Drei Jahre hielt Weißstorch Adrian in seiner Wahlheimat Oberneuland vergeblich Ausschau nach einer Liebsten – nun hat er endlich eine Partnerin gefunden. Die beiden ziehen auf dem Bauernhof der Familie Drewes zwei Jungvögel auf und sorgen für viel Gesprächsstoff und staunende Blicke.
Es ist ein faszinierendes Naturschauspiel: Zwei kleine Weißstörche warten auf die nächste Futterration. Sie hüpfen ungeduldig umher und schlagen ein bisschen mit ihren Flügeln. Lange kann es nicht mehr dauern, bis sie flügge werden. Die meiste Zeit hocken sie aber noch seelenruhig in ihrem Nest. Erst als ein Elterntier in Sichtweite kommt, ist Hektik auf dem Dach angesagt.
Drei Jahre haben Jürgen und Monika Drewes auf diesen Moment gewartet. Jeden Sommer beobachteten sie „ihren“ einsamen Storch. Dass es immer der Gleiche war, erkannte Familie Drewes an einem Kunststoffring am Storchenbein. In jedem Jahr baute Weißstorch Adrian, wie die Familie ihn getauft hat, alleine weiter an seinem Nest in luftiger Höhe. „Er hat viel Kram vom Misthaufen geholt“, erzählt Jürgen Drewes. Dieses Frühjahr fand Adrian endlich seine Partnerin Alina.
Die Familie Drewes war immer schon von Störchen begeistert, aber einen geeigneten Nistplatz zu schaffen war nicht so einfach. Jürgen Drewes’ „Storchenkumpel“ Jürgen Lohmann aus Seebergen hat ihn mit Rat und Tat unterstützt. Als vor rund drei Jahren auf dem Grundstück eine Freileitung von der SWB zurückgebaut wurde, war der perfekte Nistplatz gefunden. Von seinem Nachbarn bekam Jürgen Drewes ein hölzernes altes Wagenrad. Zwischen den Speichen wurden Weidenruten und Stroh ausgelegt – und schon war die optimale Starthilfe für das neue Familienmitglied entstanden. „Vier Wochen später kam der erste Storch“, sagt Jürgen Drewes. Seitdem habe der Vogel sein Revier hartnäckig verteidigt. Als ein Storchenpärchen Interesse an dem Nest zeigte, ließ Adrian ihnen keine Chance. „Wir erlebten richtige Storchenkriegsszenen“, sagt Monika Drewes. Einmal sei Adrian dem anderen Schreitvogel regelrecht an die Gurgel gegangen und habe ihn geschüttelt, bis dieser aufgegeben hätte.
Gunnar Oertel von der Stiftung Nordwest-Natur bezeichnet es als völlig normal, dass die Männchen früher kommen und das Revier abstecken. Außerdem brauchen Weißstörche rund drei Jahre, bis sie geschlechtsreif sind.
Statt Kampfgeräuschen ertönen jetzt hin und wieder Klapperkonzerte der schnäbelden Störche. „Das Klappern ist faszinierend. Es ist eine reine Begrüßung“, sagt Jürgen Drewes. Aber auch zur Balzzeit klappern die Störche ausgiebig, um ihre Bereitschaft zur Paarung zu signalisieren. Adrian und Alina haben rund einen Monat die Eier ausgebrütet. „Es war ein ständiges Abwechseln der Partner“, erzählt Jürgen Drewes. Das Storchenpaar wurde in der Zeit von allen Nachbarn und der Familie Drewes genau beobachtet. Jedes Flattern, Recken und Klappern wurde aufmerksam verfolgt. Eine Nachbarin wollte dann ein Köpfchen im Nest entdeckt haben, dann ein zweites und vielleicht sogar ein drittes. Man war sich zunächst nicht sicher. Bald darauf war klar, dass drei Küken geschlüpft waren. Eines hat die erste Woche jedoch nicht überlebt und wurde dann von den Elterntieren aus dem Nest geschubst.
Die anderen beiden sind putzmunter und werden von Tag zu Tag größer und kräftiger. „Der Flaum ist weg, und die Flügel haben schon ihre schwarzen Spitzen bekommen“, sagt Monika Drewes.
1991 gab es das erste storchenfreie Jahr in Bremen. Doch in den vergangenen Jahren ist die Population wieder gestiegen. Allein 13 Störche hat Jürgen Drewes dieses Jahr gezählt, die alle hinter seinem Mähdrescher gelaufen sind, um tote Mäuse, Insekten und Amphibien aufzusammeln.
Ein gutes Nahrungsangebot in einem Umkreis von drei bis fünf Kilometern ist für Störche die wichtigste Voraussetzung, um sich niederzulassen. Störche leben oft in der Nähe von Menschen. Adrian läuft gern in einiger Entfernung neugierig mit über den Hof, wenn er Menschen sieht. „Er gehört einfach mit zur Familie“, sagt Jürgen Drewes.
Wichtig ist für Störche laut Gunnar Oertel ein Nutzungsmosaik aus landschaftlicher Vielfalt. „Die Ausweisung der Naturschutzgebiete Borgfelder Wümmewiesen und Fischerhuder Wümmeniederung gewährleiste die nötige Vielfalt.