Schulungen, Beratung und Bewegung – um krankheitsbedingte Ausfälle von Arbeitskräften zu vermeiden, setzen immer mehr Unternehmen auf ein facettenreiches Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Dieses soll möglichst gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen schaffen und Mitarbeiter zu einem gesundheitsbewussten Verhalten motivieren.
Sie dehnen sich, sie strecken sich, und vor allem lachen sie gemeinsam. Zwei Mal die Woche treffen sich die Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW) zur Mittagszeit auf der Dachterrasse der Falkenstraße, um dort gemeinsam der „bewegten Pause“ nachzugehen. Hierbei handelt es sich um ein 15-minütiges Sportangebot, das das Unternehmen seinen Angestellten im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) anbietet. „Die kleine Auszeit tut uns so gut“, betont Marina Woitkowski, Sachbearbeiterin der Berufsgenossenschaft. „Wir sitzen den ganzen Tag am Schreibtisch und bewegen uns kaum, da ist es sehr wichtig, zwischendurch die Muskeln aufzulockern und auf andere Gedanken zu kommen.“ Immer mehr Betriebe versuchen gezielt, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu stärken und so krankheitsbedingten Ausfällen vorzubeugen.
Häufig sind Rückenschmerzen
Laut des BKK-Gesundheitsreports 2013 sind Muskel- und Skeletterkrankungen, meist in Form von Rückenschmerzen, noch immer die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeitstage. Auf dem zweiten Platz stehen psychische Störungen. Bei den Erkrankungen könne mit einem guten BGM vorgebeugt werden, heißt es.
Zum BGM gehören neben der präventiven Gesundheitsförderung, zum Beispiel in Form von Bewegungsangeboten, auch das sogenannte Eingliederungsmanagement nach krankheitsbedingten Ausfällen, der Arbeitsschutz und ein Konzept für eine allgemeine gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung. Sprich, eine systematische Steuerung aller betrieblichen Rahmenbedingungen.
„Wer seine Mitarbeiter langfristig gesünder, leistungsfähiger und zufriedener machen will, muss ganzheitlich denken“, betont Matthias Warken, Referent für Betriebliches Gesundheitsmanagement der BGHW. Seit Ende 2012 ist der Psychologe für die Gesundheitsförderung im Unternehmen zuständig. Kleinere Maßnahmen, wie die „bewegte Pause“, kosten Unternehmen fast nichts, außer ein paar Minuten Zeit. Auch sonst seien die Kosten für den Aufbau eines nachhaltigen Gesundheitsmanagements im Vergleich zu den positiven Auswirkungen niedrig: „Laut Kosten-Nutzen-Analyse entstehen durch einen Mitarbeiter, der für einen Tag ausfällt, 250 bis 500 Euro Kosten“, erklärt Warken. „Das Geld, das ein Unternehmen für eine gut strukturierte Gesundheitsförderung aufbringen muss, ist im Vergleich sehr gering. Es lohnt sich.“
Neben der bewegten Pause, die von drei Mitarbeitern abwechselnd selbst geleitet wird, bietet die BGHW ihren Angestellten auch Gesundheitskurse am Arbeitsplatz an. „Wir kennen das ja, wenn man nach der Arbeit nach Hause kommt und erst einmal auf der Couch sitzt, rafft man sich oftmals nicht dazu auf, noch Sport zu machen“, sagt Bernd Tietje, Regionaldirektor der BGHW-Regionaldirektion Nord. „Hier können die Mitarbeiter in der Pause oder nach Feierabend direkt die Bewegungsangebote wahrnehmen und sparen Zeit und Wege.“ Die Kosten für das Angebot müssen jedoch von den Beschäftigten selbst getragen werden.
Verbessertes Betriebsklima
Auch Schulungen für Führungskräfte und externe Beratungsangebote zu Problemen und Sorgen aller Art sind im Gesundheitsmanagement enthalten. „Bereits jetzt merken wir deutlich, wie sich das Unternehmensklima verbessert und der Krankheitsstand runtergeht“, betont Tietje.
Gerade in den vergangenen zehn bis 15 Jahren sei die gezielte Förderung der Mitarbeitergesundheit in vielen Firmen in den Fokus gerückt. Das steigende Interesse am Gesundheitsmanagement vieler Betriebe bestätigt auch Birgit Pharao von der AOK Bremen/Bremerhaven. „Immer mehr Unternehmen fragen nach Angeboten“, sagt Pharao. „Momentan betreuen wir fünf Vollprojekte, die über drei Jahre laufen. Das betrifft insgesamt die Betreuung von rund 3500 Arbeitnehmern.“
Für Matthias Warken von der BGHW ist der demografische Wandel ein Grund für das wachsende Interesse vieler Arbeitgeber, ihre Mitarbeiter gesund zu halten: „Es sollte das Ziel jedes Unternehmens sein, seine Angestellten gesund in die Rente zu bringen.“
„Besseres Wohlbefinden“
Sportwissenschaftler Stefan Dalichau über Sport am Arbeitsplatz
Immer mehr Unternehmen setzen auf ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Sport- und Rehabilitationswissenschaftler Stefan Dalichau erklärt im Interview mit Alexandra Knief, welche Wirkung Bewegung bei der Arbeit haben kann.
Warum ist Bewegung im Büro wichtig?
Stefan Dalichau:
Da gibt es ganz verschiedene Facetten. Bewegung hat einen präventiven Effekt gegen Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems und des Haltungs- und Bewegungsapparats, wirkt also auch Problemen wie Rückenschmerzen entgegen. Des Weiteren erhöht Bewegung die Leistungsfähigkeit und beugt psychischen Erkrankungen vor. Wer sich bei der Arbeit zwischendurch mal bewegt, sorgt allgemein für ein besseres Wohlbefinden.
Wie kann die Bewegung in den Berufsalltag integriert werden?
Besonders wichtig sind Übungen zur Kräftigung und Dehnung, zum Beispiel Dehnübungen für die Brust- und Beinmuskulatur und Kräftigungsübungen für Bauch, Gesäß und Rücken. Oftmals reicht es da für den Anfang schon aus, sich zwischendurch mal 20 bis 30 Sekunden körperlich zu betätigen.
Einfach so am Schreibtisch?
Wenn möglich sollte man aus der normalen Position raus und zwischendurch kurz aufstehen. Wer alle ein bis zwei Stunden kleine „aktive Minipausen“ einlegt, wird merken, dass er entspannter ist und sich wohler fühlt.
Was wird mein Chef dazu sagen?
Bewegungspausen erhöhen die Leistungsfähigkeit und beugen chronischen Krankheiten und somit auch Fehlzeiten der Angestellten vor. Daher sind immer mehr Arbeitgeber an einem guten betrieblichen Gesundheitsmanagement interessiert.
Was gibt es da an Möglichkeiten?
Kurse wie Wirbelsäulengymnastik, Entspannungstraining und Rückenschulen sind mittlerweile Standard. Auch gibt es besondere Angebote für Betriebe in Fitnessstudios oder Schwimmbädern. Das Wichtigste ist, die Mitarbeiter zu motivieren, vor allem die, bei denen die Bewegung auch im Privatleben oft zu kurz kommt. Hier kann oft eine individuelle Beratung der einzelnen Mitarbeiter helfen.
Zur Person
Stefan Dalichau (49) ist Sport- und Rehabilitationswissenschaftler und leitet das Institut für angewandte Prävention und Leistungsdiagnostik der BG Unfallambulanz und des Rehazentrums Bremen.