Das Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) steht in diesem Jahr im Fokus: Der Wissenschaftsrat begutachtet die Forschungseinrichtung, so wie es satzungsgemäß alle zehn Jahre auf der Tagesordnung steht. Doch auch, wenn das nach Routine klingen könnte, ist die Begutachtung für das HWK wichtig. Denn immerhin hängen von einer positiven Bewertung des Wissenschaftsrates auch die eingehenden Gelder ab. „Sollte der Rat eine negative Bewertung abgeben, hätten die Länder Bremen und Niedersachsen einen wunderbaren Grund, die Zusammenarbeit mit unserer Stiftung aufzulösen“, erklärt Reto Weiler, Rektor des HWK. Und „Zusammenarbeit“ bedeutet in diesem Fall jährlich 1,25 Millionen Euro pro Land.
Bei der Begutachtung wird unter anderem folgenden Fragen nachgegangen: Wie sieht sich die Institution im internen Kontext? Welche Rolle spielt sie in der Region? Welche Strahlkraft hat sie in die Community? Werden adäquate Themenschwerpunkte gesetzt? Und wie entwickelt sich die Institution?
Was die Entwicklung angeht, wird in diesem Jahr zumindest äußerlich ganz einfach eine Antwort zu finden sein. Denn der Stiftungsrat hat just einen Anbau beschlossen. Auf einer Grundfläche von etwa 60 Quadratmetern soll ein Bürogebäude entstehen. So sollen Fellows mit Familien die Möglichkeit erhalten, mit Kind und Kegel ihre Wohnungen beim HWK zu beziehen. „So kann der Arbeitsbereich in das neue Gebäude ausgelagert werden, und in den Wohnungen ist Platz für Kinder“, erklärt Weiler. Da passt es gut, dass im Herbst, wenn das Team des Wissenschaftsrates zu Besuch kommt, bereits die Baukräne stehen sollen. „So etwas macht immer einen guten Eindruck“, sagt Weiler.
Einen guten Eindruck dürften auch die Zahlen aus dem vergangenem Jahr machen. 76 Fellows aus 18 Ländern haben am HWK geforscht. Und darunter waren nicht nur Teilnehmer aus den „klassischen Wissenschaftsländern“, wie der Rektor es formuliert, sondern auch aus Nationen wie Iran, Costa Rica, Südafrika und erstmals Ägypten. „Die Wissenschaft ist international, und wir freuen uns immer, wenn auch mal Forscher aus ganz neuen Ländern dabei sind. Das macht die Sache umso spannender“, schwärmt Weiler. Übrigens war das Geschlechterverhältnis 2015 erstmals genau ausgeglichen.
Die Fellows arbeiten für sich allein, aber zum Teil auch in Arbeitsgruppen, den sogenannten Study Groups. Die Gruppen werden um einen Fellow herum aufgebaut, der ein Thema bearbeitet, das davon profitiert, wenn sich ihm mehrere Wissenschaftler interdisziplinär annehmen. Das Ziel sind Buchpublikationen. Waren es 2015 noch acht Study Groups, sind es inzwischen schon zehn. „Eine Gruppe ist besonders fleißig“, sagt Weiler, „sie ist schon beim sechsten Buch.“
Apropos fleißig und erfolgreich: Zwei langjährige Projekte sind im vorigen Jahr beendet worden. Dabei handelt es sich zum einen um das Buchprojekt „Kursbuch Küste“, bei dem es darum geht, wie man die Küste gegen den Anstieg des Meeresspiegels wappnen und krisensicher gestalten kann. Das Buch ist nach dreijähriger Arbeit Anfang Dezember unter dem Titel „Kurswechsel Küste – Was tun, wenn die Nordsee steigt?“ erschienen. Und nun werden die Ergebnisse fürs Museum aufbereitet. Ab Oktober dieses Jahres wird die Ausstellung im Landesmuseum für Natur und Mensch in Oldenburg zu sehen sein.
Zum anderen wurde nach fast acht Jahren Arbeit ein Projekt zur Entwicklung neuer Monitoringkonzepte für eine nachhaltige Nutzung der Küstengewässer für Modellregionen in der Deutschen Bucht beendet. Das Projekt wurde im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom Verbund Wissenschaftliche Monitoringkonzepte für die Deutsche Bucht (Wimo) erarbeitet.
An seinen Kooperationen will das HWK auch weiterhin festhalten. Schließlich kämen dabei laut Weiler spannende Ergebnisse heraus – zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut (AWI), die seit drei Jahren besteht. Die Kooperationen stehen nicht nur Wissenschaftlern offen, sondern auch Künstlern. Die Ausstellung „The Arctic Series. Part I“ von der Künstlerin Nathalie Grenzhaeuser, die in der Städtischen Galerie Haus Coburg zu sehen war, ist beispielsweise ein Produkt einer solchen Zusammenarbeit zwischen dem HWK und dem AWI.
Ein weiteres Kooperationsprodukt ist das Stück „Der Golem“, das der Schriftsteller Tobias Ginsburg nach seinem Ausflug in die Wissenschaft geschrieben hat. Er beschreibt darin die Veränderung des Menschen aus neurowissenschaftlicher Sicht. Im August eröffnet das Oldenburgische Staatstheater mit dem Stück seine neue Saison.
Reto Weiler findet den Austausch mit Künstlern sehr wichtig. „Sie sind hier mit vielen Wissenschaftlern sozusagen eingesperrt“, erklärt er schmunzelnd, „und nutzen diese Erfahrung als Inspiration. Wir leben in einer Wissenschaftsgesellschaft. Da ist es interessant, herauszufinden, wie sich das im Leben reflektiert.“
Zumindest scheinen die Menschen die Wissenschaft nicht gerade uninteressant zu finden. Denn die zahlreichen Vortragsveranstaltungen des HWK seien durchweg gut besucht.