachflächen vorgesehen haben.
Mit den beiden neuen Großprojekten wächst die Überseestadt weiter. Die Stadt hat mittlerweile ihre Prognosen nach oben korrigiert. Laut Stadtplanerin Georgia Wedler geht man inzwischen davon aus, dass irgendwann 7000 Menschen auf den ehemaligen Hafengebieten leben und 17 000 Menschen dort arbeiten werden.